Frage an Hüseyin Aydin bezüglich Wirtschaft

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Hüseyin Aydin
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Frage von Julian S. •

Frage an Hüseyin Aydin von Julian S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Hüseyin Aydin,

ich habe zwei Fragen aus unterschiedlichen Themenbereichen zu ihnen, die aber beide zum Thema Wirtschaft im weitesten Sinne gehören.

Zum einen würde ich gerne wissen, wie sie zu den von Oskar Lafontain gelegentlich getätigten Behauptungen stehen und rechtfertigen würden, er sei nicht nur einer der wenigen übrig gebliebenen großen wahren Sozialdemokraten bzw. er vertrete mit seinen Positionen die wahre Sozialdemokratie, sondern sei auch einer der wahrer Vertreter des Neoliberalismus (im Sinne von Ordoliberalismus)?

Gehen die Forderungen der Linken nicht weit über das setzen einer Rahmenordnung, aus der sich der Staat aber ansonsten raus hält, hinaus und halten sie die Forderung von 80% Einkommensteuern (oder auch nur 60%) wirklich für eine ordoliberale Position? Immerhin basiert auch der Ordoliberalismus auf dem Grundkonzept, dass jeder die Früchte seiner Arbeit und seines Kapitals überwiegend genießen können soll, dass ein jeder seine Entscheidungen grundsätzlich frei in eigener Verantwortung fällt und dafür auch die Verantwortung und Früchte zu tragen hat bzw. genießen kann. Und würden zu hohe Steuern nicht die (Brutto-)rendite erhöhen die nötig wären, damit sich Investitionen in Deutschland lohnen?

Zum anderen wollte ich sie zu ihrer Haltung zu einem anderen Thema fragen, der Entwicklungshilfe. Wie stehen sie zum Mikrokreditwesen? Ist das Mikrokreditwesen nicht neben Entwicklungshilfe auf dem Bereich der Bildung die einzig effektive, sinnvolle und mit ausreichender Sicherheit nicht kontraproduktive Form der Entwicklungshilfe?

Mit freundlichen Grüßen

Julian Schmidt

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schmidt,

zum einen bin ich nicht der wirtschaftspolitische Sprecher unserer Fraktion. Zum anderen habe ich nicht alle Reden von Oskar Lafontaine gelesen und möchte Sie daher bitten, die Frage der Position bezüglich des Ordoliberalismus im Verhältnis zum Neoliberalismus und der Sozialdemokratie doch an ihn persönlich zu stellen.

Meine persönliche Meinung zum Ordoliberalismus ist, dass er sich nicht als theoretischer Hintergrund für wirtschaftspolitische linke Positionen eignet. Ich beziehe mich eher auf den Keynesianismus, der die Rolle des Staates auch bei der Kontrolle der Wirtschaft wesentlich stärker mit einem starken sozialstaatlichen Element sieht als der auf Konkurrenz basierende Ordoliberalismus. Gerade in der jetzigen Finanzkrise wird der Ruf nach einer auch von Keynes befürworteten antizyklischen Geld- und Finanzpolitik immer lauter, den wir als LINKE unterstützen. Und natürlich halte ich als Linker auch eine Kontrolle von Unternehmen durch mehr Mitbestimmung von ArbeitnehmerInnen einschließlich in Wirtschaftsangelegenheiten für eine stabile und soziale Wirtschaft unerläßlich. Was den Staat anbetrifft: wenn Steuermittel zu Unterstützung oder Rettung von Unternehmen gewährt werden, so muss in Höhe der gewährten Mittel auch die Beteiligung des Staates durch Mitbestimmung in den jeweiligen Gremien sichergestellt werden.

Des Weiteren haben wir gefordert, dass Manager höchstens das 20fache eines durchschnittlichen Einkommens eines Facharbeiters verdienen. Bei allem was darüber hinaus geht, ist es gerechtfertigt, 80 Prozent Steuern zu veranschlagen.

Zu Ihrer zweiten Frage: In der deutschen und europäischen Entwicklungshilfe werden Mikrokredite als eine sehr wichtige und nutzbringende gesehen, jedoch nicht als die einzig wirksame. Vor allem im Bereich einkommensschaffende Maßnahmen können Mikrokredite unter bestimmten Voraussetzungen sehr wirksam sein.

Doch auch bei Mikrokrediten ist Vorsicht bzw. Aufsicht geboten. Denn Mikrokredite bleiben Kredite, sie bedeuten also auch individuelle Schulden mit steigenden Zinsen. Wenn diese nicht zurückgezahlt werden können, aufgrund von Missernten oder anderer nicht vorhersehbarer Gründe, dann kann das eine Familie ebenso in den Ruin treiben wie kommerzielle Kredite. Auch sozialer Druck im Falle von gemeinschaftlicher Kreditvergabe wie an Frauengruppen kann zu einem sozialen Abstieg führen.

Daher denke ich, dass solidarische Entwicklungshilfe keineswegs überflüssig ist, sowohl auf dem von Ihnen genannten Gebiet der Bildung, aber auch im Gesundheitssektor, beim Aufbau von sozialen Sicherungssystemen, in Genderprojekten, Unterstützung der Zivilgesellschaft und weiteren Feldern.

Vor allem möchte ich aber auch an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass weder Mikrokredite noch Entwicklungshilfe jemals wirklich greifen und die Armut in der Welt verringern werden, wenn wir nicht in der Lage sind, ein gerechtes Welthandelssystem aufzubauen. Es ist unerlässlich, sowohl in Wirtschafts-, Umwelt und Entwicklungsfragen kohärent zu handeln und auch bei nationalen Entscheidungen immer globale Konsequenzen mit zu bedenken.

Mit freundlichen Grüßen

Hüseyin Aydin