Frage an Klaus Kronberg bezüglich Umwelt

Klaus Kronberg
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sven K. •

Frage an Klaus Kronberg von Sven K. bezüglich Umwelt

Herr Kronenberg!
Welche Energie soll den Strom in Ihre Steckdose bringen?Oder zurück zu den Neandertalern?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karstens,

Ihre Frage läßt sich nicht mit einem Schlagwort beantworten, sondern erfordert einige Sachinformationen. Also der Reihe nach:

Der Strom, den Sie heute über ihre Steckdose erhalten, wird über die folgenden Energieträger erzeugt (Stand 2008):

Braunkohle 23,5 Prozent
Kernenergie 23,3 Prozent
Steinkohle 20,1 Prozent
Erdgas 13 Prozent
Windkraft 6,3 Prozent
Wasserkraft 4,2 Prozent
Heizöl 1,6 Prozent
Sonstige (wie Müll, Holz, Torf) 8 Prozent

Angaben wie Windenergieanlagen decken "rechnerisch rund 40 Prozent des Stromverbrauchs in Schleswig-Holstein" sind technischer Unsinn, denn einmal stammt "Strom aus der Steckdose" immer aus dem europaweiten elektrischen Netz und und ist wie Meereswasser immer völlig durchmischt. Selbst die vorgenannten Zahlen sind deshalb eine Angabe über die in Deutschland erzeugte Strommenge, nicht aber die aktuelle Zusammensetzung des verbrauchten Stroms.

Zum anderen steht Windstrom in Schleswig-Holstein höchstens für drei Monate des Jahres (zusammengerechnet) zur Verfügung. Entweder weil der Wind zu schwach ist oder weil er zu stark ist oder überhaupt nicht weht (was bei Hitzeperioden im Sommer und ausgedehnten Dauerfrostlagen oft über Wochen der Fall ist). Auch dann beanspruchen Sie aber wie selbstverständlich eine ständige gesicherte Stromversorgung und erhalten sie auch aus den vorhandenen Wärmekraftwerken Brokdorf (Atom), Kiel (Kohle), Flensburg (Kohle) oder aus Hamburg (meistens Kohle) oder wir importieren Strom (wie z.B. Atomstrom aus der Ukraine...).

Soweit zu dem Strom, der jetzt aus Ihrer Steckdose kommt.

Ihre Frage zielt aber dahin, welche Energie soll (künftig) den Strom in die Steckdose bringen?

Ich gehe dabei davon von aus, daß Sie als Bewohner von Elpersbüttel Ihre Hoffnung auf die Windenergie setzen, nicht nur, weil Sie glauben damit das Klima zu retten, sondern daß dabei auch nette Profite für den flächenverpachtenden Landwirt herausspringen (Solar können wir wegen der geringen Erzeugung von 0,5 Prozent auslassen).

Zum Thema Windenergie hat sich unsere Landesregierung 2008 im Zusammenhang mit dem Bau neuer Kohlekraftwerke in Brunsbüttel klar geäußert:

"Allein Windenergie kann das absehbare Leistungsdefizit der Grundlast, das durch die Abschaltung der Kernengie entstehen wird, weder rechnerisch noch physikalisch ausgleichen, weil sie wegen des unsteten Windes nicht permanent und gleichmäßig zur Verfügung steht... Die Windenergie trägt heute mit rund acht Prozent ihrer installierten Leistung zur gesicherten Erzeugerleistung des Gesamtsystems bei. Das heißt, 92 Prozent der Windenergieleistung müssen durch andere, insbesondere konventionelle Kraftwerksleistung gestützt werden."

Diese Feststellung stammt übrigens nicht aus der Weisheit des Landeswirtschaftsministeriums Schleswig-Holsteins, auf dessen Homepage sie diese Texte zu Brunsbüttel und zur Windenergie herunterladen können, sondern die DENA (Deutsche Energie-Agentur) hat das in Ihrer Netzstudie schon 2005 festgestellt. Ich will das gern übersetzen:

Selbst wenn durch Wind elektrische Energie erzeugt wird, müssen konventionelle Kraftwerke im Leerlauf mit 92 Prozent der Windleistung parallel mitgefahren werden, damit die Stromversorgung durch Windschwankungen nicht zusammenbricht. Das dabei erzeugte CO2 taucht in den offiziellen Statistiken über "CO2-Einsparung durch Windkraftwerke" aber überhaupt nicht auf.

Das bedeutet, daß bei Betrieb der laufenden Windkraftanlagen gleichzeitig Millionen Tonnen CO2 aus Kraftwerksschloten unnütz in die Luft geblasen werden müssen. Schon 2005 lag der notwendige Parallelbetrieb für die vorhanden Windkraftanlagen bei sieben Kohlekraftwerken, heute dürften etwa 10 (oder mehr) erforderlich sein. Übrigens macht der Aufbau von mehr Windrädern das Netz nicht stabiler, sondern nach Auskunft der DENA bedrohlich instabiler. Dänemark hat deshalb schon 2002 mit dem Ausbau der Windenergie aufgehört.

Ausreden wie "heute ist alles anders, wir brauchen mehr und größere Windräder, wir können alles regeln" der Windkraftindustrie werden durch unsere eigene Landesregierung entkräftet. Sie schreibt 2008 an gleicher Stelle über die Bau mehrerer Kohlekraftwerke in Brunsbüttel:

"Ein weiterer wichtiger Grund für die Stromgewinnung durch Kohle am Standort Brunsbüttel ist die beabsichtigte verstärkte Nutzung der Windenergie - auch wenn das zunächst paradox klingen mag.... Der Strom aus dem Offshore (vor unseren Küsten) soll in Brunsbüttel in den großen Netzknotenpunkt eingespeist werden. Um die Schwankungen der Windenergie bei der Stromeinspeisung auszugleichen und die Frequenz zu halten, ist an diesem Einspeisepunkt ein großes Kraftwerk erforderlich. Nur so kann die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger und der Industrie mit elektrischer Energie gewährleistet werden."

Kurz gesagt (und hier hat unsere Landesregierung technisch völlig recht), der weitere großflächige Ausbau der Windenergie an Land und auf See bedingt zwingend den Bau von neuen Kohle-Großkraftwerken rund 20 km südlich von Elpersbüttel. Und es soll nicht ein Kohlekraftwerk werden, sondern mittlerweile deren vier.

Vielleicht stimmen Sie mir zu, wenn ich Ihnen sage, daß ich dieser Energiepolitik nicht zustimmen möchte, denn hier müssen Sie die Neandertal-Technologie Kohlekraftwerke ausbauen, um die Neandertal-Technologie Windkraft zu verstärken, deren einziger Sinn die Profitmaximierung der Betreiber der Anlagen ist.

Ein tragfähige Energiepolitik kann nur bedeuten, daß wir die Energieversorgung (das gilt für Wärme und netzfähigen Strom) dezentralisieren und uns gerade in der ländlichen Fläche von einer veralteten zentralen Politik der Großnetze abwenden hin zu einem regionalen Ausbau des Strom- und Fernwärmenetzes bei lokaler Erzeugung. Das funktioniert bei unserem nördlichen Nachbarn bereits sehr gut. Mein Vorschlag: Lassen Sie sich das einmal nördlich der Grenze zeigen und fangen Sie in Elpersbüttel an, sich Gedanken über die genossenschaftliche regionale Energieerzeugung zu machen. Nur von Solarzellen auf dem Dach und Windrädern auf dem Feld kann man als Landwirt auf Dauer auch nicht leben.

Mit freundlichen Grüßen

Klaus Kronberg