Frage an Hermann Ott von Jost M. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Ott,
mir ist bekannt, dass die Gehälter vieler kirchlicher Würdenträger, unter anderem auch die angeblichen 5.400 EUR monatliche Rente, die Ex-Bischof Mixa künftig erhält, nicht etwa aus Kirchensteuern, sondern aus Steuermitteln bezahlt werden. Darin sehe ich eine ungerechtfertigte Verwendung von Steuermitteln, zumal ich zu dem Drittel der deutschen Bevölkerung gehöre, die keiner Konfession angehören.
Ich wüsste gerne, wodurch Sie dieses Geschenk des Staates an die Kirchen legitimiert sehen und wie Sie dieses persönlich werten.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen
Jost Müller
Sehr geehrter Herr Jost Müller,
Zunächst einmal: ich kann gut verstehen, dass Sie die Tatsache, dass Sie Rentenzahlungen an so - vorsichtig formuliert - "umstrittene" Personen, wie Herrn Mixa aus der Staatskasse problematisch sehen. Prinzipiell gilt aber natürlich auch hier, dass wir als Steuerzahler natürlich nicht jede einzelne Staats-Ausgabe steuern können und sollen. Sie werden sicherlich nachvollziehen, dass ich persönlich es auch ungerne sehe, dass "meine" Steuergelder für Subventionen für die Atomindustrie verwendet werden. Aber ich gehe davon aus, dass Ihre Frage auch eher allgemeiner Natur ist?
Das Grundsatzprogramm von Bündnis 90/ Die Grünen aus dem Jahr 2002 äußert sich zur Trennung von Kirche und Staat folgendermaßen: "Wir Bündnisgrüne unterstützen die Trennung von Kirche und Staat. Die erreichte Trennung von Kirche und Staat ist eine grundlegende Voraussetzung für die positive Rolle von Kirchen- und Religionsgemeinschaften als wichtigen Kräften der Zivilgesellschaft. Dies gilt für die christlichen Kirchen, aber auch für die israelitische Kultusgemeinde sowie andere Religionsgemeinschaften. In vielen Fragen haben wir Bündnisgrüne Kirchen als wertvolle Bündnispartner erlebt. Dazu gehört insbesondere der ökumenische Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Dazu gehört das Eintreten gegen Fremdenfeindlichkeit, für internationale Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch das ethische Engagement in Fragen der modernen Gentechnik." Sowohl die Staatsleistungen als auch die Einziehung der Kirchensteuer sind übrigens in der Zuständigkeit der Bundesländer. Der Bund leistet keine Zahlungen und ist auch nicht für die Einziehung der Kirchensteuer zuständig. Zuständig und damit auch Ansprechpartner sind die jeweiligen Landesparlamente.
Kirchen und Religionsgemeinschaften, also insbesondere die beiden christlichen Großkirchen, erhalten aus Steuermitteln sogenannte "Staatsleistungen". Bei diesen Geldzahlungen handelt es sich um Leistungen, die die Bundesländer an die jeweilige Gemeinschaft richten als Ausgleich für Verstaatlichungen von Kirchengut, die vor allem im Zuge der Reformation und der Französischen Revolution stattgefunden haben. Rechtsgrundlage dieser Zahlungen ist Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung, der über Art. 140 Grundgesetz Bestandteil des gültigen Verfassungsrechts ist.
Inhalt dieser Zahlungen sind Leistungen für den persönlichen und sachlichen Bedarf der allgemeinen kirchlichen Verwaltung, Leistungen für die Ausbildung, Besoldung und Versorgung der Geistlichen und anderer Kirchenbeamter sowie Aufwendungen für sonstige kirchliche Bedürfnisse, vor allem für die Instandhaltung von Kirchengebäuden. Die Kirchen bezahlen aus diesen Staatsleistungen also auch die Gehälter von Priestern und Bischöfen, soweit diese nicht aus Kirchensteuer-Einnahmen gedeckt werden.
Es handelt sich hierbei nicht um Subventionen beispielsweise für den Betrieb von Krankenhäusern oder Kindergärten, weil nur solche Geldleistungen als Subventionen bezeichnet werden, die zur Verwirklichung eines öffentlichen Interesses dienen. Die jeweiligen Länderhaben mit den christlichen Kirchen Staat-Kirchen-Verträge abgeschlossen. In diesen sind die Höhe der Staatsleistungen und der Mechanismus ihrer Anpassung an die Inflationsrate jeweils festgelegt.
Die Zahlung der Staatsleistungen ist daher eindeutig nicht verfassungswidrig. Trotz des Ablösungsauftrags des Art. 138 Abs. 1 WRV ist der Bundestag nicht verpflichtet, die Grundsätze der Ablösung gesetzlich zu fixieren. Nach Auffassung des Bundesinnenministeriums würde eine solche Ablösung im Übrigen zu erheblichen volkswirtschaftlichen Schwierigkeiten führen, weil sich die Höhe der dann einmalig zu leistenden Ablösung in jedem Bundesland auf hohe Milliardenbeträge summieren würde.
Um es salopp zu formulieren: die Kirchen haben aus ihrer Sicht damals gut verhandelt, weil die "Ersatzleistungen" für die Verstaatlichungen keine Einmalzahlungen waren sondern langfristig in der Verfassung verankert wurden.
Ungeachtet dieser Diskussion leisten Kirchen und Religionsgemeinschaften einen Dienst für die Allgemeinheit, der ansonsten vom Staat geleistet werden müsste. Neben dem Betreiben von Krankenhäusern, Altenheimen und Kindergärten, das nicht Gegenstand der Diskussion um Staatsleistungen ist, erbringen die christlichen Kirchen viele Leistungen caritativer und mildtätiger Art, häufig durch erhebliche ehrenamtliche Tätigkeit ergänzt. Dies kommt wegen der hohen Zahl der Kirchenmitglieder auch dem säkularen Gemeinwesen zugute. Als nicht-staatliche Organisation sind insbesondere die Kirchen starke zivilgesellschaftliche Akteure, die wegen ihrer Größe und ihres Einflusses ein bedeutendes Gegengewicht zur staatlichen Gewalt darstellen.
Zusammenfassend meine ich, dass die Zahlungen an die Kirchen von unserer Verfassung legitimiert sind. Dies heißt aber nicht, dass ich manche Konzepte in der Sozialarbeit und Wohlfahrtspflege von kirchlichen Trägern nicht auch sehr kritisch betrachte. Das wäre aber jetzt ein anderes Thema.
Mit freundlichen Grüßen
Büro Dr. Hermann Ott