Frage an Karin Roth von Anneliese Z. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Roth,
halten Sie es für gerecht, wenn jemand, der über 40 jahre in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hat, nach 11/2 Jahren nur noch Sozialhilfe erhält, und das eigentlich nur wegen seinem fortgeschrittenen Lebensalter.
M. fr. Gr. A. Zipf
Sehr geehrte Frau Zipf,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema "Bezugsdauer von Arbeitslosengeld".
Angesichts der derzeitigen Lage auf dem Arbeitsmarkt haben Bundesregierung und Koalitionsfraktionen im Juni diesen Jahres die Verlängerung der Übergangsfristen bezüglich der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld gegen den Widerstand von CDU und FDP beschlossen. Das bedeutet, dass bis zum 31. Januar 2008 die jetzigen Regelungen weiter gelten sollen. Davon begünstigt wären ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die vor dem 31. Januar 2008 arbeitslos werden: Über 57jährige können weiterhin 32 Monate lang Arbeitslosengeld beziehen, 52jährige bis zu 24 Monate und 45jährige bis zu 18 Monate.
Bedauerlicherweise hat die Union mit ihrer Mehrheit im Bundesrat diese gesetzliche Regelung aus wahltaktischen Überlegungen blockiert - zu Lasten der betroffenen Menschen.
Bessere Beschäftigungschancen für ältere Menschen waren für uns Sozialdemokraten seinerzeit die Voraussetzung für eine kürzere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld gewesen. Wir wollten damit den Trend zur Frühverrentung stoppen und Fehlanreize der Arbeitslosenversicherung korrigieren. Die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld hat nämlich eine erhebliche Steuerungswirkung für den Zugang in Arbeitslosigkeit und den Abgang aus Arbeitslosigkeit. Das gilt insbesondere für die längere Bezugsdauer bei steigendem Lebensalter, wenn ausreichende Versicherungszeiten vorliegen. Es kann nicht sein, dass vor allem große Betriebe sich ihrer älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Kosten der Solidargemeinschaft, auf Kosten der Beitragszahler entledigen.
Wir können es uns zudem aus demografischen und ökonomischen Gründen nicht leisten, ältere Arbeitnehmer vorzeitig in den Ruhestand zu schicken. Auf ihr Know-how und ihre Erfahrung können und wollen wir nicht verzichten. Ältere Arbeitnehmer gehören nicht zum alten Eisen. Hier ist ein Umdenken in der Gesellschaft und insbesondere in den Unternehmen erforderlich. Umso bedauerlicher ist es, dass heute rund 60 % der Unternehmen in Deutschland keine Arbeitnehmer mehr beschäftigen, die älter als 50 Jahre sind. Nur jede sechste durch Frühverrentung weggefallene Stelle wurde wieder besetzt. Daher ist klar: Personalpolitik kann und darf nicht zulasten der Versichertengemeinschaft gehen. Die durch diese Praxis entstehenden Ausgaben bei der Bundesagentur für Arbeit und auch in der gesetzlichen Rentenversicherung engen die Handlungsspielräume für eine Senkung der Lohnnebenkosten stark ein.
Grundsätzlich möchte ich aber klar stellen, dass die solidarische Arbeitslosenversicherung den Charakter einer Risikoversicherung hat. Dies bedeutet, dass nur derjenige, der arbeitslos wird, die Leistung erhält. Daher zahlen viele ihr Arbeitsleben lang ein, werden jedoch nie zu Leistungsbeziehern. Vom Grundsatz her vergleichbar ist das System mit vielen Privatversicherungen, z.B. Unfall-, Diebstahl- oder Feuerversicherung. Die Arbeitslosenversicherung ist keine Ansparversicherung und unterscheidet sich in diesem Punkt beispielsweise grundsätzlich von der Rentenversicherung. Maßstab für die Leistung einer Risikoversicherung ist der versicherte Schaden (hier die Arbeitslosigkeit), nicht die Dauer der Zugehörigkeit zur Versicherung.
Für uns ist aber auch klar: Ändern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, so wird neu verhandelt. So ist es auch bei der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Leider ist es noch immer so, dass ältere Menschen, wenn sie ihren Arbeitsplatz erst verloren haben, nur schwerlich wieder eine neue Stelle finden können. Nahezu ein Viertel aller Arbeitslosen ist älter als 50 Jahre. Darum haben wir uns zu der Verlängerung der Übergangsfristen entschlossen. Damit schaffen wir besonders für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Sicherheit und Vertrauen bis die Reformen ihre volle Wirkung entfaltet haben und sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt.
Ich hoffe, ich konnte damit Ihre Frage beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Roth, MdB