Frage an Max Stadler bezüglich Innere Sicherheit

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Frage an Max Stadler von Christoph K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Dr. Stadler,

ich habe eine Frage zur Einstufung von Informationen als Verschlusssache. Mir geht es dabei vornehmlich um die Frage der Transparenz des Entscheidungsprozesses (d.h. welche Akteure daran beteiligt sind) und der Kontrollmöglichkeit dieser Entscheidungen. Da der betroffene Bereich hochsensibel ist, befinden wir uns in einem Spannungsverhältnis zwischen Rechenschaftspflicht, die nicht zuletzt seit der Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes auch juristisch untermauert ist, und der Nationalen Sicherheit.

Zunächst: Welche staatliche Instanz klassifiziert die Informationen und gibt es eine Instanz, die diese bei Bedenken seitens der Öffentlichkeit kontrolliert, um politische Einflussnahmen zu vermeiden?

Trotz möglichst objektiver Kriterien unterliegt jede Entscheidung einem gewissen Ermessensspielraum, der zu Fehlern führen kann oder aber auch missbraucht werden kann. Wie kann ein deutscher Bürger sicher sein, dass wirklich nur diese Informationen als Verschlusssache eingestuft werden, die diesen Status erfordern und es nicht dazu kommt, dass Informationen aufgrund von politischer Einflussnahme vorenthalten werden, die sonst vielleicht Verletzungen gegen unseren Rechtsstaat offenlegen würden?

Als Beispiel würde ich gerne den Fall des britischen Rüstungskonzerns BAE-Systems in Großbritannien heranziehen. Dabei wurden Korruptionsuntersuchungen gegen das saudische Königshaus mit der Begründung eingestellt, die Nationale Sicherheit sei dadurch gefährdet. Ich nehme an, dass Sie mit dem Fall vertraut sind.

Daraus ergeben sich für mich folgende weitere Fragen: Welche Rechtswege stehen einem Bürger in Deutschland offen, wenn er eine Einstufung als Verschlusssache in Zweifel zieht? Gibt es auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene eine rechtsgültige Definition von Nationaler Sicherheit, die den Einstieg für einen solchen Rechtsweg ermöglicht?

Mit freundlichen Grüßen
Christoph Kowalewski

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Sehr geehrter Herr Kowalewski,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Verschlusssachen“.

Gerne gehe ich im Folgenden darauf ein.

Grundsätzlich entscheidet die herausgebende Stelle selbst, ob eine Akte eine Verschlusssache ist. Dieses Prinzip ist sinnvoll, da gerade keine Einsichtnahme durch aussenstehende Stellen bzw. Personen erfolgen soll. Der Staat will und kann damit seine besonders sensiblen Interessen schützen.

Gleichzeitig muss ich leider aus meiner Erfahrung im ersten Untersuchungsausschuss, dem sogenannten BND-Untersuchungsausschuss, sagen, dass Ihre Bedenken, dass staatliche Stellen diese Möglichkeit über Gebühr strapazieren, nicht unberechtigt sind. Wir - insbesondere Oppositionspolitiker - mussten feststellen, dass uns Informationen durch die Bundesregierung nicht oder nur in vollkommen unzureichendem Maße zur Verfügung gestellt worden sind mit dem Hinweis, dass etwa Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland dem entgegenstünden. Ein besonders eindringliches Beispiel für mich sind geschwärzte Zeitungsartikel gewesen.

Die Oppositionsfraktionen haben nicht zuletzt aus diesem Grund Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht: mit großem juristischen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass durch pauschale Informationsverweigerung der Bundesregierung das Informationsrecht des Parlaments und damit das Grundgesetz verletzt worden ist.

Leider hat sich dieser Erfolg nicht im weiteren Verfahren niedergeschlagen, da sich die Regierungsfraktionen einer Weiterführung der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses widersetzt haben. Aus unserer Sicht hätten nun endlich die angeforderten Informationen nach Aushändigung ausgewertet werden können, und vielleicht hätten sich daraus neue Schlussfolgerungen ergeben.

Auch im Innenausschuss haben wir oftmals eine sehr zurückhaltende Informationspolitik der Bundesregierung erlebt. Sobald Geheimdienste in irgendeiner Weise im Spiel waren, wurden Auskünfte mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums verweigert. Aber selbstverständlich muss der Innenausschuss im Rahmen seiner Zuständigkeit informiert werden; das Kontrollgremium dient, wie der Name schon sagt, ausschließlich der Kontrolle der Tätigkeit der Nachrichtendienste.

Das von Ihnen angesprochene Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sieht die Möglichkeit der Verwehrung des Informationszugangs in § 3 vor, wenn besondere öffentliche Belange zu schützen sind. Diese liegen danach unter anderem vor, wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Sollte der Antrag auf Informationszugang eines Bürgers abgelehnt worden sein, kann dieser nach § 9 IFG zunächst Widerspruch und schließlich Verpflichtungsklage einreichen, um seinen Anspruch durchzusetzen.

Eine einheitliche, verbindliche Definition der „Nationalen Sicherheit“ als Rechtsbegriff gibt es nicht. Einerseits gebe ich Ihnen recht, dass dies für die Rechtsdurchsetzung wünschenswert wäre; gleichzeitig ist dies aber einfach der Realität geschuldet: die nationale Sicherheit ist einer gewissen Dynamik und ständigen Entwicklung unterworfen und entzieht sich daher einer abschließenden Definition. Was selbstverständlich nicht bedeutet, dass dieser Begriff im Einzelfall jeweils von den Gerichten nicht herangezogen und ausgelegt werden könnte.

Mit freundlichen Grüßen

Max Stadler