Frage an Malik Karabulut bezüglich Soziale Sicherung

Malik Karabulut
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Gawan M. •

Frage an Malik Karabulut von Gawan M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Karabulut,

wie Sie schon erkannt haben, hat Ihre Antwort nicht so direkt meine Frage getroffen. Ich wollte wissen, wie Sie zu dem Thema stehen? Aber wenn ich Ihre Antwort richtig verstanden habe, heisst das, dass Sie durchaus an dem Thema BGE interessiert sind und dieses bereit sind zu unterstützen.

Interressant wäre noch bei dem was Sie da angeführt haben, in wie Fern ist die Politik überhaupt dafür Zuständig Menschen in Beschäftigungsverhältnisse zu bringen? Ist das nicht eine Aufgabe der Wirtschaft, bzw. des einzelnen selbst und wäre es nicht sinnvoll, wenn die Politik sich hier auf die entsprechende Rahmengebung beschränken würde? Also z.B. durch die Abschaffung des Arbeitsrechtes, welches ja ursprünglich auf die Sklavenhaltung zurück geht; die Stärkung der Betriebsräte bis hin zur Übernahme des Betriebes durch diese, da sie ja das einzige demokratische Moment in einem Betrieb sind und welcher ja durchaus als ein soziales Gebilde gesehen werden kann; die Abschaffung der Eigentumsrechte an Grund und Boden und sonstigen knappe Ressourcen, zugunsten eines Erpachtrechtes oder diesem ähnlicher Rechte; die Überführung des Geldsystems in ein reines "Schmiermittel der Wirtschaft", indem es z.B. durchgehend als öffentliches Gut angesehen wird und man für die Benutzung z.B. eine Gebühr bezahlen muss?

Muss denn die Politik so in die Wirtschaft eingreiffen, dass Sie ganze Unternehmen kauft oder durch Subventionen und Kreditzusagen stützt? Was ist dagegen zu tun?

Muss die Politik Bildung selbst anbieten und bereitstellen, oder wäre es nicht auch denkbar dass Sie sich auf die Kontrolle und die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein wirklich freies Bildungs und Kulturwesen beschränkt?

Mit freundlichen Grüssen
Herr G. Mäder

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr G. Mäder,

ich freu mich wirklich für Interesse und Engagement.
Ich Antworte in der Reinfolge wie Sie die Fragen gestellt haben.

##Beschäftigungsverhältnisse - Rahmenbedingung:
Selbstverständlich ist die Aufgabe der Politik, sinnvolle Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Wirtschaft neue Beschäftigungsverhältnisse generieren kann. Der Regierung darf aber auch keine Klientelpolitik betreiben, bzw. ausschließlich im Sinne der großen und starken Lobbisten-Vertreter Entscheidungen und Gesetze verabschieden.

Deutschland steht zum Beispiel im Punkto Mindestlohn:
20 der EU-Staaten verfügen über einen allgemeinen, branchenübergreifenden gesetzlichen Mindestlohn. Deutschland sperrt sich in dieser Angelegenheit. Eine Friseuse, die 40 Stunden in der Woche arbeitet, verdient Brutto 780.-€, kommt je nach der Steuerklasse auf max. 600.-€ Netto. Nun erzählt die Politik immer was von „Leistung muss sich lohnen“. Ist das jetzt gerechtfertigt? Warum sperrt sich die CDU radikal gegen die Einführung von Mindestlöhnen? Kann man ein Mensch mit diesem Einkommen in Würde Leben? Das ist ein Missstand und dies kann nur durch die Legislative korrigiert werden.

Dieses Beispiel und andere zeigen ganz deutlich, dass die Politik nicht ausschließlich die Interessen der Wirtschaft zu tragen hat. Die Politik muss einen ausgewogenen Blick, für alle Bereiche des Lebens haben.

##Arbeitsrecht - Stärkung der Betriebsräte:
Es ist gut dass wir ein Arbeitsrecht haben, dies abzuschaffen wäre contra produktiv. Durch die Flexibilisierung der Arbeitsverträge, hat man einigen Zeitarbeitsunternehmen ein Raum geschaffen, die diese Flexibilisierung missbrauchen und mit unverschämten Stundenlöhnen Menschen ausbeuten. Das ist ebenso ein Missstand, was unbedingt eine Korrektur erfordert.

Was die Betriebsräte angeht, da bin ich mir nicht so sicher. Vor meinem BWL-Studium, habe ich zwei Berufe gelernt und in diesen Bereichen gearbeitet. Zum einen den Beruf des Industriemechanikers und später mit einer Zusatzausbildung den des Fluggerätebauers. In der Zeit, wo ich gewerblich tätig war, war ich nicht immer, bzw. kaum mit den Betriebsräten glücklich. Betriebsräte sind eine feine Sache, aber genauso wie die Kirche, haben auch die Betriebsräte, in den letzten Jahren viel an Einfluss und Ansehen verloren. Ich denke, das hat auch was mit der internen Organisationen und Auftreten bzw. Glaubwürdigkeit der Betriebsräte zutun. Aus diesem Grunde sehe ich die Stärkung der Betriebsräte etwas zwiespältig.

