Frage an Kirsten Tackmann bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Kirsten Tackmann
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Frage von Hans-Joachim H. •

Frage an Kirsten Tackmann von Hans-Joachim H. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Tackmann!

Warum werden in der Tierhaltung auch sogenannte Reserveantibiotika eingesetz? Muß man deshalb Angst um die Krankheitsbekämpfung beim Menschen haben?

könnte der "Antibiotikafrei Stall" nicht eine Grenze für die Massentierhaltung bedeuten?

Mit freundlichen Grüßen

Hajo H.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Hagen,

vielen Dank für Ihre wichtige Frage, auch weil sie mir die Möglichkeit gibt, vielleicht einige Nuancen in die öffentliche Debatte zu bringen. Entschuldigen Sie bitte die verzögerte Antwort, aber aufgrund Krankheit, Urlaub und Arbeitsbelastung im Büro war eine schnellere Reaktion nicht zu realisieren. Wir werden uns aber weiter bemühen, das schneller hinzubekommen.

Für mich gehört die Tierhaltung zur Landwirtschaft. Aber leider sind in manchen Regionen und an manchen Standorten so hohe Tierbestände erreicht, dass wir sie nicht mehr für verantwortbar halten – sowohl aus ökologischen Gründen als auch im Hinblick auf den Tierschutz (auch wenn das nicht zwingend eine Frage der Größe der Ställe ist) und – sehr wichtig – aufgrund der erheblichen Risiken der Ein- oder Verschleppung von Tierseuchen mit verheerenden Auswirkungen. Es geht dabei auch um ethische Fragen, wenn z. B. 60.000 Schweine an einem Standort stehen und diese bei Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in der Region getötet werden müssten, auch wenn der Bestand (noch) nicht direkt betroffen wäre. Deshalb vermeiden wir zwar den Begriff „Massentierhaltung“, weil eine verantwortbare, tiergerechte Nutztierhaltung nicht nur (!) eine Frage der Größe des Stalles ist, dennoch hat DIE LINKE im Bundestag beantragt, die Größe der Ställe am Standort und die Größe der Tierbestände in Regionen zu deckeln. Bisher leider ohne Unterstützung der anderen Fraktionen, wir werden aber auch diese wichtige Debatte weiterführen. Die Bindung der Tierhaltung an die verfügbare Fläche für Futteranbau und Gülleausbringung und faire Preise für die Erzeugerbetriebe, die von ihrer wertvollen Arbeit auch gut leben können sollen, gehört aus unserer Sicht zwingend dazu.

Seit Jahren weise ich in meiner parlamentarischen und außerparlamentarischen Arbeit auf diese gefährliche Entwicklung von Risikostrukturen in der Landwirtschaft hin. Wenn wir also den Einsatz von Antibiotika – der auch aus meiner Sicht zu hoch ist – verringern wollen, müssen wir über einen Umbau der Tierhaltung sprechen und über mehr Tiergesundheit und mehr Krankheitsvermeidung durch besseres Bestandsmanagement, bessere Haltungsbedingungen, bessere Betreuung.

Zugleich halte ich Slogans wie der „Antibiotikafreie Stall“ für irreführend, denn damit wird unterstellt, dass jeder Einsatz von Antibiotika vermeidbar wäre. Der Tierschutz ist in Deutschland im Grundgesetz und in einem eigenen Tierschutzgesetz verankert. Im Grundsatz ist darin festgeschrieben, dass die Tiere vor Leid zu schützen sind. Dazu gehört auch eine tierärztliche Behandlung von landwirtschaftlichen Nutztieren, wenn sie denn notwendig ist. Die Einteilung der Antibiotika in unterschiedliche Klassen, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgenommen hat, sieht vor, dass bestimmte Wirkstoffklassen für die Therapie beim Menschen besonders wichtig sind und sie wurden deshalb unter der Gruppe der Reserveantibiotika zusammengefasst. DIE LINKE hat bereits vor Jahren eine kritische Debatte dazu eingefordert, in der Humanmedizin wichtige Antibiotika-Wirkstoffe nicht mehr im Stall anzuwenden. Darüber hinaus obliegt allerdings die Entscheidung, ob und welche Antibiotika zum Einsatz kommen, der/dem behandelnden Tierärztin/Tierarzt aufgrund einer sachgerechten Diagnose. Ist für eine bestimmte Tierart oder eine bestimmte Diagnose kein zugelassenes Medikament vorhanden, darf der Tierarzt/die Tierärztin ein Medikament umwidmen. Anfang 2018 wurde die tierärztliche Hausapothekenverordnung so verändert, dass die so genannte Umwidmung von Reserveantibiotika nun verboten ist. Außerdem wurde zur Vorbeugung von Resistenzen eine Antibiogrammpflicht eingeführt, d.h. bei bestimmten Fällen wird erst der genaue Erregerstamm identifiziert und demnach das passende Antibiotika ausgewählt. Dem ging die Änderung des Arzneimittelgesetzes voraus, dass u.a. ein Melde- und Kontrollsystem eingeführt hat, so dass Tierhalterinnen und –halter nun den verwendeten Wirkstoff und die Behandlungstage in eine zentrale Datenbank eintragen müssen. Das sind aus meiner Sicht erste wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Darüber hinaus wurde in der tierärztlichen Gebührenordnung endlich die Beratungsleistung eingebunden, wenn auch noch nicht ausreichend. Denn – und auch das fordert DIE LINKE schon sehr lange – bietet eine tierärztliche Bestandsbetreuung die größtmögliche Chance, die Krankheitshäufigkeit im Tierbestand gering zu halten, weil dann Prävention und Beratung eine viel stärkere Rolle spielt. Auch können so viele Erkrankungen bereits frühzeitig erkannt und eine Therapie mit Antibiotika verhindert werden.

Es ist also gut, dass die Debatte unterdessen weit über das enge Thema Antibiotika – Verbrauch geführt wird und ich kann Ihnen versichern, dass wir sie weiter kritisch begleiten.

Mit freundlichen Grüßen,

Kirsten Tackmann MdB DIE LINKE