Frage an Jeannine Pflugradt bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Jeannine Pflugradt
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Frage von Alexis S. •

Frage an Jeannine Pflugradt von Alexis S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Pflugradt,

Sie haben im Bundestag für die Weiterverfolgung der Verhandlungen um ein mögliches transatlantisches Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada (CETA) gestimmt.

1. Welche Probleme sehen Sie bei den CETA-Verhandlungen im Zusammenhang mit grundlegenden demokratischen Regeln, wie mangelnder Einbindung aller Betroffenengruppen, z.B. von Verbänden von Nichtregierungsorganisationen oder kommunalen Spitzenverbänden. Warum gibt es so wenig Transparenz und Bürgerbeteiligung?

2. Weshalb macht sich die Regierung erneut für ein konzernfreundliches Abkommen stark und blockiert gleichzeitig wirkungsvolle Abkommen in den Bereichen Menschenrechte, internationales Arbeitsrecht, Unternehmenshaftung bei Menschenrechtsverstößen oder Umweltzerstörung? Als Beispiel sei hier der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte angeführt, der immernoch nicht beschlossen ist und wahrscheinlich weit hinter den Erwartungen von Menschen- und Arbeitsrechtsorganisationen zurückbleibt. Werden letztere nur als Feigenblatt angehört?

3. Welche Gegenmaßnahmen ergreifen Sie, um den Riss in der Gesellschaft, der auch durch die gefühlte Distanz zwischen Politik und Bürgerinnen/Bürgern, immer größer wird, nicht noch weiter aufreißen zu lassen?

4. Sicherlich haben Sie mitbekommen, dass Hunderte von Organisationen europaweit gegen CETA und TTIP Sturm laufen und Hunderttausende Menschen auf die Straße gehen. Was tut daran so weh, einen Schritt zurück zu treten und sich intensiver um drängende Probleme wie Armuts- und Reichtumsbekämpfung, Stärkung der Energiewende, Bildungsungerechtigkeit, Natur- und Klimaschutz zu kümmern, als immer und immer wieder den Interessen von Großunternehmen zu dienen?

5. Kurzum: Was hat Sie dazu bewegt, für den Antrag zu stimmen?

Mit freundlichen Grüßen aus Güstrow
Alexis Schwartz

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schwartz,

vielen Dank für Ihre erneute Anfrage über abgeordetenwatch.de

Wie Sie wissen, war die von Ihnen angesprochene Abstimmung im Deutschen Bundestag keine Abstimmung über eine Annahme oder Ratifizierung von CETA. Die Bundesregierung wurde mit dem Beschluss vom 21. September 2016 lediglich aufgefordert, in den Verhandlungen sicherzustellen, dass die unter anderem durch den Parteikonvent der SPD festgelegten Grundsätze eingehalten werden. Sollten die gewünschten Verhandlungsziele nicht erreicht werden, bietet die Einstufung als gemischtes Abkommen und die damit einhergehende Ratifizierung in den nationalen Parlamenten und im Europäischen Parlament die Möglichkeit, das Abkommen auch später noch abzulehnen,
Auch dürfen durch die vorläufige Anwendung in keinem der strittigen Bereiche (u. a.: Investorenschutz, Vorsorgeprinzip, ILO-Kernarbeitsnormen und öffentliche Daseinsvorsorge) Fakten geschaffen werden, bevor die Parlamente zugestimmt haben. Fest steht für mich, dass durch CETA unter keinen Umständen deutsche Arbeits-, Sozial- oder Umweltstandards aufgeweicht werden dürfen. Sollte ich zu irgendeinem Zeitpunkt der noch folgenden Verhandlungen den Eindruck gewinnen, dass dies nicht sichergestellt ist, werde ich CETA nicht zustimmen.
Ich kann Ihre Einschätzung, dass das CETA-Abkommen – sollte es trotz des aktuellen Widerstandes der belgischen Zentralregierung doch noch unterzeichnet werden - undemokratisch zustande kommen würde, nicht nachvollziehen.
Der Verfahrensablauf für internationale Verträge ist im Vertrag von Lissabon festgelegt worden und seitdem wurden zahlreiche Freihandelsabkommen verabschiedet, ohne dass darüber auch nur annähernd so scharfe Diskussionen geführt wurden, wie jetzt im Hinblick auf TTIP und CETA. Bei den Verhandlungsmandaten zu TTIP und CETA handelt es sich eben nicht um Rechts-, sondern um Verwaltungsakte – daher ist eine Bürgerbeteiligung grundsätzlich nicht vorgesehen. Dies hat auch solange niemanden gestört, bis Nichtregierungsorganisationen dies als undemokratisch gebrandmarkt haben und seitdem Stimmung dagegen machen. Ich persönlich finde gut, dass dadurch das Interesse der Bevölkerung an Handelsabkommen gestärkt wurde und denke, dass bei derlei Verfahren eine bessere Information unserer Bürger bereits im Vorfeld der Verhandlungen dazu beitragen könnte, die Diskussion über die Abkommen zu versachlichen.
Ihre Fragen 2-4 sind polemisch und unterstellen dem Parlament und der Regierung einseitig zu agieren und bei Abkommen und Gesetzen in erster Linie Markt- und Kapitalinteressen zu bedienen. Diese Einschätzung teile ich nicht. Ich z.B. bemühe mich, erst gar keine Distanz zwischen Politik und Bürgerinnen und Bürgern aufkommen zu lassen, indem ich regelmäßig in den sitzungsfreien Wochen Bürgersprechstunden in meinen Büros in Neustrelitz und Güstrow durchführe.
Dies wird oft und gern von interessierten Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen, führte bisher immer zu sachlichen Diskussionen und steht auch Ihnen jederzeit offen.
Frage 5 habe ich mit meiner Antwort auf Frage 1 weitgehend beantwortet. Die Globalisierung schreitet voran und es ist wichtig, dass Regeln aufgestellt werden, diese zu steuern. Durch Freihandelsabkommen kann der Prozess positiv beeinflusst werden. Sie ermöglichen erst, dass faire und nachhaltige Standards gesetzt werden können. Zudem ist der Außenhandel für den Exportweltmeister Deutschland Quelle unseres sozialen Wohlstandes. Es ist daher eine Frage der politischen Verantwortung und damit auch meine Aufgabe als Bundestagsabgeordnete, darüber zu befinden, wie unsere Außenwirtschaftsbeziehungen durch Freihandelsabkommen geregelt werden.
Schlussendlich möchte ich betonen, dass bei den Verhandlungen zu CETA nicht Deutschland, bzw. die nationalen Parlamente Verhandlungsführer sind, sondern der Europäische Rat und das EU-Parlament. Ich persönlich begrüße jedoch ausdrücklich, dass bei den Verhandlungen sowohl die Bundeskanzlerin, als auch Bundeswirtschaftsminister Gabriel mit einbezogen sind, um bereits im Vorfeld den Rahmen aufzuzeigen der für eine Zustimmung Deutschlands zu dem Abkommen essentiell ist.

Mit freundlichen Grüßen

Jeannine Pflugradt, MdB