Frage an Jörg van Essen von Wolfgang D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr van Essen,
was halten Sie von meinem Vorschlag, die Abgeordneten-Diäten nur bei Bedürftigkeit zu zahlen. Die meisten Abgeordneten gleich welchen Parlamentes haben durch Ihren Status Zugang zu "Nebeneinkünften", gegen die die Diäten nur Almosen des Staates sind. Daher sollten diese nur an die Abgeo. gezahlt werden, die enteder zu Ehrlich oder zu Dumm sind, solche Jobs nicht anzunehmen.
MFG
Sehr geehrter Herr Dütsche!
Vielen Dank für Ihre E-Mail, in der Sie vorschlagen, Abgeordneten-Diäten nur bei Bedürftigkeit zu zahlen. Ihr Vorschlag ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich festgestellt, dass gemäß Artikel 48 Abs. 3 Satz 1 GG die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Versorgung haben. Ihr Vorschlag ist nach mehreren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach aus der Gleichheit der Abgeordneten auch eine Anspruch auf gleiche Diäten folgt, klar verfassungswidrig. Ihre Behauptung, Abgeordnete verfügten immer über Nebeneinkünfte ist ebenso falsch: Über 80 Prozent der Mitglieder des Bundestages haben keinerlei Nebeneinkünfte.
Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, allgemeine Ausführungen zur Reform der Abgeordnetenentschädigung zu ergänzen. Eine Reform der Abgeordnetenentschädigung ist lange überfällig. Auch die aktuellen Vorschläge der Regierungskoalition führen nicht zu der notwendigen Reform der Diäten und der Altersversorgung der Abgeordneten. Die FDP-Bundestagsfraktion bleibt bei ihrem bereits in das Parlament eingebrachten Vorschlag, die Festsetzung der Abgeordnetenbezüge und der Pensionen auf eine unabhängige, vom Bundespräsidenten zu berufende Kommission zu übertragen. Nur so kann dem immer wieder zu Unrecht erhobenen Vorwurf der Selbstbedienung dauerhaft entgegen gewirkt werden.
Zu dem Vorwurf der Selbstbedienung ist zunächst festzuhalten, dass dies nicht dem Willen der Abgeordneten entspricht, sondern durch das Bundesverfassungsgericht so entschieden ist. Anknüpfungspunkt hierfür ist der schon erwähnte Art. 48 Abs. 3 Grundgesetz, wonach die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Das Abgeordnetengesetz sieht vor, dass sich die Abgeordnetenentschädigung an den Bezügen von obersten Bundesrichtern orientieren soll. Es ist aus Sicht der FDP jedoch ein Irrweg, Abgeordnete wie Beamte zu behandeln und ihre Diäten an bestimmte Besoldungsgruppen zu koppeln. Abgeordnete sind keine Richter und keine Beamten und gehören nicht dem öffentlichen Dienst an. Sie sind allein dem Wähler gegenüber verantwortlich.
Die FDP hat den bereits erwähnten Gesetzentwurf auch schon in den beiden letzten Wahlperioden in den Bundestag eingebracht, um die gesetzlichen Grundlagen für die Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission, die vom Bundespräsidenten berufen wird, zu schaffen. Hierzu bedarf es einer Grundgesetzänderung und einer Änderung des Abgeordnetengesetzes. Wir fordern ausdrücklich, dass zu dieser Kommission auch Kritiker der geltenden Regelung, wie der Bund der Steuerzahler gehören sollen. Die Kommission soll jährlich die Diätenhöhe verbindlich festsetzen. Die Abgeordnetenentschädigung soll die Unabhängigkeit der Ausübung des Mandats sichern. Dies ist die zwingende Konsequenz aus Art. 38 GG, der Wesen und Auftrag des Mandats bestimmt und den Abgeordneten von Weisungen und Aufträgen freistellt. An diesen Vorgaben muss sich die Kommission orientieren. Nur so kann der Vorwurf der Selbstbedienung entkräftet werden und damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine an objektiven Maßstäben orientierte Entscheidung über die Anpassung der Abgeordnetenentschädigung wieder gewonnen und somit das Ansehen des Bundestages insgesamt gestärkt werden.
Die Kommission soll auch Vorschläge zur Reform der Alterssicherung für Abgeordnete erarbeiten. 1977 wurde die eigenständige beitragsgebundene Altersversicherung für Abgeordnete aufgegeben und ein beamtenrechtlicher Pensionsanspruch eingeführt. Nach dem Grundgesetz und den Landesverfassungen sind Abgeordnete jedoch weder Beamte noch Angestellte. Sie sollten deshalb in Zukunft weder die beamtenähnlichen Pensionen erhalten noch in die Rentenkasse einzahlen. Die Abgeordnetenentschädigung soll die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Abgeordneten während des Mandats sichern und nicht im Alter. Die FDP fordert daher, dass die derzeitige beamtenähnliche Versorgung gestoppt wird. An einer grundlegenden Reform der Altersversorgung für Abgeordnete führt kein Weg vorbei. Wir fordern eine größere Eigenverantwortung der Abgeordneten für ihre eigene Altersversorgung und eine Abkehr vom beamtenrechtlichen Pensionsanspruch. Es ist ganz allein Sache des Abgeordneten, Vorsorge für den Fall der Arbeitsunfähigkeit und des Alters zu treffen. In allen anderen freien Berufen ist das üblich. Bei den berufsständischen Versorgungswerken gibt es keinerlei Handlungsbedarf, da diese Alterssicherungssysteme sehr effizient sind und ohne jegliche Unterstützung auskommen.
Wir fordern eine strukturelle Reform der Abgeordnetenentschädigung. Wir glauben, dass es gelingen kann, gemeinsam mit allen im Bundestag vertretenen Fraktionen eine Lösung zu finden, die im Ergebnis zu einer angemessenen, die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichernden Entschädigung führt und gleichzeitig Schluss macht mit der beamtenähnlichen Versorgung bei der Alterssicherung.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg van Essen, MdB,