Frage an Martina Bunge bezüglich Gesundheit

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Martina Bunge
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Frage von Sandro S. •

Frage an Martina Bunge von Sandro S. bezüglich Gesundheit

Vom 21. bis 23. Juli hat im Bayerischen Landtag in München ein Schülerparlament zum Thema: “Hirnforschung: Eine Debatte um die Grenzen und Möglichkeiten der Wissenschaft” stattgefunden. Dort haben sich 100 Oberstufenschüler aus Bayern an 3 Tagen intensiv mit Fragen rund um das Thema auseinandergesetzt, in Arbeitsgruppen Experten befragt und Thesen entwickelt. Diese Thesen wurden schließlich im Plenum diskutiert und im parlamentarischen Verfahren verabschiedet.

In der Arbeitsgruppe zum Thema: "Die Leistungsgesellschaft der Zukunft: Kein Erfolg ohne Droge? Psychopharmaka steigern die Leistungsfähigkeit von Menschen. Welche Regeln sollten gelten, die weder neue Medikamente dämonisieren noch die Gesundheit aller in einem ruinösen Wettbewerb gefährden?" wurden dabei folgende Forderungen verabschiedet:
Wir fordern:
1. Die Einnahme von Medikamenten, die die geistige Leistungsfähigkeit erhöhen, ohne dass eine entsprechende Krankheit vorliegt, ist unabhängig vom Berufsstand illegal. Dies gilt auch für den Fall, dass die Medikamente weiterentwickelt werden und kaum Nebenwirkungen mehr aufweisen.
2. Die Krankheit wird mit Hilfe einheitlicher Tests durch Fachärzte, die eine zusätzliche Qualifikation in diesem Bereich erworben haben, diagnostiziert, um vor Missbrauch und leichtfertiger Verschreibung zu schützen.
3. Zur Prävention soll in Bildungseinrichtungen und in der Öffentlichkeit durch Experten umfassend über die Risiken und Nebenwirkungen des Medikamenten-missbrauchs aufgeklärt werden.
4. Die psychologische Betreuung der Betroffenen soll ausgebaut werden.
5. Die Sammlung von verlässlichen empirischen Daten bezüglich der Wirkung und möglichen Nebenwirkungen von Psychopharmaka soll erweitert werden.
6. Die Erforschung und Entwicklung von Psychopharmaka soll zu Heilungszwecken weiter vorangetrieben werden.
Es wäre schön, wenn Sie als Ausschussvorsitzende ein kurzes Statement zu den Forderungen der Schüler abgeben könnten.

MfG Sandro Schott von Wissenschaft im Dialog GmbH

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Schott,

vielen Dank für Ihre Fragen.

Zunächst einmal vorweg: Ich bin zwar Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, aber ich möchte hier nicht in meiner Funktion als Vorsitzende antworten. Diese Funktion verpflichtet mich zu Neutralität. Bei Abgeordnetenwatch.de geht es aber gerade darum zu erfahren, wie die Abgeordneten zu bestimmten Fragen stehen. Daher antworte ich Ihnen als Abgeordnete und Mitglied der Fraktion DIE LINKE.

Ich finde die Schülerinnen und Schüler haben mit dem Thema Doping am Arbeitsplatz ein sehr spannendes und zunehmend wichtiges Thema debattiert.

Meine Antworten auf Ihre Fragen:

1. Die Einnahme von Medikamenten, die die geistige Leistungsfähigkeit erhöhen, ohne dass eine entsprechende Krankheit vorliegt, ist unabhängig vom Berufsstand illegal. Dies gilt auch für den Fall, dass die Medikamente weiterentwickelt werden und kaum Nebenwirkungen mehr aufweisen.

Ich bin natürlich grundsätzlich gegen die Einnahme von Medikamenten zur Förderung geistigen Leistungsfähigkeit (mich wundert etwas, dass die körperliche Leistungsfähigkeit außer Acht gelassen wurde). Aber ich gebe auch zu bedenken: Wer soll dies kontrollieren? Soll es also zukünftig Dopingtests in Firmen geben? Sind mit Medikamenten nur rezeptpflichtige Arzneien gemeint? Bei diesen sollte so oder so eine ärztliche Diagnose vorliegen. Oder sind auch andere Naturstoffe, wie Lecithin, Ginkgo, Ginseng oder rezeptfreie Arzneien gemeint?

2. Die Krankheit wird mit Hilfe einheitlicher Tests durch Fachärzte, die eine zusätzliche Qualifikation in diesem Bereich erworben haben, diagnostiziert, um vor Missbrauch und leichtfertiger Verschreibung zu schützen.

Grundsätzlich werden alle verschreibungspflichtigen Arzneien von Ärztinnen und Ärzten verschrieben, die etwas von ihrem Beruf verstehen sollten. Ich denke, es ist nicht sinnvoll einen neuen Facharzt - für alle Krankheiten, bei denen leistungssteigernde Arzneien zum Einsatz kommen - zu schaffen. Wenn Ärztinnen und Ärzte Arzneien verschreiben, obwohl diese nicht angezeigt oder nicht notwendig sind, verstoßen sie gegen die Berufsordnung und bei negativen Folgen gegen das Gesetz. Ein großer Teil der Substanzen wird ohne Rezept über das Internet oder Freunde bezogen. Hier würde der Vorschlag auch nicht greifen.

