Frage an Matthias Lewin bezüglich Soziale Sicherung

Portrait von Matthias Lewin
Matthias Lewin
Bündnis 90/Die Grünen
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Matthias Lewin zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Florian H. •

Frage an Matthias Lewin von Florian H. bezüglich Soziale Sicherung

Hallo,

da ich selbst Schwerbehindert bin, bin ich natürlich an diesem Thema sehr interessiert.
Also gibt es bei Ihnen im Wahlprogramm einem Punkt, der das Leben in der Gesellschaft für Schwerbehinderte verändern bzw. erleichtern werden?

Mit freundlichen Grüßen,

Florian Hein

Portrait von Matthias Lewin
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Herr Hein,

gerne beantworte ich Ihre Frage.

Allerdings ist die Sozialpolitik nicht mein Spezialthema, die Grünen haben hierzu aber einen umfangreichen Programmschwerpunkt. Den kann ich Ihnen hiermit gerne liefern. Sie sind aus Hofheim, der Name Hein deutet auf Rügheim hin. Ich empfehle Ihnen, sich mit unserer Bezirkstags-Kandidatin Katrin Müller aus Rügheim in Verbindung zu setzen. Immerhin ist dieses Thema auch ein Thema des Bezirkstages.

bis dahin und mit den besten Wünschen
Matthias Lewin

Ich kann Ihnen versichern, dass für uns die INKLUSION weitaus wichtiger ist als die Integration.

Unser Inklusionsbereich in Kurzform:

Wir stehen für eine inklusive Gesellschaft: Menschen mit Behinderungen
werden in unserer Politik von „Objekten der Fürsorge“ zu Subjekten
der Teilhabe. Dafür werden wir die notwendigen Maßnahmen
in einem bayerischen Aktionsplan zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention
der Vereinten Nationen bündeln. Dazu gehört die
Weiterentwicklung und Stärkung des Landesbehindertenrates zu einem
Bayerischen Inklusionsrat und die konsequente Durchsetzung
der Pflicht zum barrierefreien Bauen in der Bayerischen Bauordnung.
Auch und gerade in der Bildungspolitik werden wir weiterhin offensiv
vorangehen: Schulische Inklusion ist eine pädagogische Herausforderung
auf hohem Niveau, dafür müssen die Ressourcen von Anfang
an stimmen. Deshalb ist Inklusion ein Schwerpunkt unseres Bildungshaushalts
für mehr LehrerInnen-Stellen. Bei den zusätzlichen Kosten
für Schulbau, Schulumbau und SchülerInnen-Beförderung werden wir
die Kommunen finanziell unterstützen.

Die llängere Version:

