Frage an Joachim Pfeiffer bezüglich Wirtschaft

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Joachim Pfeiffer
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Frage von Jürgen M. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Jürgen M. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Dr. Pfeiffer,

droht uns bei der beabsichtigten Fusion zwischen EADS und BAE dasselbe Schicksal wie bei EZB, ESM und EFSF ??

Lassen wir uns von den cleveren und strategisch denkenden Franzosen wieder vorführen und unsere deutsche Einflußnahme aufgrund von Rücktritten oder geringeren Mitspracherechten aufgrund niedrigerer Anteilsanteile zurück nehmen ??

Und sich bei solchen gravierenden Entscheidungen unter Zeitdruck (10. Okt) setzen zu lassen, halte ich auch für höchst bedenkensert.

Für Ihre Antwort bedanke ich mich bereits jetzt und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Jürgen Möller

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Möller,

grundsätzlich stehe ich einer Fusion von EADS und BAE Systems aufgeschlossen gegenüber. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen, von denen ich hier nur einige ansprechen will:

EADS ist bereits jetzt ein wichtiges Positivbeispiel für eine gelungene internationale Kooperation und Integration. Auf den bisherigen Erfahrungen kann bei einer Fusion mit BAE direkt aufgebaut werden.

Vor dem Hintergrund sinkender nationaler Verteidigungsbudgets auch in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU ist eine weitere Europäisierung und Internationalisierung der Verteidigungsindustrie unumgänglich. Das Gemeinschaftsunternehmen wäre der erste echte Komplettanbieter im Verteidigungsmarkt.

EADS kann sich mithilfe der Fusion aus einem strategischen Dilemma befreien. Ursprünglich plante EADS rund die Hälfte des Umsatzes im Verteidigungsgeschäft zu machen. Derzeit ist allerdings Airbus für rund 80 Prozent des Geschäfts verantwortlich. Doch während der Zivilsektor boomt, schwächelt der Verteidigungsmarkt vor allem in Europa, da die staatlichen Budgets stagnieren. Dennoch bleibt der Verteidigungsmarkt weniger zyklisch als der zivile Flugzeugbau. Durch die Übernahme von BAE Systems würde sich der Verteidigungsanteil eines gemeinsamen Unternehmens erhöhen, die einseitige Abhängigkeit vom Airbus-Geschäft würde sinken.

Eine gemeinsame Vorstands- und Managementstruktur mit identischen Führungsgremien bei BAE Systems und bei EADS würde sicherstellen, dass die Gruppe effizient als wirtschaftliche Einheit agieren kann und gleichzeitig nationale Sicherheitsbedenken berücksichtigt würden.

Mit Sicherheit ist die Fusion aber keine Frage, über die von den Vorständen und Aufsichtsräten der Unternehmen allein aus betriebswirtschaftlicher Sicht beschlossen werden kann. Die letzte Entscheidung darüber liegt bei der deutschen, der französischen und der britischen Regierung. Es genügt nicht, wenn das Unternehmen Arbeitsplätze bis 2014 oder 2016 garantiert. Das ist nicht zielführend.

Für die Prüfung der Politik sind die beiden Bereiche, der zivile und der militärische Zweig, maßgeblich. Zunächst geht es um den kommerziellen Bereich des Flugzeug- und Hubschrauberbaus. Das Gemeinschaftsunternehmen Airbus ist ein Erfolgsmodell der europäischen Zusammenarbeit. Die Staaten haben daran den größten Anteil, denn in die Vorgängerunternehmen sind Milliarden an Steuergeldern geflossen. Ziel muss es sein, Wertschöpfung, Produktion und Arbeitsplätze langfristig in Deutschland zu halten. Die deutschen Standorte müssen mit klaren vertraglichen Regelungen abgesichert werden. Dazu gibt es Erfahrung, und dies kann gelingen.

