Frage an Joachim Pfeiffer bezüglich Wirtschaft

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Joachim Pfeiffer
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Frage von Manfred I. •

Frage an Joachim Pfeiffer von Manfred I. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Dr. Pfeiffer,

da Sie ein glühender Lobbyist für CETA und TIPP sind, habe ich eine Frage an Sie.
Wie stehen Sie zu folgender Meldung:
Konzern zwingt Staat in die Knie. Ecuador wurde vom Schiedsgericht zu 1,1 Milliarden US-Dollar Strafzahlung verurteilt. Zwar erkannte das Gericht, dass US- amerikanische Ölkonzerns Occidental Petroleum (Oxy) gegen ecuadorianische Gesetze verstoßen habe, geht aber davon aus, dass die Firma durch den Staat benachteiligt wurde. " Eine Milliarde Dollar bedeutet 200 Schulcentren, die auf den Altaren des internationalen Kapitals geopfert werden," sagt der Präsident Ecuadors, Rafael Correra, und bezeichnete das Urteil als Angriff auf die Souveränität des Landes.
Link dazu: https://amerika21.de/2015/11/136361/oxy-urteil-gegen-ecuador
Weitere 24 Klagen transnationaler Konzerne in Höhe von 14 Milliarden US Dollar sind bei Schiedsgerichten anhängig.
Link: https://amerika21.de/2015/10/134790/klagen-investitionsschutz
Gauben Sie Herr Dr. Pfeiffer das es Europa und Deutschland anders geht?
Zum Schluss noch eine Frage. Der Bundestagspräsident Lammert fühlt sich über Ceta und TIPP nicht informiert, wo haben Sie Ihr Wissen über diese Verträge her. Wie sieht es eigentlich mit dem Eid aus, Deutschland vor Schaden zu bewahren.

Mit freundlichen Grüssen
M. Ittermann

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Sehr geehrter Herr Ittermann,

das Thema Investor-Staat-Schiedsverfahren wird in der Öffentlichkeit höchst kontrovers diskutiert. Immer wieder werden solche Verfahren als abschreckende Beispiele angeführt. Häufig gestalten sich diese Fälle bei genauer Betrachtung jedoch deutlich komplexer als von ISDS-Kritikern dargestellt. Im Falle des von Ihnen vorgetragenen Abkommens zwischen den USA und Ecuador ging es um folgenden Sachverhalt:

Die US-amerikanische Occidental Exploration and Production Company (OEPC) war seit Mitte der 1980er in Ecuador aktiv. 1999 schlossen Ecuador und Occidental einen Nutzungsvertrag ab, der Occidental die exklusiven Rechte auf die Exploration und Extraktion von Öl in einem Teil des ecuadorianischen Amazonasgebiets zusicherte. Im Jahr 2000 suchte Occidental nach Möglichkeiten, eine Erweiterung seiner Operationen zu finanzieren. Occidental ging deshalb eine Kooperation („Farmout Agreement“) mit der Alberta Energy Corporation Ltd. (AEC) ein, die ihrerseits nach Ecuador expandieren wollte. Das „Farmout Agreement“ wurde im Oktober 2000 unterzeichnet. Nach Ansicht der ecuadorianischen Regierung hätte diese Vereinbarung von der Regierung genehmigt werden müssen. Die Regierung machte Occidental zum Vorwurf, mit der Übertragung von Rechten an AEC ohne vorherige Genehmigung durch die Regierung gegen ecuadorianische Kohlenwasserstoffregulierungen verstoßen habe. Gleichzeitig stand die Regierung durch mehrere Demonstrationen der indigenen Amazonasbevölkerung unter politischem Druck. Im Mai 2006 löste die Regierung den Nutzungsvertrag auf. Und sie beschlagnahmte und verstaatlichte das Eigentum von Occidental.

