Frage an Maria Klein-Schmeink bezüglich Gesundheit

Maria Klein-Schmeink
Maria Klein-Schmeink
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Heribert K. •

Frage an Maria Klein-Schmeink von Heribert K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Klein-Schmeink,

ich habe hier mehrere Fragenkomplexe und würde mich freuen, wenn Sie mir hier weiterhelfen könnten:

A) Es bestehen Rücklagen in den GKVen + Gesundheitsfonds von 19,5 Mrd €. Bei einem Beitragsaufkommen von 169 Mrd € + Zuschüssen des Bundes von rd. 15 Mrd € = 184 Mrd € entspricht die Rücklage 11% der Beitragseinnahmen. Rechnerisch hätten also 71 Mio Beitragszahler (=85 % der Bevölkerung) - JEDER- ca. 300 € überzahlt, was 25 € im Monat entspricht. Angesichts dieser Rücklagen - und seit Jahren regelmäßig erwirtschaften Überschüssen - wie stehen die Grünen zur Abschaffung der Praxisgebühr?

B) Der § 305b SGB V wird geändert. Warum soll die Bilanzierung nach SGB und nicht nach HGB erfolgen? Jede Würstchenbude in Rechtsform einer GmbH muss nach HGB bilanzieren und veröffentlichen. Was soll hier versteckt werden und warum? Sollen die Pensionsrückstellungen analog dem BilMoG bilanziert werden? Wer testiert die Jahresabschlüsse?

C) Wie kann ich mich bis zu geplanten Änderung des 305 b SGB V informieren, ob es meiner Kasse "gut" geht (wegen 3-jähriger Bindefrist bei Wahltarif u. Gefahr v. Beitragszuzahlungen) und welches Eigenkapital sie hat?

D) In welchem Umfang fallen Verwaltungskosten für nicht ärztliche Leistungen (außerhalb der GKVen) an, z.B. um Rückfragen GKVen für Verordnungen zu beantworten oder um Leistungen zu dokumentieren? Gibt es hier Erhebungen?

E ) Nach den vorläufigen Rechnungsergebnissen der GKVen vom BMG für 2011 beliefen sich die Beiträge der ALG II-Empfänger auf rund 4,4 Mrd Euro. Von wem wurden diese Beiträge geleistet? Wie partizipieren die nicht ges. Versicherten (z.B. Beamte) an den Zahlungen? Wird der Bund sich künftig (weiter?) an den Beitragszahlungen für ALG II-Bezieher beteiligen und in welchem Umfang?

F) Ließe sich die Solidarität der Organspender nicht durch Zuschuss für Beerdigungskosten oder durch Beitragssenkungen belohnen?

Ich danke Ihnen für die Beantwortung meiner Fragen.

Heribert Karsch

Maria Klein-Schmeink
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Karsch,

vielen Dank für ihre detaillierten Fragen zu den Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), auf die ich im folgenden einzeln eingehen möchte:

1): Die Krankenkassen sind zu Recht keine Sparkassen; vielmehr haben sie eine definierte Liquiditätsreserve, die aber längst überschritten ist. Darum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, in die Diskussion über die Abschaffung der Praxisgebühr einzusteigen. Die derzeit gute Finanzsituation der GKV ist nur temporär und keinesfalls nachhaltig. Die Auswirkungen der Beitragssatzanhebung um 0,6 Prozentpunkte zum Jahresbeginn 2010 und der befristeten Ausgabenkürzungen im Arzneimittel- und Krankenhausbereich werden den Trend zu Beitragssteigerungen in der GKV ebenso wenig dauerhaft brechen können wie der vorübergehende Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass selbst im laufenden Jahr, in dem die Arbeitslosigkeit unterhalb der 3-Millionen-Grenze liegt und deutliche Tarifsteigerungen erwartet werden, die prognostizierte Grundlohnrate – also der Prozentsatz, um den die Summe der beitragspflichtigen Einkommen voraussichtlich steigen wird – unterhalb der Inflationsrate liegt. Auf diese Strukturprobleme der GKV antwortet die Koalition mit einem Abbau der Solidarität. Sie will, dass künftige Ausgabensteigerungen oberhalb der Grundlohnrate nicht über die Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes, sondern über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge alleine von den Versicherten finanziert werden. Zu diesem Zweck hat sie den Beitragssatz gesetzlich auf 15,5 Prozent festgeschrieben und die bis dahin geltende Begrenzung der Zusatzbeiträge (nicht höher als 1 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens eines Versicherten, in der Summe nicht mehr als 5 Prozent der Beitragseinnahmen der GKV) aufgehoben. Diesen Irrweg gilt es zu verlassen. Wir haben die Bundesregierung deshalb aufgefordert, die pauschalen, alleine von den Versicherten zu zahlenden Zusatzbeiträge ebenso wie die Praxisgebühr abzuschaffen und die Beitragssatzautonomie der Krankenkassen wieder herzustellen.

