Frage an Kerstin Bednarsky von Elena K. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Bednarsky!
Da ich in Ihrer beruflichen Entwicklung entdecken konnte, dass Sie in der Arbeit mit behinderten Menschen persönliche und praktische Erfahrungen haben, möchte ich Sie um die Beantwortung der Frage bitten, inwieweit Sie Möglichkeiten einer schnelleren und unbürokratischeren Integration von behinderten Kindern außerhalb des Berliner Speckgürtels sehen?
Haben Sie eine Empfehlung?
Mit freundlichen Grüßen
E.Kurzweg
Sehr geehrte Frau Kurzweg,
meine praktischen Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen bestehen darin, dass unser Sohn Jan, 1983 geboren, während der Geburt/ Kaiserschnitt, einen extremen Sauerstoffmangel erlitten hat. Daraus folgten viele Krankheiten, die sich zu einer Schwerstmehrfachbehinderung mit Blindheit, in den darauffolgenden 20 Jahren, entwickelte. Jan war ein Kämpfer. Er verstarb leider schon im Alter von 20 Jahren. Eine Zeit, die mein Mann und ich, nicht missen möchten.
Wir sind schnell erwachsen geworden und haben gelernt andere Prioritäten im Leben zu setzen.
Bürokratische Hürden, Ablehnungen in der Gesellschaft, falsches Mitleid, Streitereien mit den Gerichten, da es ein anerkannter Haftpflichtschaden des Gesundheitswesen der DDR war, sind uns nicht fremd. Duchboxen und nicht den Mut verlieren, das war und ist unsere Lebenseinstellung.
Nach wie vor, auch wenn unser Sohn nicht mehr bei uns ist, engagiere ich mich für Menschen mit Behinderungen und deren Familien. Ich habe aus diesem Grund auch noch einmal ein Fachschulstudium aufgenommen und den Abschluss als Heilerziehungspflegerin erreicht.
Einen hohen Stellenwert für eine unbürokratische Integration von Kindern mit Behinderungen, außerhalb des Berliner Speckgürtels, sehe ich in der Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes und dem Zusammenspiel aller Akteure/ Netzwerke. Im Oberspreewaldkreis liegt seit 2008 ein Gesundheitsbericht vor. Darin wird festgestellt, dass immer mehr Kinder die Angebote an Frühförderstellen und Beratungsstellen in Anspruch nehmen müssen. Die Zahl der Kinder stieg im Zeitraum von 2005-2007, von 168 auf 219. Das war ein Anstieg von 1.563 Fördereinheiten auf 2.435. Das macht deutlich, dass es einen Zuwachs an fachlich gewünschten Beratungstätigkeiten für Familien gibt. Mein Ansatz ist folgender: Die Statistiken sind vorhanden. Ein Anstieg von Mehrfachbehinderungen, somit von Hilfebedarfen und Beratungsangeboten ist sichtbar und wird sich noch weiter erhöhen. Das ist die theoretische Aussage. Die Umsetzung der Anforderungen besteht für mich darin, dass an der Aus- und Weiterbildung der Beratungsstellenmitarbeiter, der Mitarbeiter in den Sozialämtern und allen weiteren relevanten Behörden, nicht gespart werden darf. Menschlichkeit, Sensibilität, Einfühlungsvermögen, Fachkompetenz und Realitätsnähe sind für mich die Kriterien, die Mitarbeiter besitzen müssen, um an solchen sensiblen Stellen arbeiten zu können. Wer selbst betroffen ist, weiß wovon ich spreche. Ich denke auch, dass es wichtig ist, immer den Einzelfall zu sehen, um somit ein individuelles Angebot und Hilfen unterbreiten zu können. Gesetze und Verordnungen sind mehr als genug vorhanden. Es kommt darauf an, sie für den Einzelnen anwendbar zu machen. Nicht die 100%dige Umsetzung der Paragraphen ist was zählen darf, sondern der Mensch, der sich in einer besonderen Situation befindet. Er hat einen Anspruch auf ein menschenwürdiges selbstbestimmtes Leben hat. Mich dafür einzusetzen, wird immer eine der wichtigsten Aufgaben sein, das habe ich auch unserem Sohn versprochen.