Frage an Monika Hohlmeier bezüglich Europapolitik und Europäische Union

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Monika Hohlmeier
CSU
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Frage von Martina J. •

Frage an Monika Hohlmeier von Martina J. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Guten Tag Frau Hohlmeier,

warum braucht die EU eine eigene Armee?

MFG
M. J.

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CSU

Sehr geehrte Frau J.,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage zum Thema einer gemeinsamen europäischen Armee. Die Integration der europäischen Streitkräfte ist ein wichtiger Aspekt der gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, welche von höchster Bedeutung für ganz Europa ist. Da sie ausführlicher Diskussion bedarf, um die richtige Strategie für die Gegenwart und die Zukunft zu finden, begrüße ich Ihr Interesse zu diesem Thema und informiere Sie gerne über die Gründe für eine Stärkung der gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik.

Die aktuelle Sicherheitslage Europas ist so angespannt, wie sie es seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr war. War man zu Beginn des neuen Jahrtausends auf allen Seiten von friedfertigen Nachbarländern umgeben, so sieht sich Europa heute an unseren Süd- und Ostgrenzen großem Bedrohungspotenzial gegenüber: In Afrika und dem Nahen Osten ist die Gefahr des Islamistischen Terrors allgegenwärtig, insbesondere in Form der Terrormiliz IS, der Terrororganisation Al-Qaida und ihren Ablegern oder Partnern. Die Anschläge von Paris haben leider auf dramatische Weise demonstriert, dass die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sogar innerhalb der EU- Mitgliedsstaaten durch Terrorattentate gefährdet ist. An den östlichen Grenzen der EU bedroht Russland die Ukraine und seine Nachbarn mit hybrider Kriegsführung, nachdem es bereits 2014 die Krim völkerrechtswidrig annektiert hat. Die baltischen Staaten sowie auch Polen sehen sich aggressiven Vorgehensweisen ausgesetzt, die ihre Grenzen tangieren.

Stellt man all dem die Leistungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der europäischen Streitkräfte gegenüber, so muss man feststellen, dass diese bereits durch ihre Einsätze in Afghanistan, Afrika, dem Mittelmeerraum oder den Kampf gegen den IS an ihrer Belastungsgrenze angekommen sind. Es besteht dementsprechend akuter Handlungsbedarf: die Verteidigungsfähigkeit Europas muss verbessert werden.

Das wichtigste Mittel, um mit aktuellen und zukünftigen Bedrohungen umzugehen, ist eine gemeinsame und gut abgestimmte europäische Sicherheits- und Außenpolitik. Der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik übernimmt seit 2009 die Rolle eines EU-Außenministers. Seit 2014 ist Frau Federica Mogherini die EU-Außenbeauftragte, welche die EU nach außen hin vertritt. Bei vielen Themen jedoch gehen die Mitgliedsstaaten nach wie vor allem ihren eigenen außenpolitischen Interessen nach und das auch dann, wenn dies zum Nachteil ihrer EU-Partnerländer ist. Zudem sind die Armeen in der EU zumeist seit Jahren unterfinanziert und verfügen deshalb nicht über eine vollständige, gute Ausrüstung nach modernstem Standard, die es ihnen erlaubt, die heutigen Aufgabenstellungen voll zu erfüllen. Der Gedanke einer Europäischen Armee ist sehr weitreichend und sicherlich nicht kurzfristig umzusetzen. Was jedoch wesentlich wäre, ist die Kooperation und Koordination deutlich zu verstärken und die Option auf eine gemeinsame Europäische Armee überhaupt zu ermöglichen. Je enger die Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten, desto mehr Synergieeffekte ergeben sich. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Beschaffungswesen. Je abgestimmter die Mitgliedsstaaten an die Entwicklung und Beschaffung von notwenigem Material herangehen, desto günstiger und effektiver ist die Versorgung. Je abgestimmter internationale Einsätze stattfinden, desto effektiver ist die Vorgehensweise. Es ist also wesentlich, intensiv an einer echten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu arbeiten, zumal dies nach Außen ein deutliches Zeichen der Stärke und Einigkeit der Europäischen Union ist.