Ebenfalls im Mai 2006 reichte Occidental eine Investor-Staat-Schiedsklage wegen Enteignung beim International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) in Washington D.C. ein und verlangte 2,3 Milliarden US-Dollar Schadenersatz. Das Unternehmen warf der Regierung vor, den Nutzungsvertrag ohne Begründung gekündigt zu haben, wodurch sie sowohl den Nutzungsvertrag selbst gebrochen als auch gegen ecuadorianisches Recht und den IFV zwischen den USA und Ecuador verstoßen habe. Die ecuadorianische Regierung argumentierte hingegen, dass die Kooperation zwischen Occidental und AEC eine Erlaubnis durch das zuständige Ministerium erfordert hätte.

Das Schiedsgericht entschied im Oktober 2012, dass die Kooperation mit AEC tatsächlich von der Regierung hätte bestätigt werden müssen. Jedoch habe sowohl die Aufkündigung des Nutzungsvertrags als auch die Enteignung nicht im Verhältnis zu dieser Verletzung gestanden. Das Gericht legte Occidentals Entschädigung auf 75 Prozent der verlangten Summe (1,77 Milliarden US-Dollar plus Zinsen) fest.

Fazit: Die ISDS-Klage von Occidental gegen Ecuador richtete sich nicht gegen den Schutz des Regenwaldes. Vielmehr ging es um die Frage, ob die Beschlagnahmungen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Regenwaldschutzes den Tatbestand der Enteignung erfüllten und das Unternehmen hätte entschädigt werden müssen.

Mit Ihrer Frage, ob es Deutschland und Europa anders ergehe, wollen Sie vermutlich zum Ausdruck bringen, dass wir mit TTIP von einer Klagewelle durch US-Investoren überrollt würden. Diese Befürchtung kann ich Ihnen nehmen. Die Vergangenheit zeigt nämlich, dass US-Investoren nicht klagefreudiger sind als Investoren aus anderen Ländern. Als einzelnes Land betrachtet stammen zwar die meisten Klagen aus den USA: Bis einschließlich 2014 wurden insgesamt 134 Klagen von US-Investoren initiiert. Jedoch leiteten Investoren aus der EU im gleichen Zeitraum mit 330 Klagen weit mehr als doppelt so viele Investor-Staat-Schiedsverfahren ein als US-Investoren. Und obwohl die USA bereits mit neun EU-Ländern Investitionsabkommen haben (Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Rumänien, Estland, Bulgarien, Lettland, Kroatien und Litauen), gab es keine Flut von Investor-Staat-Schiedsverfahren gegen diese Länder. Im Gegenteil haben US-Investoren bisher insgesamt nur elf Klagen gegen EU-Mitgliedstaaten eingereicht, vier gegen Polen, drei gegen Rumänien, jeweils eine Klage gegen die Tschechische Republik und Estland, eine Klage gegen Estland gemeinsam mit einem niederländischen Investor sowie eine gegen die Slowakei. In den Streitfällen zwischen US-Investoren, der Tschechische Republik, Estland und Rumänien, die bereits abgeschlossen wurden, haben die Staaten gewonnen.

Auch wurde der Großteil der bis Ende 2014 eingereichten Klagen gegen EU-Mitgliedstaaten nicht von US-amerikanischen Investoren initiiert, sondern von Investoren aus anderen EU-Mitgliedstaaten (116 der 131 Fälle gegen EU-Mitgliedstaaten).

Die Zahlen zeigen, dass US-Unternehmen nicht klagefreudiger sind als europäische Unternehmen, auf deren Konto bisher weltweit die meisten ISDS-Verfahren gehen. Auch die bisherigen Klagen von US-Investoren gegen EU-Länder geben keinen Grund zur Sorge vor einer Prozesswelle.

Und nochmals zur Transparenz: Aus meiner Sicht bleibt es dabei, dass mit den vorliegenden TTIP-Verhandlungen eine nie vorher dagewesene Transparenz erreicht wird.

