Frage an Jens Ackermann bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Jens Ackermann
FDP
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Frage von Guenter S. •

Frage an Jens Ackermann von Guenter S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Ackermann,

was machen Sie mit einem Menschen, der fremdbestimmt zumutbare Arbeit für sich ablehnt?

Sanktionieren Sie ihn?

Wollen Sie den Menschen alles wegnehmen, wenn sie erwerbslos werden und in Ihrer Privatsphäre schnüffeln (Bedarfsprüfung)

Stehen Sie für eine Bevormundung des Staates, also Paternalismus oder für die Freiheit des Individuums?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schwarz,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre Fragen vom 24. März, die ich Ihnen gerne beantworte.

Um hier eine umfassende Antwort geben zu können, bitte ich um Verständnis, wenn ich hierzu auch Positionen meiner Bundestagsfraktion schildere.

Zunächst: Für uns ist es selbstverständlich, dass es eine staatliche Absicherung des Existenzminimums geben muss. Sie ist für die soziale Gerechtigkeit, für den Zusammenhalt einer Gesellschaft und insbesondere für die Freiheit des Einzelnen unverzichtbar. Denn jeder kann unverschuldet in eine Situation geraten, in der er ohne Unterstützung nicht mehr weiter kommt. Hier ist Hilfe notwendig, in Form von finanzieller Unterstützung und auch mehr. Ziel muss es aber immer sein, allen Bürgern ein selbstbestimmtes Leben und eigenverantwortliches Handeln zu ermöglichen, damit sie wieder auf eigenen Beinen stehen und an der Gesellschaft teilhaben können. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 zu einem menschenwürdigen Existenzminimum und gesellschaftlicher Teilhabe bestätigen uns in dieser Haltung.

Die bestmögliche Balance zwischen einer Absicherung in Notsituationen und der Integration in Arbeit zu finden, ist vornehmliches Ziel liberaler Sozialpolitik. Dabei dürfen wir aber auch das Verhältnis zwischen den Leistungsempfängern und denjenigen, die diese Leistungen erbringen, nicht aus den Augen verlieren. Das Geld, welches der Staat für soziale Leistungen ausgibt, müssen die Bürger durch Steuern bezahlen. Ein effizientes Sozialsystem muss sich deshalb an dem Grundsatz orientieren, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet.

Schon heute nehmen 6,7 Mio. Menschen Leistungen des Arbeitslosengelds II in Anspruch. Zum Teil leben sie ausschließlich von Hartz IV, zum Teil erhalten sie ergänzende Leistungen zu ihrem Erwerbseinkommen oder verdienen sich noch etwas zum Arbeitslosengeld II hinzu. Mit höheren Regelsätzen würden noch mehr Menschen auf den Hartz-IV-Bezug angewiesen sein. Es würden die Anreize verstärkt, sich in einem Bezug von staatlichen Transferleistungen „einzurichten“, anstatt eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Gerade Kinder arbeitsloser Eltern wären die Leidtragenden.

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Kinderregelsätze nicht prozentual vom Regelsatz eines Erwachsenen abgeleitet werden dürfen, sondern der Bedarf von Kindern eigenständig ermittelt werden muss. Dies hat die FDP-Bundestagsfraktion seit langem gefordert. Zudem hat das Gericht die fehlende Transparenz bei der Berechnung der Regelsätze für Kinder wie Erwachsene beanstandet, jedoch nicht die Höhe der Leistungen in Frage gestellt. Vielmehr hat das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass „die geltenden Regelleistungen nicht als evident unzureichend angesehen werden“, sondern das Existenzminimum grundsätzlich absichern. Die unmittelbar nach der Urteilsverkündung erhobenen Forderungen, die Regelsätze pauschal auf 420 oder 500 Euro heraufzusetzen, wie es die Grünen und die LINKE fordern, halten wir für falsch, ebenso eine pauschale Kürzung. Sie werden dem Urteilsspruch nicht gerecht.

Die soziale Lage der Eltern darf nicht über den Bildungsweg der Kinder und Jugendlichen entscheiden. Wir wollen dafür sorgen, dass Kinder arbeitsloser Eltern dieselben Chancen für Bildung und Aufstieg haben wie andere Kinder. Sie sollen später nicht auf Hartz IV angewiesen sein, sondern ein eigenverantwortliches Leben führen und für ihren Unterhalt und den ihrer Familie selbst aufkommen können. Deshalb werden wir die Bildungschancen für Kinder verbessern, dies gilt bei der Überarbeitung der Leistungen für Kinder in Bedarfsgemeinschaften, aber auch für alle Kinder in diesem Land. In diesem Zusammenhang hat die Koalition beschlossen, in einem bislang einzigartigen Kraftakt zusätzliche 12 Mrd. Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung zu stellen.

Kinder und Jugendliche sind arm, weil die Familien, in denen sie leben, arm sind. Am besten wird Kindern arbeitsloser Eltern daher geholfen, wenn ihre Eltern einer Arbeit nachgehen. Deshalb werden wir die Hinzuverdienstgrenzen für Bezieher von Arbeitslosengeld II verbessern. Damit stärken wir die Anreize, den Kontakt zum Arbeitsmarkt zu suchen, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und ein Einkommen zu erzielen. Denn Arbeit muss sich für alle wieder lohnen. Damit verbessern sich die Voraussetzungen für eine Beschäftigung, die den Lebensunterhalt absichert. Bessere Hinzuverdienstgrenzen dienen der langfristigen Integration in den Arbeitsmarkt.

Unser Ziel ist es, arbeitslose Menschen in Beschäftigung zu bringen. Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst. Wir werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen und bis Ende 2010 die Regelsätze neu berechnen. Damit korrigieren wir die von uns seit langem angemahnten handwerklichen Fehler, die der rot-grünen Bundesregierung bei der Hartz-Gesetzgebung unterlaufen sind. Wir werden ebenfalls bis Ende des Jahres eine Nachfolgelösung für die Jobcenter in Kraft setzen. Das Bundesverfassungsgericht hatte die bestehende Mischverwaltung zwischen Kommunen und Bundesagentur für Arbeit bereits 2007 für verfassungswidrig erklärt: ein weiterer schwerwiegender Fehler der rot-grünen Bundesregierung, den die letzte Bundesregierung nicht behoben hat. Wir wollen dafür sorgen, dass die Jobcenter ihre Aufgaben fortführen können, und es möglichst vielen Kommunen ermöglichen, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen in eigener Regie zu übernehmen.

Im Übrigen hat die christlich-liberale Bundesregierung unmittelbar nach der Wahl das Schonvermögen für private Altersvorsorge verdreifacht und damit eine Forderung der FDP umgesetzt. Die Anhebung des Schonvermögens gehört ebenso wie die Verbesserung der Hinzuverdienstmöglichkeiten und weitere Maßnahmen zu den Forderungen aus dem Wahlprogramm der FDP, die Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden haben. Sie sind Bestandteil des liberalen Bürgergelds, dem Konzept der FDP für ein soziales Mindesteinkommen, welches ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert wurde.

Abschließend möchte ich nochmals meine Positionen zusammenfassend darstellen: Wer arbeitsfähig ist, soll auch selbst zu seinem Lebensunterhalt beitragen. Wer hilfebedürftig ist, soll die Unterstützung der Solidargemeinschaft erhalten.

Wir Liberale stehen deshalb zur Freiheit des Individuums.

Ich hoffe, Ihnen umfassend geantwortet zu haben. Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.

Mit den besten Wünschen nach Berlin

Ihr
Jens Ackermann