Frage an Karl-Heinz Gerstenberg bezüglich Familie

Portrait von Karl-Heinz Gerstenberg
Karl-Heinz Gerstenberg
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Karl-Heinz Gerstenberg zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Elke S. •

Frage an Karl-Heinz Gerstenberg von Elke S. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Dr. Gerstenberg,
mich freut zu lesen, dass die Grünen sich mit dem Personalschlüssel in sächischen Kitas auseinander setzten. Mich würde jetzt interessieren, wie sie qualifiziertes Personal für Kitas motivieren wollen hier in Sachsen zu bleiben. Als Mutter von zwei Kindern beobachte ich die Fluktuation in unserem Kindergarten, gut ausgebildete junge Erzieher oder SozPäds gehen meist nach kurzer Zeit wieder weg.
Ich dnke Ihnen für Ihre Antwort und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Eke Schramm

Portrait von Karl-Heinz Gerstenberg
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Schramm,

Gründe für hohe Fluktuation in Kindergärten können aus meiner Sicht sowohl in der einzelnen Einrichtung als auch in gesetzlichen und tariflichen Rahmenbedingungen liegen.

Wenn junge Erzieher und Sozialpädagogen abwandern, dann können die Arbeitsbedingungen eine Ursache sein. Fluktuation wird deshalb auch in der Wissenschaft als ein Maßstab für die Arbeitszufriedenheit in einem bestimmten Kindergarten herangezogen. Die Zusammenhänge sind allerdings schwer darstellbar, da es sich hier um einen vertraulichen und rechtlich geschützten Bereich handelt. Da ich Ihren Kindergarten nicht kenne, kann ich naturgemäß dazu nichts sagen.

Im Gegensatz dazu gehören allgemeine Gründe für Fluktuation wie Überlastung, schlechter Gesundheitsschutz oder ungenügende Bezahlung in die landespolitische Diskussion.

Wir wollen, wie Sie wahrscheinlich gelesen haben, den Personalschlüssel gesetzlich im Kindergarten auf 1:10 und in der Krippe auf 1:4 verbessern und den Landeszuschuss entsprechend erhöhen (Für diesen Vorschlag haben wir in den letzten Haushaltsberatungen übrigens eine solide Gegenfinanzierung nachgewiesen). Das wäre nicht nur ein großer Vorteil für die Kinder, sondern ebenso für die Erzieherinnen und Erzieher. Diese hätten durch eine solche Verbesserung der Personalausstattung endlich die Chance, den gesetzlichen Bildungsplan mit Leben zu erfüllen statt übergroße Gruppen betreuen zu müssen. Der Fortschritt wäre dabei weit größer als die Papierform besagt: In einer Krippe betreut derzeit im realen sächsischen Durchschnitt ein Erzieher oder eine Erzieherin statt der gesetzlich vorgeschriebenen 6 Kinder mehr als 9, im Kindergarten statt der vorgeschriebenen 13 ganze 20.

Der Erzieherberuf wird derzeit unter Wert bezahlt – auch das trägt zur Fluktuation bei. Im Vergleich zu anderen Bildungsberufen ist die Vergütung eine deutliche Benachteiligung. Deshalb verfolgen die Gewerkschaften das richtige Ziel, zumindest eine Grundvergütung in der Entgeltstufe 8, langfristig jedoch in der Stufe 9 TvöD zu erreichen. Dadurch wäre die Tätigkeit auch attraktiver für Hochschulabsolventen. Ich habe mich in der vergangenen Wahlperiode im Landtag dafür eingesetzt, dass die Voraussetzungen geschaffen werden, um den größten Teil des zusätzlichen Personals in den nächsten Jahren an den Hochschulen auszubilden. In unseren europäischen Nachbarländern ist eine solche Hochschulausbildung längst selbstverständlich. Formal wird dieser Ansatz auch von der derzeitigen Staatsregierung geteilt, in der Praxis ist Sachsen aber selbst im innerdeutschen Vergleich ins Hintertreffen geraten.

Als Mutter von zwei Kindern haben Sie sich möglicherweise über den diesjährigen Streik an sächsischen Kindertagesstätten geärgert, wofür ich viel Verständnis hätte. Ich habe allerdings die gewerkschaftlichen Forderungen nach besserem Gesundheitsschutz, besserer Bezahlung und günstigerem Personalschlüssel unterstützt, da sie genau den geschilderten Kern des Problems betreffen.

Zum Schluss noch eine Anmerkung: Wahrscheinlich haben Sie die Entscheidung der sächsischen CDU/SPD-Koalition begrüßt, das letzte Kindergartenjahr beitragsfrei zu machen. Ich möchte Ihnen ganz offen sagen, dass damit aus meiner Sicht der dritte Schritt vor dem ersten getan wurde. Sicher ist die Beitragsfreiheit für die Kita als Bildungseinrichtung ein richtiges Ziel. Angesicht der nicht unbegrenzt vorhandenen Finanzen ist es aber nur mittel- oder langfristig erreichbar. Erst Personalschlüssel verbessern, dann Qualifikation und Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher erhöhen und drittens Kitas beitragsfrei machen - das wäre die richtige Reihenfolge. Die Vorteile kämen sowohl unseren Kindern durch höhere Qualität der Bildung und Betreuung als auch den in den Kitas Tätigen durch höhere Arbeitszufriedenheit zugute. Und das wäre zugleich ein Beitrag der Landespolitik zur Verringerung von Fluktuation.

Mit vielen freundlichen Grüßen

Karl-Heinz Gerstenberg