Frage an Karin Jöns bezüglich Recht

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Karin Jöns
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Frage von Jens S. •

Frage an Karin Jöns von Jens S. bezüglich Recht

Guten Tag Frau Jöns,
Sie haben meine erste Frage noch nicht beantwortet. Aber dennoch stelle ich eine weitere. Sie haben der Abschiebungsrichtlinie zugestimmt, weshalb eigentlich? Erschweren Sie nicht damit das jetzt schon schwere Leben der Migranten? Sollte man nicht diesen Millionen Menschen die Einbürgerung erleichtern? Aber stattdesen werden sie in Abschiebehaft gehalten. Laut der Richtlinie sogar bis 18 Monaten. Und die Überführung in deren Heimat ist ebenfalls zu kritisieren. Gelten die demokratischen Rechte nicht für Migranten? Also wie lässt sich das Problem lösen wenn man eine humanitäre Lösung vorzieht?

Mit freundlichem Gruß, Jens Schnitker

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Lieber Herr Schnitker,

gerne beantworte ich auch Ihre weitere Anfrage, bitte aber um Verständnis dafür, dass dies nicht immer postwendend geschehen kann.

Natürlich stimme ich Ihnen darin zu, dass die Situation für Abschiebehäftlinge in Europas Gefängnissen weit verbreitet menschenunwürdig ist und dringend verbessert werden muss. Genau deshalb habe ich als Abgeordnete auch dem Kompromiss zur EU-Rückführungsrichtlinie zugestimmt - trotz vieler bestehender Mängel.

Ich hätte mir nach 3jährigem Ringen zwischen Europäischem Parlament und Ministerrat um einen Kompromiss auch mehr gewünscht, ebenso wie meine Fraktion. Dass ich im Gegensatz zu manchen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion der Richtlinie aber zugestimmt habe, ist darin begründet, dass ich wenigstens etwas für die Verbesserung der Situation der Menschen in Abschiebehaft erreichen wollte, anstatt gar nichts zu tun. Die reine Lehre ist in einer EU mit 27 Mitgliedstaaten nie zu erzielen.

Bis jetzt gibt es auf EU-Ebene keine Gesetzgebung zur Rückführung. Für mich stellt die Richtlinie, entgegen aller Kritik, einen ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar: Erstmals werden bei Abschiebungen in allen Mitgliedstaaten gleiche Mindeststandards gelten, insbesondere für die Unterbringung und im Bereich der Verfahrensgarantien. Bisher bestehen eben nur nationale Vorschriften, die stark voneinander abweichen und teilweise unter den nun vereinbarten Mindeststandards liegen. Mit der Richtlinie werden auch endlich europäische Kontrollen und Sanktionen möglich, um die Einhaltung dieser nun festgelegten europäischen Standards sicherzustellen. Gemeint sind damit zum Beispiel die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren, von Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof oder Kontrollen durch die Europäische Kommission.

Nach der Festlegung dieser Mindeststandards ist es nun an den nationalen Parlamenten gegebenenfalls darüber hinausgehende bessere Bedingungen auf nationaler Ebene festzuschreiben. Als Europäisches Parlament geben wir nur den Mindestrahmen vor - den ich mir, wie gesagt, höher gewünscht hätte. Übrigens, was die allgemeine Befürchtung betrifft, wonach Mitgliedstaaten nun ihre höheren Standards nach unten korrigieren könnten, ist es wichtig zu wissen, dass es dem Parlament gelungen ist, den nationalen Regierungen die politische Selbstverpflichtung abzuringen, bestehende bessere Standards beizubehalten.

In Bezug auf die von Ihnen angesprochene Abschiebehaft ist wichtig, dass Personen jetzt nach der Richtlinie nicht einfach bis zu 18 Monate in Haft genommen werden können, nur weil sie sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten. Nach Art.15 der nun angenommenen Richtlinie können die Betroffenen nur zur Vorbereitung der Abschiebung in Haft genommen werden, wenn eine Fluchtgefahr besteht oder sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Dabei muss die Haft so kurz wie möglich sein und darf nur angeordnet werden, wenn keine milderen Mittel anwendbar sind (z.B. tägliche Meldung auf dem Polizeirevier). Außerdem ist die Haftanordnung so schnell wie möglich gerichtlich zu überprüfen und muss sie auch danach regelmäßig überprüft werden. Zudem ist die maximale Haftdauer auf 6 Monate begrenzt und kann nur in besonderen Fällen um maximal weitere 12 Monate verlängert werden. Diese Verlängerung ist allerdings durch eine erneute gerichtliche Instanz zu überprüfen.

Eine grundsätzliche Verbesserung der Rechtsstellung sehe ich auch bei den Haftbedingungen. Die Richtlinie schreibt nun vor, dass Betroffene grundsätzlich getrennt von Straftätern in Einrichtungen unterzubringen sind, die speziell für die Abschiebehaft ausgerichtet sind. Zudem sind den Abschiebehäftlingen Familienkontakte und Rechtsberatung zu gewähren ebenso wie internationale Organisationen oder NGO´s Zugang zu den Einrichtungen haben müssen.

Des Weiteren bedeutet die in der Richtlinie festgelegte Beschränkung des Wiedereinreiseverbots auf 5 Jahre - für 14 Mitgliedstaaten und auch für Deutschland, wo derzeit ein unbefristetes Wiedereinreiseverbot möglich ist - eine enorme Verbesserung. Ganz wichtig ist mir auch, dass bei einem Erteilten Wiedereinreiseverbot, der betreffenden Person immer internationaler Schutz zu gewähren ist.

Auch verbessert wurde die Situation von Minderjährigen und Familien. Für sie muss eine gesonderte kindgerechte Unterbringung sichergestellt sein. Die Rückführung unbegleiteter Minderjähriger muss in Zukunft von einer unabhängigen und kompetenten Stelle überprüft werden und darf nur erfolgen, wenn ihre Aufnahme im Herkunftsland von einem Familienmitglied, einem gesetzlichen Vertreter oder einer kinder- und jugendgerechten Einrichtung garantiert ist.

Ich will es bei diesen Beispielen belassen. Ich hoffe, es ist klar geworden, dass die Richtlinie in der Tat Verbesserungen mit sich bringt. Derzeit spricht Deutschland unbegrenzt Einreiseverbote aus, die Niederlande sperren Menschen zeitlich unbegrenzt in Abschiebehaft und die unmenschlichen Zustände in griechischen Abschiebehaftanstalten sind bekannt. Dies alles wird nun nicht mehr möglich sein.

Bitte bedenken Sie, dass wir als Europaabgeordnete auch Verantwortung für ganz Europa zu tragen haben und von rechtsgerichteten Regierungen wie der Berlusconis in den nächsten Jahren sicherlich keine Impulse für eine Stärkung des Flüchtlingsrechts zu erwarten wären. Mit der neuen Gesetzgebung sind der Willkür vieler Regierungen bei Rückführung von Flüchtlingen nun endlich Grenzen gesetzt. Deshalb habe ich für die Richtlinie gestimmt.

Mit freundlichen Grüßen,
Karin Jöns