Frage an Johannes Kahrs bezüglich Finanzen

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Johannes Kahrs
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Frage von Jens E. •

Frage an Johannes Kahrs von Jens E. bezüglich Finanzen

Das Euro-System, so wie wir es vor gut 10 Jahren eingegangen sind, ist im Frühjahr 2010 gescheitert. Die No-Bail-Out Klausel, also die Regelung, daß kein Staat für die Schulden eines anderen Staates haften muß, wurde ausgehebelt.

Um es nicht vollständig auseinander brechen zu lassen, wird seitdem mühevoll geflickt und repariert. Zuerst wurde am 08./09. Mai 2010 in der Krisensitzung der Regierungschefs der Euro-Gruppe der zeitlich begrenzte Krisenfonds EFSF geschaffen und der Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB in Gang gesetzt.

Im Sommer 2012 folgte der zeitlich unbegrenzte Krisenfonds ESM und die Zusage der EZB, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen. Dadurch konnten zwar die Anleihemärkte bis heute "beruhigt" werden. Ungelöst bis heute bleiben jedoch die volkswirtschaftlichen Ungleichgewichte unter dem Dach einer gemeinsamen Währung, die Risiken weiterer Zahlungsausfälle bei europäischen Überschuldungsstaaten und die ausstehende Rekapitalisierung überschuldeter Banken. Auch Hamburg und Schleswig-Holstein stehen vor Milliarden-Risiken aus den Schiffsfinanzierungen der HSH-Nordbank.

Gleichzeitig werden die Stabilitätskriterien des Fiskalpakts, der die Maastricht-Kriterien ersetzen sollte, durch Länder wie Italien erneut ausgehebelt.

Sie haben als Abgeordneter immer weiteren "Rettungsmaßnahmen" im Interesse von Banken und Hedgefonds zugestimmt. Die Gelder sind nicht bei den Bevölkerungen in Griechenland, Zypern und den anderen Krisenländern angekommen, sondern sofort an deren Gläubiger weitergeleitet worden. Dieser Umverteilung zu Lasten des Deutschen und Europäischen Steuerzahlers haben Sie immer und immer wieder zugestimmt.

Die Euro-Rettung ist also noch längst nicht ausgestanden und wird nach der Bundestagswahl in die nächsten Runden gehen.

1. Welche Lösungsvorschläge haben Sie zur weiteren Europolitik?
2. Welche Kosten werden dabei entstehen?
3. Wer soll diese Kosten in Zukunft tragen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Eckleben,
danke für Ihre Frage.

das „Ja“ der SPD-Bundestagsfraktion zum Fiskalpakt und den europäischen Rettungsschirmen war kein „Ja“ zur Politik der Bundesregierung, die es bislang nicht vermocht hat, die krisengeschüttelte Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren. Mit unserer Zustimmung haben wir Verantwortung für ein solidarisches und handlungsfähiges Europa auch als Oppositionspartei wahrgenommen. Den zunehmenden Euro-Populismus und die steigende Europaskepsis können wir uns nicht leisten. Keiner der EU-Staaten, auch nicht Deutschland, ist alleine in der Lage, im Zeitalter der Globalisierung die Finanzmärkte zu regulieren, Wohlstand zu sichern, den Sozialstaat zu bewahren oder Antworten auf die Herausforderung der Energieversorgung und des Klimaschutzes zu finden. Deshalb brauchen wir ein starkes und handlungsfähiges Europa.

Dem „nackten“ Fiskalpakt hätte die SPD nicht zustimmen können. Deswegen haben wir der Bundesregierung den Wachstums- und Beschäftigungspakt sowie die Einführung der Finanztransaktionssteuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit abverhandelt. Die Entscheidung zum Fiskalpakt war für uns Sozialdemokraten mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer verbunden. Erstens sollen diejenigen an den Folgekosten der Krise beteiligt werden, die sie auch maßgeblich mit verursacht haben. Zweitens können Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer für Investitionen in Wachstum und Beschäftigung verwandt werden. Unbestritten ist, dass die Euro-Staaten ihre gigantischen Schuldenberge in den Griff bekommen müssen. Schließlich können wir uns dauerhaft nur aus den Fängen der Finanzmärkte befreien, wenn wir die öffentliche Verschuldung nicht weiter ausufern lassen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Noch nie hat sich ein Land mitten in einer Rezession aus einer Krise heraus gespart. Neben Haushaltsdisziplin brauchen die überschuldeten Staaten auch Impulse für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung, um dauerhaft wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Mit Sonntagsreden für mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa ist noch kein einziger Arbeitsplatz entstanden. Konkrete Taten insbesondere für die arbeitslosen Jugendlichen müssen endlich folgen.
Fiskalpakt und Rettungsschirme sind nur Etappenziele auf dem Weg zu einer dauerhaften Stabilisierung der Währungsunion. Die Europäische Union muss zu einer echten Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialunion weiterentwickelt werden. In der Europäischen Union gibt es mittlerweile eine Fülle von Koordinierungsinstrumenten. Die meisten davon sind jedoch unverbindlich. Wir Sozialdemokraten fordern seit geraumer Zeit mehr Verbindlichkeit bei der Koordinierung verschiedener Politikbereiche, damit die Währungsunion krisenfest wird. Dazu bedarf es dringend eines sozialen Stabilitätspaktes, damit die bislang vorherrschende Wettbewerbslogik durchbrochen wird. Intelligent ausgestaltete, verbindliche Zielkorridore bei Steuern, Löhnen und Sozialausgaben gehören zu einem solchen sozialen Stabilitätspakt. Denn die in der Europa2020 Strategie festgelegten Ziele wie bessere Beschäftigung, Investitionen in Forschung und Entwicklung, Klima und Energie müssen gleichrangig behandelt werden und dürfen der Konsolidierung der Haushalte nicht nachstehen.
Die Währungsunion braucht einen Ausgleichsmechanismus, damit die Ungleichgewichte reduziert werden können. Hierzu gehören tendenziell ausgeglichene Leistungsbilanzen. Nicht nur die Defizitländer müssen hier einen Beitrag über die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit leisten, sondern auch die Überschussländer durch ein Ende der jahrelangen Lohnzurückhaltung. In Deutschland heißt das ganz konkret, einen flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohn einzuführen, aber auch Lohndumping durch Zeit- und Leiharbeit einzudämmen.

Der zunehmenden Intergouvernementalisierung muss eine Parlamentarisierung der Europäischen Union entgegen gesetzt werden. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente stehen gemeinsam in der Verantwortung. Verbindliche Instrumente müssen in den Parlamenten beraten und beschlossen werden, nicht in den Hinterzimmern der Staats- und Regierungschefs. Dafür werden wir uns als Abgeordnete aus den Parlamenten der Mitgliedstaaten gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Brüssel stark machen.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Kahrs