3. Zur Prävention soll in Bildungseinrichtungen und in der Öffentlichkeit durch Experten umfassend über die Risiken und Nebenwirkungen des Medikamentenmissbrauchs aufgeklärt werden.

Ich denke, es ist richtig und selbstverständlich, dass über die Folgen von Medikamenteneinnahmen informiert wird. Allerdings glaube ich auch, dass die meisten Konsumenten sich der möglichen Gefahren durchaus bewusst sind. Häufig werden leistungssteigernde Arzneien von Akademikern konsumiert.

Eine bessere Prävention müsste daher von zwei Seiten ansetzen:

a. Die Einnahme leistungssteigernder Stoffe für die Arbeit ist oft dadurch begründet, dass die Menschen glauben, ihre Arbeit nicht zu vollster Zufriedenheit erledigen zu können. Sie befürchten, dadurch ihren Job zu verlieren oder den Aufstieg zu verpassen. Der extreme Leistungsdruck bedingt durch immer höhere Anforderungen bei gleichzeitig immer unsicherer werdenden Arbeitsbedingungen treibt die Menschen dazu, sich aufzuputschen und macht krank. Hinzu kommt der totale Absturz seit Hartz IV. Arbeitslose verlieren nach längstens einem Jahr nicht nur ihr Einkommen, sondern auch ihr Vermögen und müssen evtl. bei Null anfangen. Auch dadurch herrscht in der Arbeitswelt oft Angst und Konkurrenz. Um den Medikamentenmissbrauch vorzubeugen, müssen wir die Arbeits- und Lebensbedingungen verändern. Arbeit muss sich am Menschen orientieren, auf ihn zugeschnitten werden, seinen Bedürfnissen entgegen kommen. Menschen sind keine Maschinen. Und wir brauchen eine soziale Sicherung, die den Menschen die Angst vor dem Absturz nimmt.

b. Wir müssen die Menschen fördern, ihr Selbstbewusstsein stärken. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen lernen, Grenzen zu setzen, sich in der Arbeit wahrzunehmen und ihre Bedürfnisse einzufordern.

4. Die psychologische Betreuung der Betroffenen soll ausgebaut werden.

Wer sind denn die Betroffenen? Oft nehmen sich die Menschen, die Aufputschmittel nehmen, gar nicht als Betroffene wahr. Daher muss erst einmal ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die Einnahme von leistungssteigernden Medikamenten eine Reaktion auf Angst und Stress ist. Dieser Stress muss zuerst wahrgenommen werden. Dann müssen Lösungen gefunden werden, den Stress zu vermeiden. Unterstützung muss dabei ansetzen bevor Medikamente genommen werden. Und letztlich leiden nicht nur die Konsumenten von solchen Arzneien. Dies ist nur eine Reaktion auf die Herausforderungen durch die Arbeits- und Lebenswelt. Andere werden krank, rauchen, trinken oder sterben. Die psychologische Betreuung geht zu sehr davon aus, dass die Einnahme von Medikamenten oder Drogen das persönliche Problem der Konsumenten sei. Sie kann daher nur eine Maßnahme unter vielen sein.

5. Die Sammlung von verlässlichen empirischen Daten bezüglich der
Wirkung und möglichen Nebenwirkungen von Psychopharmaka soll erweitert
werden.

Gegen die Erhebung empirischer Daten ist nichts einzuwenden. Dies löst nur keine Probleme. Es nützt wenig, wenn die Gefahren von Psychopharmaka besser bekannt sind, wenn den Menschen keine alternativen Handlungsoptionen offen stehen. Wie soll der Filialleiter mit den Anforderungen umgehen, wenn er keine Drogen mehr nimmt? Und nimmt er keine mehr, wenn die Gefahren besser bekannt sind? Für ihn ist das Risiko seine Arbeit nicht erledigen zu können, seine Arbeit zu verlieren, viel näher und bedrohlicher als vielleicht eine Krankheit zu bekommen.

6. Die Erforschung und Entwicklung von Psychopharmaka soll zu
Heilungszwecken weiter vorangetrieben werden.

Die Entwicklung von Medikamenten, um Menschen zu helfen muss und wird weiter vorangetrieben. Aber gerade die psychischen Erkrankungen nehmen in den letzten Jahrzehnten stark zu. Hier dürfen wir nicht nur auf Medikamente zurückgreifen, sondern wir brauchen Gesundheitsförderung und Prävention und eine gesundheitsförderliche Gesamtpolitik. Meine Fraktion DIE LINKE hat dies in ihrem Antrag für ein Präventionsgesetz und zur Gesundheits- und Pflegeabsicherung gefordert ( http://dokumente.linksfraktion.net/drucksachen/7774008663_1607471.pdf ; http://dokumente.linksfraktion.net/drucksachen/7727698195_1612846.pdf ). Die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen gehört ins Zentrum von Politik.

Doping am Arbeitsplatz ist ein komplexes Thema. Ich hoffe, meine Ausführungen zeigen dies ein wenig auf.

Mit freundlichen Grüßen

Martina Bunge