Frage an Michael Groß bezüglich Gesundheit

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Michael Groß
SPD
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Frage von Helge G. •

Frage an Michael Groß von Helge G. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Groß!

Wie wollen Sie und Ihre Partei die Pflegelandschaft in Deutschland an die im europäischen Umfeld durchschnittlichen besseren Qualifikationen und Arbeitsbedingungen anpassen (Aktuell isoliert sich Deutschland durch Zugangsvoraussetzungen und Berufsabschlüsse in der Pflege).
Und wenn Sie sich in Ihrer Antwort auf das Eckpunktepapier zum neuen Pflegeberufegesetz beziehen - Wie wollen Sie die längst überfällige Generalisierung und Akademisierung der Pflege bezahlen? Unterstützen Sie eine eigene Pflegekammer in NRW?

Wie erklären Sie, als Vertreter einer so genannten Volkspartei, gerade älteren Wählerinnen und Wähler eigentlich den Umstand, dass es aktuell in der deutschen Gesundheitspolitik eine eklatante Fehl-, Unter- und Überversorgung (OP-Häufigkeit, etc.) gibt und zugleich aktuell schon jetzt absehbar ist, dass die pflegerische Versorgung auf einem angemessenen Qualifikationsniveau nicht gesichert ist. M. a. W.: Die Pflege in einem ausreichenden Umfang und in einem ausreichenden Qualifikationsniveau ist in Deutschland schon jetzt nicht mehr sichergestellt! Welche Maßnahmen möchten Sie konkret ergreifen?
Wie wollen Sie konkret die Attraktivität des Pflegeberufes steigern?

Ich habe aus Ihrem Profil entnommen, dass Sie Dipl. Sozialarbeiter sind. Der desolate Zustand und die nicht sichergestellte Finanzierung von Pflege, Inklusion, etc. müsste Ihnen aufgrund Ihrer Berufspraxis somit hinlänglich bekannt sein.

Ich freue mich über Ihre konkreten Antworten!

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gustke,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema „Pflege“, die ich Ihnen nachfolgend gerne ausführlich beantworten möchte.

Sie sorgen sich um die Zukunft der Pflege in Deutschland und fragen insbesondere nach der Weiterentwicklung der Pflegeberufe. Mir liegt eine Verbesserung der Pflegesituation sehr am Herzen, denn aus meiner persönlichen und beruflichen Erfahrung weiß ich, was ein Pflegefall für die Familie bedeutet und vor welche Anforderungen, Probleme und Alltagsfragen die Menschen in solch einer Situation gestellt werden.

Ich stimme Ihnen zu, dass das Nebeneinander von medizinischer Unter-, Fehl- aber auch Überversorgung ein großes Problem ist und sich dringend etwas ändern muss, damit eine gute Versorgung flächendeckend sichergestellt werden kann. Die SPD will die Versorgungsstrukturen so weiterentwickeln, das Mängel in der Versorgung überwunden werden. Allen Bürgerinnen und Bürgern muss der gleiche Zugang zu guter medizinischer Versorgung ermöglicht werden, und zwar unabhängig von Wohnort, sozialer Lage oder Versichertenstatus. Verbesserungen in der Versorgung müssen für alle Menschen auch im Alltag spürbar werden.

Eine gute medizinische Versorgung muss für alle Bürgerinnen und Bürger verlässlich finanziert sein. Durch die Einführung einer Bürgerversicherung als Krankenvoll- und Pflegeversicherung wird die Zwei-Klassen-Medizin beendet. Alle Neu- und bislang gesetzlich Versicherten kommen automatisch in die Bürgerversicherung. Bisher Privatversicherte können für ein Jahr wählen, ob sie wechseln wollen. Auch die Finanzierung soll gerechter werden: Untere und mittlere Einkommen sollen entlastet werden, weil die Arbeitgeber zu gleichen Teilen einbezogen werden und auch Spitzenverdiener werden gerecht beteiligt. So wird die Solidarität zwischen hohen und niedrigen Einkommen gestärkt.

Gute Pflege bedeutet Selbstbestimmung und Teilhabe bis ins hohe Alter. Damit Pflegebedürftige länger zu Hause alt werden können, müssen die Leistungen der Pflegeversicherung und die Unterstützung der Angehörigen im Alltag passgenauer werden. Das Wohnumfeld muss altersgerecht gestaltet werden und die dafür notwendige Unterstützungsinfrastruktur aufgebaut werden. Als wohnungsbaupolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass die von der schwarz-gelben Regierung massiv gekürzten Förderprogramme für den altersgerechten Umbau wieder stärker ausgebaut werden und als Kredit- und Zuschuss-Programme wieder aus dem Bundeshaushalt finanziert werden.

Pflegerisiken sollen solidarisch abgesichert und den verschiedenen Lebenslagen gerecht werden – vor allem wenn es um Demenz geht. Ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff ist dringend notwendig, denn Leistungen müssen so differenziert werden, dass sie den Betroffenen im Gegensatz zur „Minutenpflege“ besser gerecht werden. Ein Pflegefall bedeutet für Angehörige neben der persönlichen seelischen Belastung auch oft große finanzielle Probleme. Darum wollen wir die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf verbessern. Pflegende Angehörige sollen durch einen Ausbau der Pflegeberatung, bessere Pflegeleistungen und bezahlbare Dienstleistungen im Haushalt besser unterstützt werden. Mit einer flexiblen Pflegezeit, die mit einem Rechtsanspruch auf Jobrückkehr und einer Lohnersatzleistung ausgestattet ist, wollen wir Angehörigen helfen, die Pflegesituation zu gestalten.

