Frage an Joachim Stünker bezüglich Recht

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Joachim Stünker
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Frage von Mark E. •

Frage an Joachim Stünker von Mark E. bezüglich Recht

Hallo Herr Stünker,

ich habe da einige Fragen zum Thema "Bürgerrechte":

- warum tritt die SPD nicht für eine Absenkung des Mindestwahlalters auf 16 Jahre ein, wie es andere Parteien tun?

- auf S. 11 des SPD-Wahlprogramms ist die Forderung nach mehr direkter Demokratie und Volksentscheiden zu lesen. In den bisherigen beiden Legislaturperioden wurde dahingehend offenbar nichts umgesetzt – als Beispiel sei nur genannt, dass die Deutschen, anders als Franzosen oder Niederländer, nicht über die EU-Verfassung abstimmen durften. Was soll sich also konkret im Bereich Volksentscheide ändern, wenn die SPD weiterhin Regierungspartei bleibt?

- inwieweit setzt sich die SPD im Strafrecht für den Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs ein? Soll bei jugendlichen Straftätern mehr auf den Erziehungsaspekt oder mehr auf Strafe gesetzt werden?

- was will die SPD für den Schutz der Bürger vor der ungewollten Bloßstellung durch Medien wie z.b. der „BILD“-Zeitung tun?

- unter der rot-grünen Regierung wurden viele wichtige Entscheidungen von der öffentlichen Debatte im Bundestag ausgeschlossen und in Kommissionen und Arbeitsgruppen verlagert, in denen Lobbyisten gewichtige Mitspracherechte haben und in deren Arbeit die Öffentlichkeit keinen Einblick hat – insbesondere letzteres für mich völlig unverständlich. Wird die SPD diesen Kurs, wenn sie Regierungspartei bleibt, beibehalten, oder soll die parlamentarische Arbeit wieder transparenter für den Bürger werden? Wenn ja, welche Entscheidungsprozesse werden dann wieder öffentlich nachvollziehbar sein, und welche finden weiterhin hinter verschlossenen Türen in Kommissionen statt?

Ich bedanke mich für Ihre Antworten.
MfG
Mark Eisner

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SPD

Sehr geehrter Herr Eisner,

vielen Dank für Ihre fünf Fragen vom 9. August 2005 auf www.kandidatenwatch.de zum Thema „Bürgerrechte“.

Zu 1. Absenkung des Mindestwahlalters auf 16 Jahre: Art. 38 Abs. 2 GG legt aus­drücklich ein Mindestwahlalter von 18 Jahren fest. In den Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sach­sen-Anhalt gilt allerdings bereits heute das aktive Wahlrecht bei Kommunalwahlen ab 16 Jahren. Wir als SPD verschließen uns nicht gegenüber Diskussionen um eine Ab­senkung des Wahlalters. Aber nicht nur das Wahlrecht bietet eine Ausdrucksform de­mokratischer Beteiligung in unserer Gesellschaft. Demokratisches Handeln von Kin­dern und Jugendlichen lässt sich vielfältig gestalten, sinnvolle Beteiligung in der Kin­der- und Jugendpolitik lässt die Betroffenen selbst zu Wort kommen. Formen direkter Partizipation werden auf kom­munaler Ebene in Form repräsentativer Gremien (Kinder- und Jugendparlamente), offener Gremien (Kinder- und Jugendforen/-versammlungen) und projektorientierter Beteiligung (Zukunftswerkstätten, Umfragen, Malwettbewerbe, Stadtteilerkundungen etc.), umgesetzt.