Seit Beginn dieses Jahres werden alle EU-Verhandlungstexte von der EU-Kommission ins Internet gestellt und können von jedermann gelesen werden. Dabei ist festzustellen, dass - angesichts der lautstarken Kritik wegen angeblich mangelnder Transparenz doch etwas überraschend - nur wenig Interesse an den konkreten Verhandlungstexten und Informationen der EU-Kommission zu bestehen scheint. Bis zum 9. September 2015 wurde beispielsweise das deutschsprachige Konzeptpapier zum Investitionsschutz und ISDS vom Mai 2015 nur 601 Mal abgerufen. Zieht man in Betracht, dass es sich hierbei um eines der am stärksten diskutierten Themen bei TTIP handelt, ist das geradezu erstaunlich. Auch die weiteren Zahlen sprechen für sich: das deutsche Informationspapier der Kommission zum Investitionsschutz in CETA wurde bis 9. September lediglich 899 Mal angeklickt. Die gemeinsame Erklärung des US-Handelsbeauftragten Michael Froman und der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström wurde sogar nur 149 Mal abgerufen. Diese Liste könnte man beliebig fortführen - die Klickzahlen zu den TTIP-Dokumenten auf den Seiten der EU-Kommission sind verschwindend gering im Vergleich zur Zahl der Kritiker. Diejenigen, die permanent die vermeintlich fehlende Transparenz der Verhandlungen zu TTIP beklagen, sollten ihre Möglichkeiten zur konstruktiven Begleitung des Verhandlungsprozesses auch tatsächlich wahrnehmen.

Im Übrigen muss aber auch bei TTIP in einem bestimmten Umfang die Vertraulichkeit von Verhandlungen gewährleistet sein. Das ist auch in Demokratien eine völlig normale und legitime Vorgehensweise. So ist es im Deutschen Bundestag und in anderen demokratisch gewählten Parlamenten absolut üblich, dass die Fachausschüsse, in denen Gesetzgebungsvorhaben im Detail beraten werden, nicht öffentlich tagen. Zumeist wird nach der öffentlichen Plenardebatte zunächst eine öffentliche Anhörung im Ausschuss durchgeführt. Dann gibt es Fachgespräche und Berichterstattergespräche, die nicht öffentlich sind, und anschließend wird - wiederum in einer in nicht-öffentlichen Sitzung - im Ausschuss über das Ergebnis abgestimmt. Erst dann wird das Ergebnis der Öffentlichkeit vorgestellt und es kommt zur öffentlichen Abstimmung im Plenum. Nicht-Öffentlichkeit ist also in bestimmten Beratungsstadien in jeder Demokratie etwas völlig Natürliches. Dies war von Beginn der Geltung des Grundgesetzes im Jahr 1949 an so und unsere Demokratie hat sich ja seitdem unzweifelhaft stabil und positiv entwickelt. Ein weiteres Beispiel sind Tarifverhandlungen, die ebenfalls nicht-öffentlich stattfinden. Zunächst werden die Positionen der Tarifparteien ausgetauscht. Dann gibt es die nicht-öffentlichen Verhandlungen, deren Ergebnisse anschließend den Mitgliedern der Tarifparteien zur Entscheidung vorgelegt werden. Da gab es jüngst auch Beispiele, dass die Gewerkschaftsmitglieder nicht einverstanden mit den Ergebnissen waren. Genauso läuft es auch bei TTIP und anderen völkerrechtlichen Verträgen. Die Verhandlungsparteien verhandeln nicht-öffentlich und das Ergebnis wird anschließend den demokratisch legitimierten Institutionen - d.h. insbesondere den Parlamenten – zur Genehmigung vorgelegt. Daran ist nichts Skandalöses, sondern dies ist eine völlig normale und legitime Vorgehensweise.