Die Verstärkung eines gemeinsamen europäischen Vorgehens würde unsere Stellung auch in der NATO und gegenüber den geostrategischen Interessen der USA verbessern und der Europäischen Union erlauben, europäische Sicherheitspolitik in europäischen Interessengebieten besser umzusetzen. Andere Weltmächte wie Russland oder China wären daz gezwungen, der EU und ihrer Außen- und Sicherheitspolitik mehr Respekt entgegen zu bringen.

Da die nationalen Streitkräfte traditionell ein wichtiger Kern nationaler Identität und zumeist in den Verfassungen verankert sind, wäre es wesentlich, in der nächsten Zeit weitere konkrete Schritte zu einer engen Kooperation und Koordination zu beschließen, ohne dass dies gleich den Aufbau einer vollständigen gemeinsamen europäischen Armee bedeutet. Neben dem Beschaffungswesen können dies gemeinsame Ausbildungseinheiten, gemeinsames Training oder multilaterale Truppeneinheiten sein. Dies würde zu einer stärkeren Identifizierung und zu mehr Vertrauen zwischen den Mitgliedsstaaten führen.

Es ist dabei unstrittig, dass eine vertiefte Zusammenarbeit die Leistungsfähigkeit der europäischen Streitkräfte deutlich erhöhen würde. Internationale Studien belegen, dass die Streitkräfte der EU, welche 2013 etwa 1,4 Millionen aktive Soldaten unterhielten, nur etwa zehn bis 15 Prozent der Verteidigungseffizienz der 1,37 Millionen Mann starken US-Streitkräfte aufweisen. Dies liegt nicht nur an den deutlich höheren Rüstungsausgaben der USA, sondern vor allem an der fragmentierten Sicherheitspolitik der jeweiligen Mitgliedsstaaten.

Die zwei wichtigsten Mittel, um diesen Missstand zu beheben sind das sogenannte Pooling und Sharing. Unter Pooling versteht man, dass nationale Fähigkeiten in multinationale Strukturen eingebunden werden. Das bedeutet nicht nur, dass vorhandene militärische Geräte und Einheiten in eine vereinheitlichte, übergeordnete Organisationsstruktur eingebunden werden, sondern auch, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten bei der Entwicklung und Anschaffung von neuem Material zusammenarbeiten. Durch deutlich geringere Entwicklungskosten und eine verbesserte Verhandlungsposition könnten hier Milliarden eingespart werden. Vom Sharing spricht man, wenn einer oder mehrere Partnerländer spezielle Ausrüstung oder Fähigkeiten für andere Länder zur Verfügung stellen bzw. bestimmte Aufgaben komplett für ein Partnerland übernehmen. Wenn etwa jedes einzelne Mitgliedsland der EU eine vollständige Marine und Luftwaffe unterhält, benötigt es dafür jeweils eigene Kommando- und Infrastrukturen. Durch eine Aufgaben- und Kompetenzverteilung können Doppelungen vermieden werden, was wiederum Kosten senkt und die Bereitschaft der Einheiten erhöht.

Diese beiden Prinzipien werden bereits in begrenztem Maße innerhalb der EU umgesetzt, hierbei ist als Beispiel die deutsch-französische Brigade sowie die Entwicklung des Eurofighters zu nennen. Davon abgesehen besteht jedoch noch immer ein erhebliches Verbesserungspotenzial. In einer Studie für das Europäische Parlament aus dem Jahr 2013 wurden die Kosten, die durch fehlende Zusammenarbeit entstehen, auf mindestens 26 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, manche Schätzungen gehen von bis zu 130 Milliarden Euro jährlich aus.

Es ist zwar nachvollziehbar, dass Länder ihre absolute Entscheidungshoheit über ihr Militär behalten wollen und dementsprechend bereit sind, für ihre nationale Wehr- und Sicherheitspolitik zusätzliche Ausgaben zu tätigen, um eigene Kapazitäten in allen Bereichen zu wahren. In Zeiten angespannter Haushalte und erhöhter Bedrohung für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist jedoch eine verbesserte Verteidigungsbereitschaft aller europäischen Streitkräfte unentbehrlich.

Ich bedanke mich für Ihre Anfrage und hoffe, dass ich Ihnen vermitteln konnte, warum das Ziel nicht die komplette Integration aller Streitkräfte, sondern eine realistische und deutlich verbesserte Koordination und Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein muss. Nur so kann die Europäische Union die geopolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen.

Mit freundlichen Grüßen

Monika Hohlmeier

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