Frage an Konrad Schily bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Konrad Schily
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Frage von Florian A. •

Frage an Konrad Schily von Florian A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Dr. Schily
wie stehen Sie zur Einführung von volksnahen Abstimmungen auf Bundesebene, wie z.B. Volksinitiativen, Voksbegehren und Volksentscheiden? Welche Vor- und Nachteile sehen Sie? Setzen Sie sich aktiv für die Einführung ein? Wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht?
Herzliche Grüsse
Florian Ahrweiler

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Ahrweiler,

in Ihrer freundlichen Zuschrift vom 17. April 2009 fragen Sie nach meiner Einstellung zur volksnahen Abstimmungen auf Bundesebene. Ich stehe Volksentscheidungen, Volksinitiativen, Volksbegehren sehr positiv gegenüber und würde dieses System auch für ausbaufähig halten. Die Schweizer Bürokratie kann uns dabei ein Vorbild sein. Ich sehe insbesondere Vorteile darin, dass der stimmberechtigte Bürger viel stärker an das politische Geschehen herangeführt wird und dass die gesetzgebenden Parlamente auf Landesebene sich manches Gesetz sehr wohl überlegen würden, wenn sie wüßten, dass dieses Gesetz vom Wähler verworfen werden kann. Weil ich so denke, bin ich Mitglied von "Mehr Demokratie" e.V.
Der Einfachheit halber darf ich den Text einer Kolumne vom 17. März 2009 in der Braunschweiger Zeitung beifügen - auch als Beispiel meiner Aktivität.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Konrad Schily -MdB

"Braunschweiger Zeitung" vom 17. März 2009
Pro & Contra

Eine funktionierende Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Sie kann auch nicht verordnet werden. Sie erfüllt sich dann mit Leben, wenn die Bürger das Gefühl haben, dass sie am Gestaltungsprozess unseres Landes beteiligt sind. Plebiszite auf Bundesebene sind kein Allheilmittel, um der aktuellen Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Volksabstimmungen können aber einen Beitrag zu einer Repolitisierung der Gesellschaft leisten. Der eigentliche Gang ins Abstimmungslokal ist dabei nur ein Aspekt. Weit grundlegender erscheint der Umstand, dass das Instrument der direkten Demokratie zu einer anderen Kommunikationsdynamik führen würde, die die Akteure der Parteien genauso beträfe, wie die Bürger und – nicht zu vergessen – die massenmedialen Vermittlungsagenturen. Direkte Demokratie ist – die Schweizer Entscheidung zur Visumregelung von Rumänischen Staatsangehörigen zeigt dies beispielhaft – eine permanente Einübung in Informiertheit, Eigenverantwortung und Diskussionsfähigkeit. Sie erhöht die Legitimation politischer Entscheidungen und schafft Identifikation mit dem Gemeinwesen. Mann muss nicht unbedingt gewichtige Demokratietheorien zu Rate ziehen, um zu erkennen, dass die Gesamtheit der Bürger eine Entscheidungskompetenz entwickeln kann, die jene der an politische Interessen und persönliche Kalküle gebundenen Politiker übersteigt. Ein gutes Beispiel dafür, dass die professionalisierte Politik ihre eigenen blinden Flecken nicht erkennt, ist die Geschichte des bayerischen Senats: De facto völlig wirkungslos existierte diese zweite Kammer der Volksvertretung immerhin fast 60 Jahre, bis sie 1999 in einem Volksbegehren abgeschafft wurde – ein Schritt den die Volksvertreter trotz augenscheinlicher Sinnhaftigkeit nicht zu gehen geschafft hatten.

Dr. Konrad Schily