Der militärische Zweig ist der schwierigere Bereich. Wir haben in Europa die erfreuliche Situation einer Friedensdividende. Durch den Zusammenbruch des Ostblocks werden weniger Waffen benötigt. Dennoch muss Deutschland technologisch auch zukünftig in der Lage sein, Verteidigungssysteme zu entwickeln. Das ist unser nationales Interesse. EADS ist kein gewöhnlicher Konzern. Als der Autobauer Opel vor einigen Jahren um Staatshilfen warb, ging es um den Erhalt von Arbeitsplätzen und Werken. Bei Autos aber sind keine Engpässe zu befürchten, falls ein Hersteller anderswo produziert. Anders sieht die im Verteidigungsbereich aus. Wenn Technologien und Fähigkeiten erst einmal abgewandert sind, geraten wir in eine Abhängigkeit von anderen. Wir sollten aber ein großes Interesses daran haben, auf diese Technologien auch in Zukunft zurückgreifen zu können. Die Gretchenfrage lautet: Wie gelingt es, die aus meiner Sicht legitimen Zugriffsrechte des Staates zu sichern.

Es geht aber nicht nur um Standortfragen, sondern auch um die Industrie- und Verteidigungspolitik. Im Verteidigungsbereich des EADS-Konzern gibt es eine Besonderheit: Der deutsche Staat ist hier der größte Kunde. In Deutschland gab es vor 20 Jahren noch 4500 Kampfpanzer, mittlerweile sind es nur noch einige Hundert. Das Beispiel zeigt, dass die Verteidigungsindustrie mit nationaler und europäischer Nachfrage allein nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Die Frage lautet daher, wie mit Exporten die Arbeitsplätze gesichert werden können. Damit sind wir bei dem brisanten Thema, in welchem Umfang deutsche Verteidigungsgüter an andere Länder auf der Welt geliefert werden. Auch diese Aspekte sind zu berücksichtigen. Ein Verkürzung der Fusion auf Standortfragen greift daher zu kurz. Im Vordergrund stehen auch sicherheitspolitische und verteidigungspolitische Überlegungen. Das ist der Grund, warum sich die Politik ihre Entscheidung nicht leicht macht.

Darüber hinaus ist die Zulieferindustrie zu berücksichtigen. Bisher ist geplant, den zivilen Teil in Toulouse und den militärischen Teil in London anzusiedeln. Das hätte für viele Dienstleistungsunternehmen und Zulieferer Folgen. Wenn der Konzern etwa Versicherungen für seine Dienstwagen oder Reinigungsverträge für seine Büros abschließt, werden diese höchstwahrscheinlich in dem Land mit dem Hauptsitz nachgefragt. Deutsche, insbesondere mittelständische Unternehmen gingen leer aus. Für Deutschland besteht damit die Gefahr, dass Wertschöpfungsketten verloren gehen. Dies darf nicht passieren.

Bisher galt es in der deutsch-französischen Zusammenarbeit, das anteilmäßige Gleichgewicht zu wahren. Meines Erachtens sollte der Einfluss des deutschen Staates auch künftig und auf Dauer abgesichert werden. Aus dieser Warte spricht einiges dafür, mit den Franzosen im Unternehmen auch in Zukunft auf Augenhöhe zu agieren. Die deutsch-französische Balance muss erhalten bleiben. Eine „Goldene Aktie“ hätte hier sicherlich einen gewissen Charme. Es muss aber geprüft werden, ob dieser Weg mit dem EU-Wettbewerbsrecht vereinbar ist. Hier gibt es berechtigte Zweifel. Ich persönlich halte eine Beteiligung des Staates am fusionierten Unternehmen – direkt oder indirekt beispielsweise über die KfW – für sinnvoll. Es ist aber nicht so, dass wir uns mit Hurrageschrei in eine Beteiligung stürzen, sondern wir müssen die Dinge abwägen. Dieser Prozess ist noch im Gange. Mit Hochdruck wird derzeit auf Unternehmens- und Regierungsebene verhandelt.

Deutschland hat somit sein nationales Interesse in den Bereichen Industriepolitik, Sicherheitspolitik, Technologiepolitik und Standortpolitik im Zusammenhang mit der möglichen Fusion von EADS/BAE definiert. Diese gilt es bei den Verhandlungen durchzusetzen. Qualität geht dabei vor Schnelligkeit.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB