Frage an Jobst-Egbert von Frankenberg und Proschlitz bezüglich Soziale Sicherung

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Jobst-Egbert von Frankenberg und Proschlitz
CDU
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Frage von Rainer L. •

Frage an Jobst-Egbert von Frankenberg und Proschlitz von Rainer L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr von Frankenberg,

wie ist Ihre Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen?

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Locke

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Locke,

ich danke Ihnen für Ihre Frage zum „bedingungslosen Grundeinkommen“ (BGE), welches auch unter dem vom früheren thüringschen Ministerpräsidenten Althaus (CDU) geprägten Schlagwort „solidarisches Bürgergeld“ firmiert. Die beiden Begriffe deuten an, dass diesbezüglich mehrere Modelle existieren, die sich v.a. in Bezug auf die an die Zahlung geknüpften Bedingungen, die Bedürftigkeit und die Arbeitsbereitschaft unterscheiden. Parteipolitisch gibt es bei dem Thema keine eindeutigen Trennlinien. Es gibt Befürworter und Gegner in jeder Partei. Aus diesem Grunde möchte ich bei der Beantwortung Ihrer Frage in einem ersten Schritt die wesentlichen Argument der zwei konkurrierenden Lager nachzeichnen und werde zum Schluss in einem zweiten Schritt darlegen, wo ich als CDU-Vertreter in dieser Diskussion stehe, möchte dies aber ausdrücklich nicht als abschließende Parteinahme für oder gegen die Idee des solidarischen Bürgergeldes verstanden wissen.

Grundsätzlich handelt es sich beim BGE um eine finanzielle Zuwendung des Staates als Ersatz zu allen anderen Sozialleistungen. Im Kern geht diese Idee auf Überlegungen des liberalen US-Ökonomen und Träger des Wirtschaftsnobelpreises, Milton Friedman, zurück. Demnach erhält jeder Bürger ein einheitliches Grundeinkommen. Der Kniff hierbei ist, dass dies unabhängig von der wirtschaftlichen Lage der Bürger und somit „bedingungslos“ geschieht. Vor allem an diesem Punkt, aber auch an weiteren Aspekten des bedingungslosen Grundeinkommens scheiden sich quer durch die Parteien die Geister. In der CDU ist das nicht anders. Eingang in ein Parteiprogramm fand die Idee des Bürgergeldes 1994 bei der FDP, die das Modell des „liberalen Bürgergeldes“ auf dem Bundesparteitag 2005 beschloss, welches allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Zugleich wird die Idee des bedingungslosen Grundeinkommen aber auch von Vertretern der Linkspartei und der Grünen propagiert, so dass eine klare parteipolitische Trennlinie schwer zu ziehen ist.

Befürworter dieser Idee wie der Hamburger Ökonomieprofessor und Leiter des Hamburgischen Weltwirtschaftsarchivs (HWWI), Thomas Straubhaar, führen ins Feld, dass infolge der Bedingungslosigkeit der administrative Aufwand, v.a. bei der Bedürftigkeitsprüfung, erheblich vermindert wird und zugleich eine Kostenersparnis in erheblichem Ausmaß realisiert werden könnte. Zudem entfielen alle allgemeinen steuer- und abgabenfinanzierten Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II, das Kindergeld usw.. Außerdem sei das bedingungslose Grundeinkommen auch aus humanitären Gesichtspunkten zu präferieren, da es weniger diskriminierend und demütigend für die Beantragenden sei.

Gegner dieser Idee wie der frühere Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Norbert Blüm (CDU), argumentieren dahingehend, dass dadurch zuvorderst ein starker Anreiz bestünde, zumutbare Arbeitsstellen im ersten Arbeitsmarkt nicht anzunehmen. Es bestünde demnach einerseits kein ausreichend großer Anreiz zur Arbeitsaufnahme und andererseits würde ein BGE zu Untätigkeit verleiten. Zweitens würden aufgrund der Bedingungslosigkeit Besserverdiener und wohlhabende Menschen in den Genuss einer staatlichen Leistung kommen, die Sie gar nicht nötig haben, da speziell dieser Personenkreis oft schon eine eigene Grundsicherung durch eine mietfreie Immobilie oder Kapitaleinkünfte hat. Es bestünde die akute Gefahr von Mitnahmeeffekten.
Als dritter Punkt gegen die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens wird eingewendet, dass Sicherheitsstrukturen wie das Arbeitslosengeld wegfallen. Jeder der arbeitslos wird, würde demnach auf das Niveau des Grundeinkommens herabgestuft, außer er sorgt sich mit einer privaten Versicherung selbst ab. Die entsprechende Branche würde sich darüber sicherlich freuen, ob dies aber zu mehr sozialer Sicherheit führt, ist unklar.

