Frage an Monika Griefahn von Kai-Uwe S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Griefahn,
am 8. oder 9. November wird im BT voraussichtlich über die so genannte Vorratsdatenspeicherung abgestimmt. Als Respräsentan meines Wahlkreises bitte ich Sie um eine Stellungnahme.
Bei diesem Gesetzesvorhaben mache ich mir insbesondere Sorgen um die schiere Verhältnislosigkeit zwischen dem massenhaften Zugriff auf persönliche (Verbindungs-)Daten, dem Aufwand und den Kosten einerseits und dem absehbaren Vorteilen für die Bekämpfung von Sicherheitsrisiken. Sie als Informatiker können sicherlich gut einschätzen, wie gering der Aufwand von interessierter (krimineller) Seite sein wird, diese "Großtechnologie" auszubremsen und ihr zu entkommen.
Wenn aber die Verbrechensbekämpfung nicht wirklich befördert wird, stehen für mich die Risiken und Kosten für 99% der Bürger im Vordergrund:
Wie soll ich vertrauensvoll mit einem beruflichen Geheimnisträger Kontakt aufnehmen? Wie soll weiterhin Vertrauen in Stellen wie in die Telefonseelsorge, die Anonymen Alkoholiker, die Drogenberatung usw. bestehen bleiben?
Sind die Daten einmal vorhanden, gibt es keine wirkliche Garantie mehr gegen eine missbräuchliche Nutzung und anderweitige Verwendung.
Außerdem bestehen starke Bedenken, ob das Gesetzesvorhaben verfassungskonform ist. Der Staat Irland hat gegen eine entsprechende EU-Richtlinie vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt und in Deutschland steht eine Sammelklage vor dem Bundesgerichtshof an. Es ist durchaus möglich, dass die Vorratsdatenspeicherung in dieser Form zurückgezogen werden muss.
Ich bitte Sie daher eindringlich, sich Ihrem Fraktionskollegen, Herrn Ulrich Kelber, anzuschließen, und Ihre Stimme einem Gesetz zu verwehren, dass dem freiheitlichen Geist unseres Grundgesetzes widerspricht.
Mit freundlichen Grüßen
Kai-Uwe Steffens
Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung
www.vorratsdatenspeicherung.de
Sehr geehrter Herr Steffens,
vielen Dank für Ihre Email, in der Sie sich zum Thema Vorratsdatenspeicherung äußern. Ich teile Ihre große Skepsis gegenüber den vorgeschlagenen Überwachungsmaßnahmen. Glücklicherweise sind Herr Schäuble und die CDU/CSU nicht allein in dieser Koalition, weswegen sein vorgeschlagenes Gesetzespaket, die Vorratsdatenspeicherung eingeschlossen, in dieser Form keinesfalls Zustimmung durch die SPD erhalten wird.
Ich sehe die Verpflichtung der Telekommunikationsanbieter zur Vorratsdatenspeicherung nach wie vor kritisch. Ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion nehme ich sowohl die Verantwortung für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung als auch die Verpflichtung für Bürgerrechte ernst. Ich habe meine Vorbehalte gegen die EU-Regelung zur "Vorratsdatenspeicherung" erst aufgegeben, nachdem die Bundesregierung in Brüssel einen tragbaren Kompromiss erzielt hat, dem letztlich auch das Europäische Parlament zustimmte. Der deutschen Regierung ist es auf europäischer Ebene gelungen, die "Vorratsdatenspeicherung" auf das zu reduzieren, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist.
Beim Internet wird schließlich lediglich gespeichert, dass sich der Nutzer online befindet. Es werden ebenfalls Daten zur Internettelefonie und bezüglich der E-Mail-Dienste gespeichert. Inhalte, wie immer behauptet wird, also auch Informationen, welche Websites benutzt werden, werden auch hier nicht gespeichert. Denn Daten, die Aufschluss über den Inhalt einer Kommunikation (z.B. E-Mail oder Telefongespräch oder Seiten, die ein Nutzer aufgerufen hat) geben, dürfen nach der Richtlinie nicht gespeichert werden.
Dennoch ist und bleibt es unbestritten, dass die Einführung gesetzlicher Speicherungspflichten für Telekommunikationsverkehrsdaten in die Grundrechte sowohl der Nutzer als auch der Anbieter von Telekommunikationsdiensten eingreift; konkret betroffen hiervon sind das Fernmeldegeheimnis nach Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und die Freiheit der Berufsausübung nach Artikel 12 Abs. 1 GG. Die Abfrage der gespeicherten Daten kann zudem weitere Grundrechte, wie etwa die Presse- und Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG berühren. Betroffen sein können zudem das Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen, beispielsweise von Anwälten und Seelsorgern. Die Grundrechte und auch die Zeugnisverweigerungsrechte sind in einem freiheitlichen demokratischen Gemeinwesen von besonders großer Bedeutung. Eingriffe in diese Grundrechte, von denen zahlreiche Personen betroffen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, sind besonders schwerwiegend und bedürfen deshalb einer besonderen Rechtfertigung. Das gilt erst recht für das Vorhaben einer solch weitreichenden verdachtsunabhängigen Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat.
Ich habe mich im parlamentarischen Verfahren dafür eingesetzt, dass die Umsetzung und Anwendung der Vorratsdatenspeicherung tatsächlich nur auf das reduziert wird, was zur Bekämpfung von Terrorismus und Kriminalität tatsächlich erforderlich und angemessen ist. Die sensiblen Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch das Berufgeheimnis (beispielsweise von Journalisten) dürfen dabei nicht an zentralen Stellen eingeschränkt werden. Wir haben auch gefordert, die tatsächliche Anwendung nach einiger Zeit zu überprüfen.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Griefahn