Frage an Konrad Schily bezüglich Gesundheit

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Frage von Erich E. •

Frage an Konrad Schily von Erich E. bezüglich Gesundheit

Wie wollen Sie die medizinische, pflegerische Versorgung der älter werdenden Bevölkerung sicherstellen? Dies vor dem Hintergrund eines schon bestehenden und zunehmenden Ärztemangels.

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FDP

Sehr geehrter Herr Esch,

haben Sie Dank für Ihre Frage vom 15. September 2009, die ich gern ausführlich beantworte.

Sie haben Recht, die medizinische und pflegerische Versorgung steht angesichts der demografischen Entwicklungen vor großen Herausforderungen. Daran hat auch die jüngste Reform der Pflegeversicherung nichts geändert. Im Gegenteil! Erlauben Sie mir zwei Aspekte näher zu beschreiben.

Schauen wir zur Fehlentwicklung der Großen Koalition bezüglich der Pflegestützpunkte. Die allgemeine Kritik an der Einrichtung von Pflegestützpunkten mit dort angesiedelten, bei den Pflegekassen angestellten Pflegeberatern wird von der FDP-Bundestagsfraktion geteilt. Vor Ort werden bereits heute vielfach die Aufgaben wahrgenommen, die das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz für die Pflegestützpunkte und die dort angesiedelten, bei den Pflegekassen angestellten Pflegeberater vorsieht: die Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Angehöriger sowie die Koordination und Vernetzung bestehender Hilfe- und Unterstützungsangebote bei Pflegebedürftigkeit. Auch wenn die einzurichtende Zahl der Pflegestützpunkte von den ursprünglich von der Gesundheitsministerin und der SPD gewollten und im Kabinettsbeschluss zugestandenen 4.100 im Gesetzgebungsverfahren auf rechnerisch nur noch 1.200 reduziert wurde, bleibt es dabei, dass durch die Einrichtung der Pflegestützpunkte bereits bestehende, durch Pflegebedürftige und ihre Angehörige genutzte Beratungsangebote verdrängt werden. Auch macht das Gesetz den Pflegeberater zu einem Beratungsmonopolisten, der darüber entscheidet, bei welchem Anbieter der Versorgungsplan umgesetzt werden soll.

Das Gesetz übersieht zudem geflissentlich, dass die bisherigen Beratungsangebote nicht aus dem Leistungskatalog der Pflegeversicherung bezahlt wurden, während der Aufbau der geplanten wirkungsgleichen Pflegestützpunkte dem System Geld entzieht, dass an den Betten dringend benötigt wird. Eine bessere Koordination und Vernetzung der vor Ort bestehender Angebote würden mehr bringen und könnte virtuell umgesetzt werden. Dies wäre aber zunächst eine Aufgabe der Kommunen bzw. der Leistungsträger vor Ort. Dazu bedarf es nicht der Einrichtung neuer Strukturen.

Somit wird immer deutlicher, dass dieser Ansatz Pflegefinanzierung für die Menschen zu vereinfachen, wieder einmal nur zu einem bürokratischen Monstrum wird. Dabei muss der bedürftige Mensch im Mittelpunkt stehen und nicht die Verwaltungsstruktur. Die Verwaltung darf nur ein Hilfsmittel sein.

Der zweite Aspekt betrifft die Finanzierung der Pflege. Es ist zu kritisieren, dass die Leistungen für Pflegebedürftige mit Beitragserhöhungen erkauft werden. Bleibt es beim Umlageverfahren, werden die nachfolgenden Generationen die steigenden Pflegekosten nicht mehr tragen können. Wir fordern hingegen, dass mit einem gleitenden Übergang in ein kapitalgedecktes und prämienfinanziertes Versicherungssystem unverzüglich begonnen werden muss. Ansonsten besteht keinerlei Leistungs- und Finanzierungsspielraum. Dies gilt auch für eine Dynamisierung der Pflegeleistungen ebenso wir für Leistungen zur Versorgung Demenzkranker. Um Überforderung zu vermeiden, muss der Übergang mit einem teuerfinanzierten sozialen Ausgleich verbunden werden.

Um meine Gedanken nochmals auf den Punkt zu bringen: In der Pflege braucht es also nicht mehr Staat(s-Pflege) im Sinne neuer staatlicher Reglementierung und staatlicher bzw. quasi-staatlicher Institutionen, sondern mehr individuelle Freiheit sowohl der Pflegebedürftigen als auch der Anbieter, um auf die demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen flexibel und bestmöglich reagieren zu können.

Lieber Herr Esch, lassen Sie mich nun etwas zum Ärztemangel in Deutschland sagen.

Ich bin der Meinung, dass Anreize gegen Ärztemangel ein sinnvoller Weg sind.
Die FDP wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass mit der Neuregelung der ärztlichen Vergütung ein falscher Weg beschritten worden ist. Durch die Entwicklung in den letzten Monaten sehen wir uns bestätigt. Das Vergütungssystem ist viel zu kompliziert und intransparent. Die Budgetierung ist nicht abgeschafft, sondern lediglich in anderer Form wieder aufgelebt. Die bundesweite Angleichung der Ärztehonorare wird den regionalen Gegebenheiten nicht gerecht. Selbst diejenigen, die jetzt besser dastehen als vorher, müssen befürchten, dass sich das ganz schnell wieder ändern kann. Niemand blickt mehr durch, mit welchen Einnahmen er planen kann. Wer als Arzt mehr arbeitet, bekommt das nicht leistungsgerecht honoriert. Stattdessen brauchen wir eine einfache, durchschaubare und leistungsgerechte Gebührenordnung, die die Grundlage für die Abrechnungen der Ärzte bildet.

Die FDP hat sich immer für die niedergelassenen Ärzte, sowohl die Haus- als auch die Fachärzte stark gemacht, weil Sie der Überzeugung ist, dass sich nur so eine qualitativ hochwertige, flächendeckende Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung sicherstellen lässt. Dazu gehören neben dem Einsatz für eine angemessene, transparente und verlässliche Vergütung der Abbau überzogener bürokratischer Anforderungen sowie der Aufbau von Strukturen, die auf Anreize statt auf Kontrollen setzen. Wichtig ist uns, dass die Ärzte wieder mehr Zeit für ihre Patienten haben. Gerade den Hausärzten kommt mit der zunehmenden Zahl älterer Menschen eine immens wichtige Bedeutung zu, denn sie sind diejenigen, die die Patienten als Ganzes im Blick haben und sie durch die verschiedenen Stationen begleiten müssen. Das ist zeitaufwändig. Das muss sich auch in der Vergütung widerspiegeln.

Ich denke nur mit einem umfassenden Konzept lässt sich auch weiterhin die medizinische und pflegerische Versorgung der älter werdenden Bevölkerung sicherstellen.

Mit freundlichem Gruß

Dr. Konrad Schily