Auch die von Ihnen angesprochene Reform der Ausbildung in den Pflegeberufen hält die SPD für dringend notwendig. Die Bedarfe bezüglich der Versorgung von älteren, aber auch von hilfe- und pflegebedürftigen Menschen allgemein verändern sich mit dem demografischen Wandels permanent. Die zukünftige Ausbildung in der Pflege muss flexibel auf diese Änderungen reagieren können und gleichzeitig attraktiv für junge Menschen sein. Die Ausbildungen in der Gesundheits-, Kinderkranken- und Altenpflege wurden 2003 mit dem „Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege“ (Krankenpflegegesetz - KrPflG) bzw. 2004 mit dem „Gesetz über die Berufe in der Altenpflege“ (Altenpflegegesetz – AltPflG) neu geordnet und jeweils in einem eigenen Berufsgesetz verankert. Die Evaluation von Modellprojekten hat gezeigt, dass eine gemeinsam konzipierte generalistische Ausbildung zur Steigerung der professionellen pflegerischen Handlungskompetenz über das gesamte Berufsleben führt. Sie qualifiziert für die Tätigkeit in allen Schwerpunktbereichen: präventiv, kurativ, rehabilitativ und palliativ. Damit wird die Ausbildung nicht zu einer Einbahnstraße, sondern gewahrt eine horizontale Durchlässigkeit, die nicht nur im Hinblick auf Europa gebraucht wird. Damit ein breiterer Zugang zum Pflegeberuf möglich wird, müssen alle beteiligten Akteure wie die Träger der Ausbildung, die Einrichtungen des Gesundheitswesens und die politischen Entscheidungsträgern besser verzahnt werden. Darum fordert die SPD eine generalistische Erstausbildung von Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege mit einer daran anschließenden weiterführenden Spezialisierung. Wir wollen einen Berufsaufstieg in der Pflege und im Interesse der jungen Menschen soll nur noch ein Berufsabschluss am Ende der gemeinsamen dreijährigen Ausbildung stehen. Die SPD arbeitet darum an einem eigenen Vorschlag für die Neuregelung der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege.

Was Ihre Frage nach der Finanzierung der Ausbildung in der Pflegebranche angeht, so muss diese solidarisch sein. Nur so wird eine ausreichende Zahl von Ausbildungsplatzen geschaffen und die Ausbildungsbereitschaft unterstützt. Derzeit werden die Kosten der schulischen Ausbildung durch die Bundesländer unterschiedlich geregelt und variieren erheblich. Teilweise werden nur Personalkosten, teilweise nur Betriebskosten erstattet, auch die Höhe der Zuschüsse sowie die Regelungen zum Schulgeld variieren stark und teilweise sind auch die Kommunen an der Finanzierung beteiligt. Die Vergütung sowie die Kosten der praktischen Ausbildung werden durch die Pflegekassen erbracht. Die Ausbildungsvergütung wird entweder durch Zuschlag auf die Patientinnen und Patienten oder über eine landesspezifische Umlage erbracht. Die Finanzierung der Pflegeschulen ist eine öffentliche Aufgabe und pflegeberufsbildende Schulen müssen wirkungsgleich finanziert werden. Die SPD fordert deshalb auch für die Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege eine Abschaffung der Gebühren. Es ist zu prüfen, ob und wie eine bundeseinheitliche Lösung möglich ist, damit die Kosten der Ausbildung von der gesamten Pflegebranche über eine bundeseinheitliche Ausbildungsplatzumlage getragen und durch eine Umlagefinanzierung bzw. Einrichtung eines Ausbildungsfonds finanziert werden können. So werden auch nichtausbildende Einrichtungen der Altenpflege künftig an der Finanzierung der Ausbildung und Ausbildungsvergütung beteiligt.

Was Ihre Frage nach Möglichkeiten zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes angeht, so setzt sich die SPD auch weiterhin für gute Arbeit in Gesundheit und Pflege ein. Es ist höchste Zeit, dass die Arbeitsbedingungen im Gesundheitssektor verbessert und Pflegekräfte besser bezahlt werden. Die SPD will darum eine Fachkräfteoffensive im Gesundheits- und Pflegebereich starten, die gute Ausbildung, Entwicklungsperspektiven, eine gute Bezahlung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gute Arbeitsbedingungen verbindet. Soziale Arbeit muss endlich aufgewertet und besser bezahlt werden. Um dem Lohndumping entgegenzuwirken und die Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Pflegebereich zu würdigen, unterstützt die SPD die Bemühungen für einen Branchentarif Soziale Arbeit, den wir für allgemein verbindlich erklären wollen. Außerdem wird sich die SPD für Personalmindeststandards in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einsetzen. Denn für eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung sind gute Arbeitsbedingungen und zufriedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Voraussetzung. Dafür werden wir die Krankenhausfinanzierung so reformieren, dass eine flächendeckende Versorgung und Trägervielfalt gesichert und Qualität besser honoriert wird.

Was Ihre Frage zur Einrichtung einer Pflegekammer in NRW betrifft: Ich halte den Zusammenschluss von Berufsgruppen in einer Kammer für eine gute Möglichkeit, gemeinsame Interessen voranzubringen und grundsätzlich kann jedes Bundesland eine Pflegekammer einrichten. Umfragen in mehreren Bundesländern haben jedoch gezeigt, das Beschäftige im Pflegebereich den Zusammenschluss in einer Pflegekammer grundsätzlich begrüßen, die Frage des Kammerbeitrages allerdings noch kritisch diskutiert wird.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit diesen Informationen helfen.

Mit freundlichen Grüßen,
Michael Groß, MdB