Frage an Ottmar Schreiner bezüglich Soziale Sicherung

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Ottmar Schreiner
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Frage von Birgit M. •

Frage an Ottmar Schreiner von Birgit M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Schreiner,

AN mit einem mtl. Brutto v. 1500 bis 5500 € sind die am stärksten mit Abgaben belastete Bevölkerungs gruppe in der BRD, die auf ungerechte Weise zur Finanzerung der "Umver-teilung nach unten" herangezogen wird.

Diese "Mittelschicht" finanziert mit 20 % Sozialabgaben ohne Arbeitgeberanteil (mit AG-Anteil 40%) aus VERSTEURTEM EINKOMMEN zum Teil diejenigen , die keine /geringe Beiträge in die SV zahlen. Details dazu kann man auf den Internet Seiten der Hans-Böckler-Stiftung nachlesen und sind für helle Leute auch aus den Statistiken der Bundesargentur und des BMAS deutlich sichtbar . Außerdem ist diese Gruppe bereits erheblich von der Steuerprogression betroffen. Eine AN mit 1900 € Brutto hat auf 100 € Gehalts-erhöhung ca. 52 % Abzüge. Das Äquivalenzprinzip ist in der SV nicht mehr gewahrt, es ist eine Umverteilung. Eine Gehaltserhöhung v. 5%, führt erst ab 5600 € zu brutto 5% netto beim AN. Bei niedrigeren Einkommen kommen nur ca. 3,5`% netto mehr in der Tasche! Es ist zu befürchten, dass - je nach politischer Mehrheitslage - zur Finanzierung einer weiteren Umverteilung "nach unten" in der KV, RV, PflV, ALV und sonstige direkte Transfers über allgemeine Ertragssteuern weiterhin die sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer -Mittelschicht heran gezogen werden soll, weil die Politik weder von privaten Kapitaleignern , mittelständischen Unternehmern und Freiberuflern und erst recht nicht von Kapital-gesellschaften höhere Steuern und Abgaben bekommen kann. Das ist in der EU nicht realisierbar, weil man in den europä-ischen Gremien keine Mehrheiten für Steuer-Mindest-standards bekommt und wir weltweiten Steuerstandorts-konkurrenzen ausgeliefert sind.
Was sagen Sie als führender Vertreter der AG für Arbeitnehmer-fragen der SPD dazu? Brauchen wir aus Ihrer Sicht eine neue Interessenvertretung für die AN-Mittelschicht?

Mit freundlichen Grüßen
Birgit Mohr

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SPD

Sehr geehrte Frau Mohr,

ich gebe Ihnen völlig recht: Obwohl alle Parteien (inklusive meiner eigenen) sich als „Anwälte der Mitte“ aufführen, ist es genau diese Gruppe, die in den letzten Jahren am meisten gelitten hat. Zum einen darunter, dass das gesamte Lohnniveau durch die rasante Zunahme prekärer, schlecht bezahlter Beschäftigung und durch die Schwächung der Gewerkschaften ins Rutschen geraten ist. Zum anderen hat jedoch auch die Politik selbst dazu beigetragen, diese Gruppe zu benachteiligen, wie sie richtig dargestellt haben.

Die Politik darf nicht nur davon reden, die Mitte für sich gewinnen zu wollen, sie muss auch entsprechend handeln. Ich fordere schon seit langem eine Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze und eine Einbeziehung aller Einkommensarten und Erwerbstätigen (also auch der Freiberufler, Beamten und Politiker), um die Solidarbasis der Sozialversicherungen zu stärken. Überdies müssen die höheren Einkommen über die Steuerpolitik stärker zur Finanzierung der gesellschaftlichen Aufgaben herangezogen werden, damit die Mittelschichten entlastet werden können. Stichpunkte wären hier eine Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer und ein europäisches Vorgehen gegen Steuerflucht und Steuerdumping.

Eine Politik für die Mittelschicht sollte jedoch auch immer die Interessen derer im Auge haben, denen es noch schlechter geht. Hier sind wir uns aber sicherlich auch einig.

Mit freundlichen Grüßen,

Ottmar Schreiner