Wir GRÜNE stehen für eine inklusive Gesellschaft und eine Politik, in der
Starke und Schwache, Arme und Reiche, Junge und SeniorInnen zufrieden
in einer Gesellschaft leben und diese zusammenhalten. Viele der sozialen
und gesundheitlichen Probleme in unserer Gesellschaft sind auch Folge von
Armut oder prekären Lebenssituationen. Wir treten für eine inklusive Gesellschaft
ein und für eine Politik, in der Vielfalt, Teilhabe und Selbstbestimmung
erwünscht sind und nicht behindert werden. Die auf gemeinsame
Lösungen statt auf Egoismus setzt.
Im März 2009 trat in Deutschland mit der Zustimmung aller politischen
Parteien die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Für Menschen mit
Behinderungen ist sie ein Meilenstein im Kampf gegen Diskriminierung
und Ausgrenzung. Die UN-Konvention garantiert ihnen das Recht auf volle
Selbstbestimmung und umfassende, gleichberechtigte Teilhabe an der
Gesellschaft. Sie verlangt von allen beigetretenen Staaten die Entwicklung
zu einer inklusiven Gesellschaft, in der gerade die Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit
aller Menschen nicht nur geschützt und respektiert, sondern
geschätzt und gefördert wird. Eine neue Qualität schafft das zukunftsweisende
Verständnis von Behinderung: Sie wird nicht mehr als medizinisches
Defizit, sondern als ein soziales Verhältnis betrachtet: Behinderung entsteht
erst, wenn ein Mensch mit körperlichen, seelischen oder geistigen
Einschränkungen durch unterschiedliche Barrieren an der Wahrnehmung
seiner Rechte und der Möglichkeit auf Teilhabe gehindert wird. Die Umsetzung
der UN-Konvention hat vor Ort begonnen.
Der Handlungsbedarf in Bayern ist enorm. Wir werden deshalb nicht nur
das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz auf seine Vereinbarkeit
mit der UN-Konvention überprüfen, sondern auch einen eigenen bayerischen
Aktionsplan zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention aufstellen.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass endlich wirklich soziale Teilhabe
von Menschen mit Behinderung in unserem Land Einzug hält.
Den Landesbehindertenrat werden wir weiterentwickeln zu einem Bayerischen
Inklusionsrat, mit eigener Geschäftsstelle und eigenem Etat. Als
schlagkräftige politische Interessensvertretung für Menschen mit einer Behinderung
wird der Inklusionsrat an der Umsetzung der Konvention beteiligt
werden. Eine unabhängige Anlauf- und Monitoringstelle werden wir
einrichten, damit diese in Bayern die Fortschritte bei der Umsetzung der
Inklusion überwachen und kontrollieren kann.
Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft:
Die volle und wirksame Teilhabe von Menschen mit Behinderung
an der Gesellschaft gehört zu den wichtigsten Grundsätzen der UN-Behindertenrechtskonvention.
Menschen mit Einschränkungen müssen dazu
in die Lage versetzt werden, ihr Leben möglichst selbstbestimmt zu gestalten.
Dies erfordert einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der
bisher primär auf Fürsorge ausgerichteten Behindertenpolitik. Menschen
mit Behinderung müssen von „Objekten der Fürsorge“ zu Subjekten der
Teilhabe werden.
Aktive Teilhabe und ein unabhängiges Leben erfordern die Weiterentwicklung
der Leistungsstrukturen und Hilfsangebote für Menschen mit Behinderungen.
Nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ muss insbesondere
das vorhandene Ungleichgewicht zwischen ambulanten und stationären
Angeboten behoben werden. Ambulante und stationäre Dienste sollten besser
verzahnt und die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Leistungsformen
erhöht werden. Menschen mit Behinderungen brauchen ein tatsächliches
Wunsch- und Wahlrecht in Bezug auf Leistungsformen, Leistungsorte
und Leistungsanbieter. Durch eine deutliche Ausweitung der Leistungsform
des „Persönlichen Budgets“ soll die Selbstbestimmung von Menschen mit
Behinderung wirkungsvoll gefördert werden. Menschen mit Behinderung
entscheiden selbst, welche Leistung sie von welchem Träger in Anspruch
nehmen. Das bedeutet, dass eine echte Wahl möglich wird zwischen Regelund
Fördereinrichtung, die bereits einem inklusiven Konzept folgen.
Recht auf Bildung und Arbeit: Wir möchten gemeinsame Kindertagesstätten
und Schulen für alle Kinder in Bayern. Wir schließen keine Schülerinnen
und Schüler mit Förderbedarf aus dem Regelschulsystem aus. Darum werden
wir für die bedarfsgerechte Ausstattung aller Bildungseinrichtungen zugunsten
des gemeinsamen Lernens sorgen. Damit nach der Schule der Weg
in den Arbeitsmarkt funktioniert, werden wir die individuelle Unterstützung
am Übergang von der Schule in den allgemeinen Arbeitsmarkt, unabhängig
von der Schwere der Behinderung, weiter ausbauen. Ebenso unterstützen
wir Programme zum Ausbau von Beschäftigungsmöglichkeiten auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Durch dauerhafte Nachteilsausgleiche für