Der vierte Einwand wird v.a. von CDU-Vertretern erhoben, wonach das bedingungslose Grundeinkommen im fatalen Widerspruch zu wesentlichen Grundideen der „C“-Parteien wie dem Subsidiaritätsprinzip oder dem Gerechtigkeitsideal stünde. Man muss sich in der Tat die Frage stellen, ob es gerecht ist, dass Transferleistungen ohne Ansehen der Personen und ohne Berücksichtigung der individuellen Lage gezahlt würden. Fünftens handelt es sich beim solidarischen Bürgergeld um einen staatlichen Mindestlohn, der für Betriebe einen weiteren Anreiz schaffen könnte, Löhne weiter zu senken.
Lassen Sie mich nun meinen eigenen Standpunkt darlegen. Der CDU-Bürgerschaftsfraktion und mir ist die Hilfe bedürftiger Menschen ein fundamentales Anliegen. Gerade bei der Sozialpolitik geht der christlich geprägte Politikansatz über die einfache Fürsorge für die Schwächsten hinaus. Christlich-demokratische Sozialpolitik bewegt sich meiner Auffassung nach ständig zwischen zwei Polen: Einerseits darf es sich bei soziale Grundsicherung nicht um schlichte Almosen handeln, andererseits darf sich diese aber auch nicht mit Versorgung als „Ruhigstellen mit (viel) Geld“ erschöpfen.
Unser christliches Menschenbild will prinzipiell den Menschen, der für sich und andere Verantwortung übernimmt, weswegen ich für eine aktive Unterstützung zur Überwindung von Armut und prekären Lebensverhältnissen eintrete. Das Modell des „solidarischen Bürgergeldes“ ist dabei eine, aber nicht die alleine seligmachende Variante.
Ein Abschmelzen des Grundeinkommens bei gleichzeitigem Anstieg des Erwerbseinkommens erscheint mir dabei als ein möglicher, weil gangbarer Kompromiss zwischen den verschiedenen Lagern.

Als problematisch erweist sich aus meiner Sicht der Aspekt der Bedingungslosigkeit des BGE, welcher in starkem Widerspruch zu dem von meiner Partei und mir vertretenem „aktivierenden Ansatz“ steht. Mit diesem sollen nämlich gerade Abhängigkeit und Passivität vermindert werden, um eine Verfestigung von Armut zu verhindern. Zugleich mache ich mich als sozialpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion und als Landesvorsitzender der Christlich-Demokratischen-Arbeitnehmerschaft (CDA) für den Grundsatz „Anständiger Lohn für anständige Arbeit“ stark. Dieser wichtige Grundsatz christdemokratischer Arbeitsmarktpolitik wäre durch einen staatlichen Mindestlohn in Form eines BGE stark gefährdet.

Abschließend möchte ich betonen, dass ein BGE nicht die eierlegende Wollmichsau der Sozialpolitik sein darf, wie es mancher Zeitgenosse der Linkspartei gerne hätte. Zugleich kann das solidarische Bürgergeld diese Rolle auch faktisch gar nicht spielen, da zusätzliche Leistungen (, wie die Kosten der Unterkunft oder die Krankenversicherung usw.) nicht von der Hand zu weisen und von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen sind. Für eine abschließende Meinungsbildung ist es m.E. daher noch zu früh, auch weil die Auswirkungen des rasanten demografischen Wandels auf das Sozialsystem wissenschaftlich derzeit noch nicht sicher erfasst und beschrieben werden können. Gerade hinsichtlich der Rentenversicherung kann z.B. nicht prognostiziert werden, ob die Einführung eines BGE oder des solidarischen Bürgergeldes sinnvoll und effektiv wären. Aus diesem Grunde ist es richtig und wichtig, dass weiter über diese Thematik debattiert wird, wozu Sie mit Ihrer Frage einen wertvollen Beitrag geleistet haben.

Mit freundlichen Grüßen
Egbert von Frankenberg