Frage an Jörg van Essen bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Jörg van Essen
FDP
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Frage von Matthias S. •

Frage an Jörg van Essen von Matthias S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr van Essen,

entschuldigen Sie bitte das ich direkt mit der Tür ins Haus falle, aber ich bin bitter enttäuscht von der FDP. So habe ich mich kurz nach der Wahl noch über Ihren Standpunkt zum Thema „Internetsperren gegen Kinderpornographie“ gefreut und musste heute lesen, dass dies Gesetz bereits zur Unterzeichnung bei Bundespräsident Horst Köhler liegt, und das ohne jegliche Gegenwehr der FDP.
Warum hat sich die Haltung Ihrer Partei so drastisch geändert in wenigen Wochen?

Nun habe ich noch eine Frage zum Thema Vorratsdatenspeicherung, die Bürger dieses Landes nehmen nach und nach die Position ein, das dies Gesetz keinen sinnvollen Zweck erfüllt, wie steht die FDP zu dieser Thematik? Und was sagen Sie dazu, das in Ländern wie Rumänien, wo die Bürger bis 1990 noch einer Diktatur unterstellt gewesen sind, die Menschenrechte mehr achten als wir das derzeit in Deutschland tun? Das Rumänische Verfassungsgericht hat am 6.Oktober die Vorratsdatenspeicherung abgewiesen mit er Begründung, dass dies erheblich die Menschenrechte verletzen würde.

Ich bin wie gesagt enttäuscht, ich hatten mit Ihrem Parteikollegen Hermann Otto Solms zu diesem Thema ein interessanten Schriftverkehr, in dem er mir zusätzlich noch versicherte, dass Ihr dem Thema sehr kritisch gegenüber stehen würdet.

Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe

Mit freundlichen Grüßen

Matthias Saathoff

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Saathoff!

Vielen Dank für Ihre Zuschrift. Ich bin sehr verwundert, dass Sie beim Thema Internetsperren die deutliche Handschrift der FDP in den Koalitionsverhandlungen nicht wahrnehmen wollen. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen das Thema ganz intensiv erörtert und Sie finden umfassende Ausführungen zum Thema Internetsperren im Koalitionsvertrag. Dabei stellen wir aber auch klar, dass die Bekämpfung von Kindesmissbrauch und Kinderpornographie für uns von herausragender Bedeutung ist. Kinderpornographische Angebote in Kommunikationsnetzen müssen mit aller Kraft bekämpft werden. Die dauerhafte wirksame Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern ist politische Verantwortung und rechtsstaatliches Gebot zugleich. Wir sind uns darüber einig, dass es notwendig ist, derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich zu löschen statt diese zu sperren. Wir haben daher verabredet, zunächst für ein Jahr kinderpornographische Inhalte auf der Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes nicht sperren. Stattdessen werden die Polizeibehörden in enger Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungskräften der Internetwirtschaft wie der deutschen Internetbeschwerdestelle sowie dem Providernetzwerk INHOPE die Löschung kinderpornographischer Seiten betreiben.

Ich finde das Verhalten des Bundespräsidenten war vollkommen richtig. Wie Sie den Medien entnehmen konnten, hat der Bundespräsident verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zugangssperre. Unser Bundespräsident hat auch schon in der Vergangenheit immer wieder gutes rechtsstaatliches Gespür gezeigt. Ganz offenbar folgt er auch dieses Mal unserer zutreffenden Rechtsauffassung, dass keine bundespolitische Kompetenz gegeben ist. Ich habe große Zweifel, dass er das Gesetz je unterschreiben wird. Übrigens: Dabei handelt es sich um ein Gesetz der vorangehenden Bundesregierung, an der die FDP nicht beteiligt war.

Auch beim Thema Vorratsdatenspeicherung finden Sie die liberale Handschrift im Koalitionsvertrag. So haben wir vereinbart, den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung aussetzen und bis dahin auf Zugriffe zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben und Freiheit beschränken. Ihr Verweis auf Rumänien geht so auch ins Leere. Schließlich ist auch in Deutschland ein Verfahren vor dem BVerfG anhängig. Dessen Ausgang gilt es abzuwarten. Ihre Unterstellung, dass Deutschland nicht ausreichend die Menschenrechte achte finde ich gerade in Verbindung mit dem Hinweis auf eine frühere Diktatur völlig vergriffen. Ich halte es für eine große Errungenschaft, dass wir in Deutschland die Möglichkeit haben, dass sich auch die Gesetzgebung selbst an Grenzen halten muss und dies auch gerichtlich überprüfbar ist.

Ich habe Ihnen ein Link zu unserem Koalitionsvertrag für die 17. Wahlperiode
eingefügt:

http://www.fdp-bundespartei.de/files/363/091024-koalitionsvertrag-cducsu-fdp.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Jörg van Essen, MdB