2): Für die Krankenkassen gelten - als Körperschaften des öffentlichen Rechts - sowohl die Grundsätze des für den Bund und die Länder geltenden Haushaltsrechts als auch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nach dem HGB. Um die Veröffentlichung der Jahresabschlüsse in einer einheitlichen und verständlichen Form zu gewährleisten wurde § 305b SGB V angepasst. Altersversorgungsrückstellungen müssen seit 2010 bei den Krankenkassen gebildet werden, da die Haftung der Länder für diese Verpflichtungen entfallen ist. Für den Aufbau der Rückstellungen, die bereits vor 2010 ihren Ursprung haben, wurde eine Übergansfrist geschaffen. Damit wurde eine plötzliche Überschuldung des gesamten Systems der gesetzlichen Krankenversicherung vermieden. Bereits vor 2010 konnten Altersversorgungsrückstellungen auf freiwilliger Basis gebildet werden. Die Jahresrechnung einer Krankenkasse ist von einem Wirtschaftsprüfer oder einem vereidigten Buchprüfer zu prüfen und zu testieren.

3): Grundsätzlich besteht für Mitglieder und Interessierte die Möglichkeit, bei gesetzlichen Krankenkassen zu Themen der Finanzierung anzufragen (z. B. nach den Finanzergebnissen der Krankenkasse). Ausgewählte gesetzliche Krankenkassen veröffentlichen bereits heute Geschäfts- und Finanzberichte als Broschüren oder auf ihren Internetseiten. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, über zahlreiche Informationsplattformen im Internet oder durch Veröffentlichungen Dritter Krankenkassen zu vergleichen (z.B. finanztest). Die Satzungen der Krankenkassen enthalten Aussagen über Wahltarife, Satzungs- und Ermessensleistungen, Zusatzbeiträge und Prämien. Um sich über die Finanzsituation der Kassenart einer Krankenkasse zu informieren, kann auch auf Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit zurückgegriffen werden. Eine Vorhersage zur Finanzentwicklung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung über einen Horizont von 3 Jahren ist auf Grund häufig angepasster Rahmenbedingungen grundsätzlich problematisch. Dies wird sich auch durch die neue gesetzliche Regelung des § 305b SGB V ab dem Jahr 2014 nicht ändern.

4): Hier ist mir nicht ganz klar, worauf die Frage abzielt. Aussagen zu Verwaltungsausgaben, die außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) anfallen, auch wenn diese durch die Zusammenarbeit mit der GKV induziert sind, liegen uns nicht vor. Gegebenenfalls wäre hier die Leistungserbringerseite (z.B. die Krankenhäuser) zu befragen.

5): Die Bundesanstalt für Arbeit zahlt die Beiträge. Und da Arbeitslosengeld II eine Sozialleistung und somit steuerfinanziert ist, tragen auch Beamte und Beamtinnen dazu bei.

6): Die Entscheidung pro oder contra Organspende sollte frei erfolgen - auch ohne finanzielle Anreize für die Erben und Erbinnen.

Mit freundlichen Grüßen,
Maria Klein-Schmeink

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