Frage an Joachim Pfeiffer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Joachim Pfeiffer
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Frage von Heinz H. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Heinz H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,

in Ihrer Antwort an Herrn Heimann vom 13.10.2015 zum Thema TTIP behaupten Sie wiederum wie angeblich transparent die Verhandlungen abliefen.

Demgegenüber schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ erst wieder am 10.10.2015 unter dem Titel „Draußen bleiben“ „nicht einmal Bundestagsabgeordnete dürfen Einsicht in die Verhandlungstexte nehmen“, die in dem Leseraum der US-Botschaft in Berlin ausgelegt sind und weiter „Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) beklagt den Ausschluss der Parlamentarier aus dem Leseraum schon länger. Im Juli beschwerte er sich beim US-Botschafter, aber ohne Erfolg.“

Dies heißt doch, dass Sie als Abgeordneter selbst auch nicht wissen, was in den Texten mit zentralen TTIP-Dokumenten, die in dem Leseraum ausgelegt sind, drinsteht. Interessieren Sie diese Texte gar nicht? Sie schließen sich wohl blindlings der Meinung von Großkonzernen an, die natürlich von TTIP profitieren würden, ganz im Gegensatz zu Arbeitnehmern und Verbrauchern? Und warum reden Sie weiterhin wider besseres Wissen von transparenten Verhandlungen? Ist die Forderung von Parlamentspräsident Lammert also unangebracht?

Mit freundlichen Grüßen
Heinz Heckele

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Sehr geehrter Herr Heckele,

aus meiner Sicht bleibt es dabei, dass mit den vorliegenden TTIP-Verhandlungen eine nie vorher dagewesene Transparenz erreicht wird.

Seit Beginn dieses Jahres werden alle EU-Verhandlungstexte von der EU-Kommission ins Internet gestellt und können von jedermann gelesen werden. Dabei ist festzustellen, dass - angesichts der lautstarken Kritik wegen angeblich mangelnder Transparenz doch etwas überraschend - nur wenig Interesse an den konkreten Verhandlungstexten und Informationen der EU-Kommission zu bestehen scheint. Bis zum 9. September 2015 wurde beispielsweise das deutschsprachige Konzeptpapier zum Investitionsschutz und ISDS vom Mai 2015 nur 601 Mal abgerufen. Zieht man in Betracht, dass es sich hierbei um eines der am stärksten diskutierten Themen bei TTIP handelt, ist das geradezu erstaunlich. Auch die weiteren Zahlen sprechen für sich: das deutsche Informationspapier der Kommission zum Investitionsschutz in CETA wurde bis 9. September lediglich 899 Mal angeklickt. Die gemeinsame Erklärung des US-Handelsbeauftragten Michael Froman und der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wurde sogar nur 149 Mal abgerufen. Diese Liste könnte man beliebig fortführen - die Klickzahlen zu den TTIP-Dokumenten auf den Seiten der EU-Kommission sind verschwindend gering im Vergleich zur Zahl der Kritiker. Diejenigen, die permanent die vermeintlich fehlende Transparenz der Verhandlungen zu TTIP beklagen, sollten ihre Möglichkeiten zur konstruktiven Begleitung des Verhandlungsprozesses auch tatsächlich wahrnehmen.

Im Übrigen muss aber auch bei TTIP in einem bestimmten Umfang die Vertraulichkeit von Verhandlungen gewährleistet sein. Das ist auch in Demokratien eine völlig normale und legitime Vorgehensweise. So ist es im Deutschen Bundestag und in anderen demokratisch gewählten Parlamenten absolut üblich, dass die Fachausschüsse, in denen Gesetzgebungsvorhaben im Detail beraten werden, nicht öffentlich tagen. Zumeist wird nach der öffentlichen Plenardebatte zunächst eine öffentliche Anhörung im Ausschuss durchgeführt. Dann gibt es Fachgespräche und Berichterstattergespräche, die nicht öffentlich sind und anschließend wird - wiederum in einer in nicht-öffentlichen Sitzung - im Ausschuss über das Ergebnis abgestimmt. Erst dann wird das Ergebnis der Öffentlichkeit vorgestellt und es kommt zur öffentlichen Abstimmung im Plenum. Nicht-Öffentlichkeit ist also in bestimmten Beratungsstadien in jeder Demokratie etwas völlig Natürliches. Dies war von Beginn der Geltung des Grundgesetzes im Jahr 1949 an so und unsere Demokratie hat sich ja seitdem unzweifelhaft stabil und positiv entwickelt. Ein weiteres Beispiel sind Tarifverhandlungen, die ebenfalls nicht-öffentlich stattfinden. Zunächst werden die Positionen der Tarifparteien ausgetauscht. Dann gibt es die nicht-öffentlichen Verhandlungen, deren Ergebnisse anschließend den Mitgliedern der Tarifparteien zur Entscheidung vorgelegt werden. Da gab es jüngst auch Beispiele, dass die Gewerkschaftsmitglieder nicht einverstanden mit den Ergebnissen waren. Genauso läuft es auch bei TTIP und anderen völkerrechtlichen Verträgen. Die Verhandlungsparteien verhandeln nicht-öffentlich und das Ergebnis wird anschließend den demokratisch legitimierten Institutionen - d.h. insbesondere den Parlamenten – zur Genehmigung vorgelegt. Daran ist nichts Skandalöses, sondern dies ist eine völlig normale und legitime Vorgehensweise.

Zu der ebenfalls aufgeworfenen Frage, inwieweit nationale Parlamente überhaupt in TTIP-Dokumente Einsicht nehmen sollen, kann ich nur auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund und EU verweisen. Für Freihandelsabkommen ist die EU zuständig, deshalb muss das Europäische Parlament (das genauso demokratisch legitimiert ist wie der Deutsche Bundestag) Einsicht in die Unterlagen nehmen können. Warum darüber hinaus auch 28 nationale Parlamente zu jeder Zeit Einsicht nehmen können sollen, erschließt sich mir nicht auf Anhieb. Auch der Deutsche Bundestag würde es nicht gern sehen, wenn die Landtage zu allen Vorgängen, die allein in die Zuständigkeit des Bundes fallen, ständig Einsicht in Unterlagen nehmen wollten. Unsere Demokratie basiert auf dem Prinzip der Gewaltenteilung - und dazu gehört auch, dass wir unterschiedliche Zuständigkeiten der Verfassungsorgane respektieren müssen. Das gilt sowohl im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, als auch im Verhältnis zwischen Bund und Europa.

Im Übrigen sollte man auch ein wenig mehr Verständnis für die Argumentation der amerikanischen Seite aufbringen. Die Amerikaner sagen - nicht völlig zu Unrecht - dass zwar einzelne Punkte verhandelt wurden und es erste konsentierte Texte gibt. Diese Zwischenverhandlungsergebnisse sind aber natürlich nicht abschließend, denn bekanntlich ist in laufenden Verhandlungen erst dann etwas vereinbart, wenn alles ausverhandelt ist. Das ist bei Gesetzgebungsvorhaben im Bundestag – wenn ich diese Parallele noch einmal ziehen darf - nicht anders. Wenn nun aber bereits Zwischenergebnisse von TTIP öffentlich würden, wäre das geradezu eine Einladung an alle Lobbygruppen, die ihre Interessen vermeintlich nicht durchgesetzt sehen, nochmals massiv auf die Verhandlungsparteien einzuwirken. Diese Argumentation ist für mich in der Sache durchaus nachvollziehbar und ich kann deshalb die Zurückhaltung der Amerikaner zumindest verstehen.

Im Ergebnis sehr ich aber trotzdem die Gefahr, dass nun in die - meist sehr technischen Verhandlungsdokumente - viel mehr hineingeheimnisst wird, als wirklich drin steht. Vor diesem Hintergrund bin ich nach Abwägung auch der oben genannten Gründe im Ergebnis doch der Meinung, dass neben den unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1252&serie=866&langId=de bereits öffentlich eingestellten EU-Verhandlungstexten (dort finden Sie das Verhandlungsmandat, EU-Textvorschläge und –Positionspapiere) auch die konsentierten Verhandlungstexte zu TTIP veröffentlicht werden sollten - nicht zuletzt um den Apologeten absurder Verschwörungstheorien den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Handelskommissarin Malmström hat daher dankenswerterweise erst letzte Woche wieder in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages zugesagt, sich hierfür bei den Amerikanern mit aller Kraft einzusetzen.

Abschließend darf ich nochmals darauf hinweisen, dass der Text von TTIP nach Abschluss der Verhandlungen dem Europäischen Parlament und – da es sich bei TTIP europarechtlich gesehen mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein sogenanntes gemischtes Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedsländern handeln wird - auch den nationalen Parlamenten aller 28 EU-Mitgliedstaaten zur Genehmigung vorgelegt wird. Ohne deren Zustimmung wird TTIP nicht in Kraft treten. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht also ein ausreichendes Maß an demokratischer Kontrolle.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB