Frage an Oliver Stey bezüglich Soziale Sicherung

Oliver Stey
DIE LINKE
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Frage von stefan k. •

Frage an Oliver Stey von stefan k. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Stey,
als LT-Kandidat für den Wahlkreis München-Moosach würde mich im Folgenden Ihre Position zur sog. Sammelunterkunft in der Waldmeisterstr. interessieren.
Wie Sie wissen, ist in Bayern durch das Bayerische Landesaufnahmegesetz geregelt, dass Menschen mit Duldungen in sog. Gemeinschaftsunterkünften auf engsten Raum über Jahre oder Jahrzehnte leben müssen. Während alle anderen Bundesländer keine solche landesgesetzliche Regelungen kennen und die dortigen Landkreise und kreisfreien Städte z.T. längst dazu übergegangen sind, Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen, betreibt der Freistaat Bayern derzeit für ca. 8000 Geduldete 145 Gemeinschaftsunterkünfte, zumeist in alten Gasthöfen, ausgedienten Kasernen und - wie in diesem Fal - verrotteten Containerunterkünften. Dies, obwohl nach Art. 106 der Bayererischen Verfassung jeder Bewohner Bayerns Anspruch auf eine angemessene Wohnung hat. Werden Sie sich im Falle ihres Einzugs in den Bayerischen Landtag gegen die generelle Wohnsitzverpflichtung von Geduldeten in Gemeinschaftsunterkünften einsetzen und den Betroffenen die Möglichkeit einer angemessenen menschenwürdigen Wohngelegenheit geben?
Für Ihre Antwort bedanke ich mich im Voraus
Stefan Klingbeil

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Klingbeil,

Das Problem, von dem Sie in Ihrer Frage sprechen erinnert mich nur allzu gut an die frühen 90er Jahre, als ich mit diversen sozialen Gruppen versucht habe, den unwürdigen Lebensbedingungen in den damaligen "Asylheimen" (man kann auch sagen Tierställen) der Stadt München entgegenzuwirken. Ich habe mich damals persönlich um Menschen aus Sri Lanka, Pakistan und mehreren nordafrikanischen Staaten gekümmert. Unterkünfte wie die in der Waldmeisterstr. bringen mich insoweit zum Erstaunen, da ich dachte, dass mit dem verschwinden der so genannten "Verwahrstellen" im Gelände des Euro-Industrieparks (Hinter dem ehemaligen Wal-Markt innerhalb einer alten Werkshalle in eben solchen wie von Ihnen angesprochenen Containern), In der Triebstr./ Bingenerstr. in Moosach sowie am Rosa Luxemburgplatz (ja den gibt es nahe Leonrodplatz) diese Art von "Unterkünften" Geschichte geworden sind.
Dass damals diese so genannten "Unterbringunsorte" nicht mehr benötigt wurden "verdanken" wir übrigens der damaligen Regierung Kohl, die diese Problematik "elegant gelöst" hat indem sie einfach das Asylrecht im Grundgesetz verändert hat.

"Artikel 16a
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen."

zum Vergleich die Regelung vor dem 28.6.1993

"Das alte Asylrecht
"Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" formulierte der Parlamentarische Rat kurz und prägnant im Ab satz 2 des Artikels 16. Er zog die Lehren aus der Zeit des Nationalsozialismus, in der viele Deutsche auf Asyl angewiesen waren. In den Beratungen setzte sich die Argumentation des Abgeordneten Wagner durch, der sich verwahrte gegen "ein Asylrecht mit Voraussetzungen, mit Bedingungen, (.... das) wäre in meinen Augen der Beginn des Endes des Prinzips des Asylrechts überhaupt." (Parlamentarischer Rat: Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 582). Der Artikel 16 des Grundgesetzes geht weit über völkerrechtliche Bindungen hinaus: Jeder politisch Verfolgte hat einen vorbehaltlosen, einklagbaren Rechtsanspruch auf Asylgewährung. Daran geknüpft war die Notwendigkeit, jeden Antrag auf Asyl daraufhin zu überprüfen, ob politische Verfolgung vorliege."
Wie sie erkennen können, hat sich im Anschluss an dieses "schöne Gesetz" die Situation der AntragsstellerInnen auf Asyl insofern drastisch verändert, dass sie zwar weiterhin in ihren Heimatländern mit Verfolgung und Repression zu rechnen hatten, die BRD aber sich in Philanthropischer Eleganz aus der Pflicht genommen hat und den "Schwarzen Peter" an seine Nachbarstaaten weiterschob.

Nun noch einmal zu Ihrer Frage:
Selbstverständlich würde ich mich für eine menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen statt diesen "Tierbehausungen" stark machen, da es entwürdigend ist Menschen in nahezu an Konzentrationslager erinnernde Baracken zu "verwahren".
Des weiteren vertrete ich nach wie vor die Auffassung die ich auch schon vor nahezu 15 Jahren vertreten habe dass "Deutschland ein Einwanderungsland ist" und dass gerade Deutschland aus seinen Erfahrungen mit Verfolgung politisch Andersdenkender, Verfolgung von so genannten "Asozialen Elementen", "Zigeunern", "Schwulen" etc. und "Wannseekonferenz/Endlösung der Judenfrage", in der Pflicht steht allen Verfolgten dieser Erde Schutz und würdige Lebensbedingungen zukommen zu lassen.

Der unhaltbare Zustand, dass Menschen in unserem Land "geduldet" sind erinnert stark an finsterste Zeiten und gehört meiner eigenen Auffassung nach selbstredend dahingehend geändert, dass die davon betroffenen Menschen, vorausgesetzt es ist deren eigener Wunsch (wovon auszugehen ist), hier in diesem Land zu bleiben, mit der Bundesdeutschen Staatsbürgerschaft versehen werden müssen. Dies gilt auch für kommende Verfolgte.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meiner Antwort dienen konnte und verbleibe
MFG