Frage an Jörg van Essen von wolfgang e. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr van Essen,
Ihre Antworten sind wesentlich bürgernäher und stets freundlicher gehalten, als der eine oder andere Fragesteller dieser durchaus lobenswerten Einrichtung zuweilen erfahren muss. Auch die Aussagen und die Analysen sind stets so verfaßt, daß sie von jeder Bildungsstufe inhaltlich klar und nachvollziehbar verstanden werden können. Dafür möchte ich ein großes Lob aussprechen. Ich weiß, warum für mich nur die FDP kompetent genug ist. Sie hat die besseren Leute.
Die fünf Fragen:
Warum hat Berlin einen Sonderstatus? Wozu ist das gut? Wer mag davon profitieren? Und was für Auswirkungen hat dieser Sonderstatus?
Hatte Berlin diesen Spezial-Status um 1990 oder nach den 2 + 4 Verträgen erhalten?
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Eckhard
Sehr geehrter Herr Eckhard!
Vielen Dank für Ihr Lob für meine bisherigen Antworten. Selbstverständlichfreut auch mich solch positives Feedback!
Sie haben einige Fragen zum Status von Berlin aufgeworfen. Gestatten Sie mir bitte, diese gemeinsam zu beantworten und sehen Sie mir nach, wenn ich zur Beantwortung etwas weiter in die Geschichte zurückgehe.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs im Mai 1945 stand Berlin zunächst unter sowjetischer Militärverwaltung. Erst Wochen später rückten amerikanische, britische und französische Truppen in Berlin ein. Berlin wurde zur Vier-Sektoren-Stadt. Für die gemeinsame Verwaltung des Berliner Gebietes wurde eine interalliierte Regierungsbehörde, die Kommandantur, eingerichtet.
Eine wesentliche Rahmenbedingung war der sog. "Berlin-Status". Obwohl die Sowjetunion ihre Mitarbeit in der Viermächte-Kommandantur eingestellt hatte, hielt sie formal am einheitlichen Status der Stadt fest. Rechtlich galt damit der Viermächte-Status; in der Praxis führte indes eine Dreimächteverwaltung die Geschäfte weiter. Deren Wirkung blieb auf den Westteil Berlins beschränkt.
Mit der Wiedervereinigung endete der besondere Status Berlins. In dem "2+4-Vertrag" und in der "Erklärung der Vier-Mächte" wird das Ende der Verantwortlichkeiten der Alliierten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes erklärt.
Davon zu unterscheiden ist die Unterzeichnung des Hauptstadtvertrags durch den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, Berlins damaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen und den seinerzeitigen Ministerpräsidenten Brandenburgs Manfred Stolpe im Jahr 1992. Darin wird die Zusammenarbeit zwischen Bund, Berlin und Brandenburg bei der Umsetzung des Bundestagsbeschlusses geregelt, der Berlin als Regierungssitz festlegte. Kern des Vertrages war vor allem die Zusammenarbeit bei der städtebaulichen Entwicklung Berlins: Die Verfassungsorgane und obersten Bundesbehörden mussten untergebracht, Wohnungen für Bundesbedienstete geschaffen und Standorte für Botschaften und Landesvertretungen bereitgestellt werden. Außerdem bedurfte die neue Hauptstadt einer neuen Infrastruktur.
Von diesem Hauptstadtvertrag haben in meinen Augen wir alle profitiert. Schließlich ist es im Sinne von Deutschland, einen funktionierenden Regierungssitz zu haben. Es wurde politisch entschieden, dass der Sitz Berlin ist. Für die FDP folgte daraus auch eine Verpflichtung des Bundesgesetzgebers. Jedenfalls ist Artikel 22 Grundgesetz zu beachten, wonach die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt Aufgabe des Bundes ist. In diesem Geist haben wir daher zum Beispiel Ende letzten Jahres den Antrag "Hauptstadtkulturfinanzierung des Bundes in einem Staatsvertrag regeln" (BT Drs 16/3667) in den Bundestag eingebracht. Unsere damaligen Forderungen können Sie dem Dokument entnehmen, das im Internet des Deutschen Bundestages unter http://dip.bundestag.de/btd/16/036/1603667.pdf abrufbar ist.
Bei meiner Antwort habe ich mich an Ausführungen der Bundeszentrale für politische Bildung orientiert. Auf deren Webseite finden Sie auch weitere Informationen zum Thema. Ich habe Ihnen entsprechende Links nachfolgend eingefügt:
Links:
http://www.bpb.de/wissen/09613486769953637427848646935326,0,0,Land_Berlin.html
http://www.bundestag.de/dasparlament/2007/34/kehrseite/17014778.html
Gerne stehe ich für Rückfragen zur Verfügung. Ich bitte aber dann darum, sich direkt mit meinem Büro in Verbindung zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg van Essen, MdB