Zu der ebenfalls aufgeworfenen Frage, inwieweit nationale Parlamente überhaupt in TTIP-Dokumente Einsicht nehmen sollen, kann ich nur auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten von Bund und EU verweisen. Für Freihandelsabkommen ist die EU zuständig, deshalb muss das Europäische Parlament (das genauso demokratisch legitimiert ist wie der Deutsche Bundestag) Einsicht in die Unterlagen nehmen können. Warum darüber hinaus auch 28 nationale Parlamente zu jeder Zeit Einsicht nehmen können sollen, erschließt sich mir nicht auf Anhieb. Auch der Deutsche Bundestag würde es nicht gern sehen, wenn die Landtage zu allen Vorgängen, die allein in die Zuständigkeit des Bundes fallen, ständig Einsicht in Unterlagen nehmen wollten. Unsere Demokratie basiert auf dem Prinzip der Gewaltenteilung - und dazu gehört auch, dass wir unterschiedliche Zuständigkeiten der Verfassungsorgane respektieren müssen. Das gilt sowohl im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, als auch im Verhältnis zwischen Bund und Europa.

Im Übrigen sollte man auch ein wenig mehr Verständnis für die Argumentation der amerikanischen Seite aufbringen. Die Amerikaner sagen - nicht völlig zu Unrecht - dass zwar einzelne Punkte verhandelt wurden und es erste konsentierte Texte gibt. Diese Zwischenverhandlungsergebnisse sind aber natürlich nicht abschließend, denn bekanntlich ist in laufenden Verhandlungen erst dann etwas vereinbart, wenn alles ausverhandelt ist. Das ist bei Gesetzgebungsvorhaben im Bundestag – wenn ich diese Parallele noch einmal ziehen darf - nicht anders. Wenn nun aber bereits Zwischenergebnisse von TTIP öffentlich würden, wäre das geradezu eine Einladung an alle Lobbygruppen, die ihre Interessen vermeintlich nicht durchgesetzt sehen, nochmals massiv auf die Verhandlungsparteien einzuwirken. Diese Argumentation ist für mich in der Sache durchaus nachvollziehbar und ich kann deshalb die Zurückhaltung der Amerikaner zumindest verstehen.

Im Ergebnis sehr ich aber trotzdem die Gefahr, dass nun in die - meist sehr technischen Verhandlungsdokumente - viel mehr hineingeheimnisst wird, als wirklich drin steht. Vor diesem Hintergrund bin ich nach Abwägung auch der oben genannten Gründe im Ergebnis doch der Meinung, dass neben den unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1252&serie=866&langId=de bereits öffentlich eingestellten EU-Verhandlungstexten (dort finden Sie das Verhandlungsmandat, EU-Textvorschläge und –Positionspapiere) auch die konsentierten Verhandlungstexte zu TTIP veröffentlicht werden sollten - nicht zuletzt um den Apologeten absurder Verschwörungstheorien den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Handelskommissarin Malmström hat daher dankenswerterweise erst kürzlich wieder in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages zugesagt, sich hierfür bei den Amerikanern mit aller Kraft einzusetzen. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 hat sie der Bundesregierung zugesagt, die Einrichtung von Leseräumen in den EU-Mitgliedstaaten sowie einen Zugang nationaler Abgeordneter zu konsolidierten Texten demnächst zu ermöglichen. Die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes verfügen bereits über diesen Zugang.

Abschließend darf ich nochmals darauf hinweisen, dass der Text von TTIP nach Abschluss der Verhandlungen dem Europäischen Parlament und – da es sich bei TTIP europarechtlich gesehen mit hoher Wahrscheinlichkeit gesehen um ein sogenanntes gemischtes Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedsländern handeln wird - auch den nationalen Parlamenten aller 28 EU-Mitgliedstaaten zur Genehmigung vorgelegt wird. Ohne deren Zustimmung wird TTIP nicht in Kraft treten. Auch unter diesem Gesichtspunkt besteht also ein ausreichendes Maß an demokratischer Kontrolle.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Joachim Pfeiffer MdB