Zu 2. direkte Demokratie/Volksentscheide: Zur Einführung plebiszitärer Elemente in unsere Verfassung muss das Grundgesetz vom Gesetzgeber mit 2/3 Mehrheit im Deutschen Bundestag geändert werden. Dieses parlamentarische Verfahren ist Teil unserer bewährten Verfassungswirklichkeit und Staatspraxis. Die SPD vertritt seit vielen Jahren die Position, die plebiszitären Elemente im Grundgesetz insgesamt zu stärken und den Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten zur direkten Demokra­tie zu verschaffen. Wir haben gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dazu ent­sprechende Initiativen eingebracht, die in der Vergangenheit aber jeweils von der Op­position abgelehnt wurden. Zuletzt hatten sich die Vorsitzenden der Koalitionsfraktio­nen, Franz Müntefering und Krista Sager, Ende Oktober 2004 an die Opposition ge­wandt und ihr Verhandlungen über einen Gesetzentwurf zur Aufnahme von Elementen direkter Demokratie in das Grundgesetz angeboten. Die FDP hatte bereits Dialogbe­reitschaft und grundsätzliche Zustimmung signalisiert. Da aber CDU und CSU anschei­nend in dieser Frage keine gemeinsame Position finden können, hatte Frau Merkel sich einem Gespräch verweigert. Die Union blockiert damit die Einführung von mehr Ele­menten direkter Demokratie in unser Grundgesetz. Vor diesem Hintergrund haben die Fraktionsführungen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN letztlich entschieden, von einer Einbringung des Gesetzentwurfes abzusehen. Eine 2/3-Mehrheit im Bundestag ist derzeit unerreichbar.

Zu 3. Ausbau des Täter-Opfer-Ausgleichs: Wir haben den Täter-Opfer-Ausgleich in der letzten Legislaturperiode in die Strafprozessordnung implementiert. Dadurch wird der Anwendungsbereich des Täter-Opfer-Ausgleichs in Strafverfahren er­weitert. Richtern und Staatsanwälten wird die Pflicht auferlegt, in Strafverfahren die Möglichkeiten ei­nes Ausgleichs zwischen Beschuldigtem und Opfer zu prüfen. Das Ge­setz rückt die Belange von Kriminalitätsopfern stärker in den Vordergrund und verbes­sert ihre Rechtsstellung. Auch in Zukunft bleibt der Täter-Opfer-Ausgleich ein wesent­licher Schwerpunkt unserer Rechtspolitik.

Im Jugendstrafrecht stellen wir den Erziehungsaspekt in den Vordergrund. Unserer Auffassung nach hat sich das Jugendstrafrecht bewährt. Der Ansatz, straffällig gewor­denen Jugendlichen bei ihrer Integration in die Gesellschaft durch Maßnahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes zu helfen, hat sich als sinnvoll und erfolgreich erwie­sen.

Zu 4. Schutz der Bürger vor ungewollter Bloßstellung: Im Jahre 2004 haben wir be­züglich dieser Thematik einen neuen Straftatbestand der Verletzung des höchstper­sönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in den Fünfzehnten Abschnitt des Be­sonderen Teils des Strafgesetzbuchs (§ 201a StGB) eingeführt. Damit wird ein enger Tatbestand gegen die unbefugte Bildaufnahme vorgesehen: Erfasst sind Bildaufnah­men, die vom Betroffenen in seinem persönlichen Rückzugsbereich – der Wohnung oder einem sonst besonders geschützten Raum – gefertigt werden.

Zu 5. Kommissionsarbeit: Eine Beratung der politischen Elite ist in unserer Zeit uner­lässlich. Politiker sind, oft aus Mangel an ausreichenden eigenen Spezi­alkenntnissen, in zunehmendem Maße auf die Beratung durch Sachverständige ange­wiesen. Diese Kommissionen haben meist sehr öffentlichkeitswirksam gearbeitet. Sie sollten dazu dienen, einen breiten Konsens bei den angestrebten Reformen sicherzustellen. Diese Gremien und Kommissionen waren dabei lediglich im Vorfeld von Gesetzesinitiativen aktiv und hat­ten keinerlei Auswirkung auf den späteren Gesetzgebungsprozeß, der genau wie bei allen anderen Gesetzen auch abgelaufen ist.

Ich hoffe, Ihre Fragen damit hinreichend beantwortet zu haben, und verbleibe

mit freundlichen Grüßen

Joachim Stünker