##Abschaffung des Eigentumsrechts - Geldsystem:
Von der Abschaffung der Eigentumsrechte halte ich nun überhaupt nichts. Das ist mit den westlichen Werten und Vorstellungen nicht in Einklang zu bringen. Ebenso halte ich die Vorstellungen, hinsichtlich des Geldsystems, wie Sie es beschrieben haben nicht reell.

Jedoch müsste das Bankensystem dahingehend (Stresstest) stabilisiert werden, damit wir nicht noch mal so eine skandalösen Untergang der Banken erleben müssen, wie es zuletzt in der Finanzkrise der Fall war.

##Eingriff der Politik:
Nein! Die Politik soll weder in die Wirtschaft eingreifen, Unternehmen kaufen oder Kreditzusagen machen. Das wäre absolut verkehrt. Die Politik sollte aber auch bei seinen Entscheidungen, keine Frühstücksvereinbarungen, fernab von Parlament und Abgeordneten, hinter dunklen verschlossenen Türen vornehmen. Jene Politiker, die nur im Sinne und Vorteil von Energie-, Finanz- und Pharmaunternehmen Entscheidungen treffen und ausschließlich von diesen Großkonzernen an der Nase herum führen lassen, werden über kurz oder lang unwiderrufliche soziale Missstände produzieren. Da bin ich entschieden dagegen.

##Bildung:
Das Thema Bildung ist mein Kernthema. Wenn ein Staat, nicht in der Lage ist, jene Fach- und Führungskräfte, die in diesem Land benötigt werden, mit ausreichenden Absolventen zu befriedigen, dann ist ein Armutszeugnis.

In Deutschland werden jährlich 40 Milliarden Euro zu wenig für die Bildung ausgegeben. Es ist einfach eine Schande, dass ein Unionspolitiker, noch vor einem Jahr, tatsächlich Kürzung an den Bildungsausgaben gefordert hat. Dass Bildungsskandal ist glaube ich bei jedem angekommen. Seit 1999 schneidet Deutschland bei dem PISA Ergebnissen schlecht ab. Man kann viel über Patriotismus philosophieren und mit populistische Slogans um sich herum Schmeißen, aber solange man das jetzige Bildungsproblem nicht anpackt und löst, wird man in 10 Jahren eine irreparable Situation erreicht haben.

Bildung in Deutschland wird wieder zunehmend ein Privileg der Oberschicht. Migrantenkinder haben vielfach einen ungünstigen Start in den Schulalltag. Niemandem ist geholfen, wenn man ausschließlich jene Gesellschaftsschichten als Sündenböcke deklariert, die am Wenigsten was gegen diese Miesere was sagen, tun und machen können. Die Forderungen hinsichtlich der Stärkung der Kindergärten, Investitionen in die frühkindliche Bildung stehen im Raume. Gerade in diesem Bereich gibt es viel zu tun. Meine Beweggründe und Engagement, in die Politik zu gehen, wenn ich gewählt werde mich mit einbringen zu wollen, resultieren überwiegend aus dieser Schieflage heraus. Ich habe auch kein Verständnis dafür, dass die Bildungsministerin dieses Landes, sich so sehr über die missglückte Schulreform in Hamburg freuen konnte. Ich frage mich: Was hat die Bildungsministerin in den letzten Jahren zum Wohle der Bildung und Bildungsproblemen eigentlich bewegen können? Wenn so wieso Bildungssache Ländersache ist und die Bildungsministerin ausschließlich Klientelpolitik betreibt, ja dann sollte man vielleicht dieses Ministerium ganz abschaffen.

2009 konnten 60.000 offene Ingenieursstellen nicht besetzt werden. Ebenso haben wir aktuell einen Lehrermangel von 45.000 insgesamt. Das diese Zahlen in 10 bis 15 Jahren an die bzw. über die 500.000 entwickeln wird, wurde vielfach in den Medien diskutiert.

Die Richtung der Bildungspolitik muss stark korrigiert und mehr in diesen Bereich investiert werden. Da ist noch ein Thema: Seit 2005 gibt es eine klare Tendenz. Akademiker und erfahrene Fachkräfte/ Akademiker mit Migrationshintergrund, verlassen zunehmend Deutschland. 2009 wurden in diesem Bereich 40.000 Akademiker mit Migrationshintergrund gezählt, die Deutschland verlassen haben. Mit einigen dieser Menschen wurden Interviews geführt und hierbei wurde vielfach als Grund, Chancenungleichheit und Unwägbarkeiten in den beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten deklariert.

Das ist keine gute Entwicklung für Deutschland.

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Malik Karabulut