Frage an Marcus Weinberg bezüglich Soziale Sicherung

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Marcus Weinberg
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Frage von Norbert R. •

Frage an Marcus Weinberg von Norbert R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Weinberg,

ich als Fachangestellter stelle bei jeder Gehaltserhöhung fest, wie leistungsfeindlich das deutsche Steuersystem mit der kalten Progression ist; wird doch schon bei einem Jahreseinkommen von knapp 54 T EUR der Spitzensteuersatz iHv 42% fällig.

Auch die private Rentenvorsorge und der Aufbau eines vernünftigen Kapitalstocks für`s Alter wird bei negativer Realverzinsung und 25% Abgeltungssteuer zzgl. Solizuschlag immer schwieriger.

Als würde man vom Staat nicht schon genug geschröpft, lese ich jetzt von Plänen, daß das Sparen zukünftig nicht mehr auf Basis der Abgeltungssteuer, sondern mit dem persönlichen Einkommensteuersatz belastet werden soll.

Generell habe ich nichts gegen die steuerliche Gleichbehandlung von Arbeit und Kapital. Dennoch sollte man die kalte Progression endlich beseitigen und das Sparen mit hohen Freibeträgen fördern.

Was kann man hier von der CDU erwarten?

Mit freundlichen Grüßen

N. R.
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CDU

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für Ihre Frage bei Abgeordnetenwatch. Der progressive Steuertarif in Deutschland von einem Eingangssatz von 14% bis zu einem Höchststeuersatz von 45% ist Ausfluss des Grundsatzes der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Ein progressiver Tarif hat zwingend die Eigenschaft, dass Einkommenserhöhungen einen Anstieg der durchschnittlichen Steuerbelastung bewirken. Dies ist als Ausfluss des Prinzips der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit auch richtig. Allerdings tritt dieses Ergebnis auch dann ein, wenn das zu versteuernde Einkommen nur im Umfang des Preisanstiegs / der Inflation erhöht wird, also das Realeinkommen letztlich unverändert geblieben ist.

Diese letztgenannten Effekte der kalten Progression sind in dieser Legislaturperiode aber nicht eingetreten. Noch in der vergangenen Legislaturperiode hat die unionsgeführte Koalition der Bundesregierung den Auftrag erteilt, künftig alle zwei Jahre einen Bericht zur Entwicklung der kalten Progression vorzulegen und dem Bundestag Vorschläge zu deren Beseitigung zu unterbreiten. Diese Berichte haben wir zum Anlass genommen, die festgestellte bzw. zu erwartende Inflation durch Verschiebung der sog. Tarifeckwerte für die Jahre 2014-2017 auszuschließen. So haben wir z. B. die Tarifeckwerte für 2017 um 0,73% und für 2018 um weitere 1,65% erhöht. Allein mit diesen Anpassungen entlasten wir die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis 2018 um fast 7 Mrd. €. Damit haben in diesen Jahren Einkommenssteigerungen in Höhe der Inflation nicht zu einer höheren Steuerbelastung geführt. Auch künftig werden wir uns den Steuerprogressionsbericht der Bundesregierung vorlegen lassen und die Steuerpflichtigen in der erforderlichen Höhe entlasten.

Im Übrigen haben wir insgesamt auch gerade Familien und Alleinerziehende durch weitere Maßnahmen (Stichwort: Kindergeld, Kinderfreibetrag oder Grundfreibetrag) nicht unwesentlich entlastet. Dies alles bedeutet aber nicht, dass es keiner weiteren Maßnahmen bedarf. Deshalb haben wir bereits als Unionsfraktion angekündigt, die sich abzeichnenden Überschüsse für weitere Entlastungen - insbesondere des Mittelstandes - in der nächsten Legislaturperiode verwenden zu wollen (Stichwort: Abbau des sog. Mittelstandsbauchs).

Eine Erhöhung der Kapitalertragsteuer ist nicht geplant. Allerdings stellt sich die Frage, ob es der abgeltenden Wirkung der Kapitalertragsteuer noch bedarf, wenn die bislang bestehenden Vollzugsdefizite bei der Erfassung von Kapitalertragsteuern nicht mehr bestehen und somit zur Individualbesteuerung zurückgekehrt werden könnte.

Vor mehr als 10 Jahren hat es gute Gründe für die Einführung der Abgeltungsteuer gegeben, weil sich viele Steuerzahler der Besteuerung von Kapitaleinkünften entziehen konnten. Da die Abgeltungsteuer an der Quelle ansetzt, ist sie weniger missbrauchsanfällig. Erst wenn die Voraussetzungen für einen gleichmäßigen Steuervollzug durch Einführung des Informationsaustausches vorliegen (was sich frühestens Ende 2018 zeigt, wenn die teilnehmenden Staaten den vereinbarten Informationsaustausch umgesetzt und in Vollzug gebracht haben), kann über die Zukunft der Abgeltungsteuer entschieden werden. Dann werden wir uns aber auch den bei Einführung der Abgeltungsteuer entfallenen Regelungen widmen müssen, um Doppelbesteuerungen - insbesondere bei Dividenden - zu vermeiden. Ins Auge müssen wir z. B. Freibeträge, Werbungskostenabzug und ein einfacheres Verfahren als Ersatz für das alte Halbeinkünfteverfahren nehmen, das großen bürokratischen Aufwand hervorgerufen hat.

Im Rahmen der Diskussion über die Abgeltungsteuer wird sich allerdings auch bei einer Beibehaltung der Abgeltungsteuer die Frage stellen, welchen Reformbedarf es ggf. gibt. In diesem Zusammenhang werden wir auch Überlegungen anstellen müssen, wie die niedrige Aktionärsquote von Privatanlegern erhöht werden kann. Ein Baustein könnte die Wiedereinführung der sog. Spekulationsfrist sein, deren Wegfall seit Einführung der Abgeltungsteuer ein Hemmnis für private Anleger ist, sich an den Aktienmärkten zu beteiligen und vernünftige Erträge zu erzielen. Gerade in Zeiten der Niedrigzinsphase sind aber breit aufgestellte Investments ein Baustein, um neben den etablierten Säulen der Altersvorsorge die Vermögensbildung über einen langen Zeitraum zu ermöglichen.

Es geht uns also nicht um eine höhere, sondern im Gegenteil um eine zukunftssichere Ausgestaltung der Besteuerung, die auch Aspekte der Niedrigzinsphase und der Stärkung der Altersvorsorge enthält.

Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg