Frage an Kurt Segner von Martin K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Segner,
Frau von der Leyen plant ein Gesetz zur Eindämmung der Kinderpornografie. Die Wirksamkeit der von ihr befürworteten Maßnahmen wird von Experten angezweifelt: So ist geplant, die betroffenen Seiten mit einem "Stoppschild" auszurüsten, statt die Server selbst (von denen auch einige in Deutschland stehen) abzuschalten. Dieses "Stoppschild" werden auch weniger versierte Nutzer leicht umgehen können. Der Entwurf wird oft mit einem Vorhang verglichen, den man vor die schmutzigen Seiten des Webs hängt, statt sie tatsächlich abzuschalten.,
Frau von der Leyen hat auch keine schlüssige Antwort darauf geben können, ob die IPs der Benutzer, die auf solche Seiten gelangen, gespeichert werden, und wenn ja, was damit passiert.
Halten Sie dieses geplante Gesetz für sinnvoll bzw. unterstützen Sie diesen Vorschlag?
Mit freundlichen Grüßen
Martin Köhler
Sehr geehrter Herr Köhler,
vielen Dank, dass Sie mir Ihre Meinung zum Gesetz zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet mitgeteilt haben. Ich habe Ihr Schreiben mit Interesse gelesen, teile Ihre Auffassung aber nicht. Am 18. Juni 2009 wurde das Gesetz im Deutschen Bundestag beschlossen.
Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion war es unerträglich, dass wir in Deutschland bisher noch nicht umfassend gegen die Beschaffung von kinderpornographischen Schriften vorgegangen sind. Die Bundesregierung hat darüber unter Federführung von Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen in den letzten Monaten intensive Gespräche und Verhandlungen mit der betroffenen Wirtschaft geführt. Dabei sind zwei Dinge deutlich geworden: Erstens sind die Access-Provider dazu bereit, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten zu erschweren und so die Beschaffungskriminalität einzudämmen. Fünf große Unternehmen haben sich auf vertraglicher Basis dazu verpflichtet. Zweitens brauchen wir eine gesetzliche Regelung.
In den Verhandlungen mit der SPD konnte die CDU/CSU wichtige Forderungen durchsetzen, so dass mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet weitere effektive Maßnahmen gegen dieses Übel ermöglicht werden. Die wichtigsten Punkte dabei sind:
1. Löschen geht vor Sperren: Die Sperrung einer Internetseite mit kinderpornographischen Darstellungen kommt nur in Frage, wenn diese Inhalte nicht oder nicht zeitnah gelöscht werden können. Eine Sperrung ist eine ergänzende Maßnahme, wenn ein wirksameres Vorgehen direkt gegen die Inhalte bei ausländischen Angeboten nicht möglich ist.
2. Durch die Sperrung der kinderpornographischen Seiten im Internet wird der Kampf gegen dieses Verbrechen um präventive Maßnahmen ergänzt. Zufällige Besuche auf diesen Seiten werden durch eine Stopp-Seite verhindert. Die Stopp-Seite setzt ein deutliches Signal im Netz: Stopp, hier geht es nicht weiter, hier wird der legale Raum verlassen.
3. Sperrmaßnahmen im Internet sind auf kinderpornographische Seiten beschränkt.
4. Nutzer, die z.B. durch Links in Spam-Mails zufällig auf eine Stopp-Seite gelangen, müssen nicht mit Strafverfolgung rechnen. Die Daten, die an der Stopp-Seite anfallen, dürfen für die Strafverfolgung nicht genutzt werden.
5. Der Vorschlag von Bundesministerin von der Leyen, ein Expertengremium einzurichten, wurde realisiert: Der Datenschutzbeauftragte benennt fünf Mitglieder, die berechtigt sind, jederzeit die Sperrliste beim Bundeskriminalamt einzusehen und zu überprüfen.
Bei der genannten Sperrliste und bei der Verpflichtung der Internet Provider, die auf dieser Liste enthaltenen Internet-Seiten zu sperren, handelt es sich nicht um eine Zensur des Internets. Es geht nicht darum, dass der Staat Internetseiten sperren lässt, um seine Bürgerinnen und Bürgern willkürlich an der Nutzung des Internets zu hindern. Vielmehr geht es darum, Straftaten zu unterbinden.
Gemäß § 184b des Strafgesetzbuches ist es strafbar, sich kinderpornographische Schriften – dazu gehören auch Dateien und das Betrachten von Bildern im Netz – zu verschaffen. Der Bundesgerichtshof hat dies folgendermaßen präzisiert: „Auch mit der bloßen Speicherung solcher Dateien im Cache-Speicher eines PC-Systems erlangt dessen Benutzer Besitz, weil es ihm möglich ist, jederzeit diese Dateien wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht wurden" (BGH 1 StR 430/06 - Beschluss vom 10.10.2006). Entsprechend ist die Sperrung einer derartigen Seite als die Verhinderung einer Straftat zu qualifizieren.
Kinderpornographie ist ein abscheuliches Verbrechen. Kinder werden
missbraucht und anschließend wird der Missbrauch auch noch vermarktet.
Selbstverständlich muss man diese Verbrechen an der Wurzel bekämpfen, die Kriminellen ergreifen und ihrem Tun ein Ende setzen. Mir ist klar, dass das Gesetz kein Allheilmittel ist. Dennoch ist dieses Gesetz ein wichtiger Schritt, die Kinder zu schützen und den Markt für Kinderpornographie soweit es geht auszutrocknen.
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Segner