Arbeitnehmer und durch Minderleistungsausgleiche für Arbeitgeber, wollen
wir zusätzliche Anreize zur Beschäftigung behinderter Menschen schaffen.
Vor dem Hintergrund der UN-Konvention müssen Werkstätten für Menschen
mit Behinderung ihre Rolle und Funktion im System der Teilhabe
am Arbeitsleben grundsätzlich verändern: Der Übergang von der Werkstatt
auf den allgemeinen Arbeitsmarkt muss durch entsprechende Förderprogramme
dringend verbessert werden, auch muss eine bessere Verknüpfung
der Werkstätten mit dem regulären Arbeitsmarkt erfolgen. Hierzu wird
das Finanzierungssystem der Werkstätten überprüft, damit ein sinnvoller
Werkstattbetrieb nicht dem Ziel der „Ausgliederung“ in den allgemeinen
Arbeitsmarkt entgegensteht. Von Anfang an wird die Teilhabe am Arbeitsmarkt
angestrebt und versucht. Außerdem sollen die Werkstätten ein Angebot
an ausgelagerten, betriebsintegrierten Arbeitsplätzen anbieten. Dabei muss immer wieder überprüft werden, ob eine vollständige Teilhabe mit
Arbeitsvertrag erreichbar ist. Außenarbeitsplätze leisten einen wichtigen
Beitrag zur beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderung auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt. Menschen mit besonders hohem Hilfebedarf,
die bisher in Tagesförderstätten betreut werden, müssen eine Möglichkeit
zu beruflicher Bildung bekommen. Dafür sind Modellprojekte, vergleichbar
dem „Feinwerk“ in Hamburg, auch im Freistaat Bayern zu schaffen. Die
Werkstätten werden in Zukunft nicht mehr die zentrale Rolle im System der
Teilhabe am Arbeitsleben spielen. Das Netz an Integrationsbetrieben und
Integrationsprojekten muss dringend weiter ausgebaut werden.
Recht auf selbstbestimmtes Wohnen: Die UN-Behindertenrechtskonvention
formuliert einen Rechtsanspruch auf eine unabhängige Lebensführung.
Menschen mit Behinderung dürfen ihren Aufenthaltsort frei wählen und
selbst entscheiden, wo und mit wem sie leben wollen. Sie sind nicht dazu
verpflichtet in besonderen Wohnformen zu leben. Wir werden deshalb ein
Moratorium für den Neubau stationärer Einrichtungen für Menschen mit
Behinderung erklären und mehr Mittel für den Ausbau alternativer Wohnformen
und ambulanter Betreuungsangebote bereitstellen.
Selbstbestimmtes Wohnen erfordert zudem einen Ausbau niedrigschwelliger
Unterstützungsangebote wie Beratungs- und Begegnungsmöglichkeiten,
Krisendienste, wohnprojektgebundene Hilfen, mobile Hausmeisterdienste
und Haushaltshilfen, persönliche Assistenz sowie eine barrierefrei nutzbare
gemeindliche Infrastruktur für Menschen mit Behinderung.
Barrierefreiheit - im 21. Jahrhundert ein Muss: Wir werden die Vorgaben
der Bayerischen Bauordnung im Hinblick auf die Verpflichtung zur Barrierefreiheit
mit wirkungsvollen konkreten Sanktionsinstrumenten erweitern.
Wir brauchen einen flächendeckenden Ausbau barrierefreier Wohnmöglichkeiten,
denn Barrierefreiheit ist die Grundvoraussetzung für eine wirkliche
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderung
und kommt allen Menschen zugute. Wir setzen uns dafür ein, dass schon
im Architekturstudium das Thema Barrierefreiheit ein wichtiges Thema der
Ausbildung wird. Barrierefreies Bauen ist auch im Zuge des demografischen
Wandels ein Muss. Ein altersgerechter Umbau der Wohnungen muss erfolgen.
Davon profitieren nicht nur Menschen mit Behinderung und ältere
Menschen, barrierearme oder barrierefreie Wohnungen nutzen auch Familien
mit kleinen Kindern sowie bewegungseingeschränkten Menschen.
Für die öffentlichen und kulturellen Einrichtungen und Verkehrsmittel in
Bayern setzen wir ein Programm auf, damit auch dort die bauliche Barrierefreiheit
umgesetzt wird. Gleichzeitig fördern wir die Barrierefreiheit im Internet
und in Medien - umfassender barrierefreier Zugang zu Informationsund
Kommunikationsmittel ist im 21. Jahrhundert ein Muss.
Betreuung und Betreuungsrecht: Wir GRÜNE möchten flächendeckende
individuelle und differenzierte Versorgungs- und Unterstützungsangebote -
auch für psychisch beeinträchtigte und ältere Menschen, denn die Zahl der
Menschen, die in stationären Einrichtungen wie Heimen und Werkstätten
betreut werden, wird in den kommenden Jahren weiter anwachsen. Besonders
für ältere und psychisch beeinträchtige Menschen gilt in der Regel
die stationäre Versorgung immer noch als alternativlos. Sie führt zu oft in
Entmündigung und rechtliche Betreuung. Wir setzen uns für bedarfsgerechte
ambulante Betreuungsangebote bei Pflegebedürftigkeit ein und für eine
Reform des Betreuungsrechts, die die Vorgabe der UN-Konvention erfüllt.

mit natürlichen, erneuerbaren und strahlungsfreien Grüßen

Matthias Lewin
Bündnis 90/Die Grünen
Pressesprecher Bezirksverband Unterfranken
Vorstandsmitglied Kreisverband Haßberge
Direktkandidat zur Landtagswahl 2013

www.malegruen.de
https://twitter.com/malegruen