Frage an Paul-Egon Mense bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Paul-Egon Mense
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Frage von Michael J. •

Frage an Paul-Egon Mense von Michael J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Wie stellen Sie sich die Integration jungendlicher Ausländer vor?

Mangelnde Sprachkenntnisse, das soziale Umfeld und die dadurch fehlenden Perspektiven sind Hauptursache für ein frühes Scheitern in unserer Gesellschaft.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Jasenc,

die ergänzenden Anmerkungen zu Ihrer Frage verdeutlichen bereits zutreffend die Problematik. Auch bei dieser Thematik wird wieder deutlich, dass Politik viel zu lange das Problem verharmlost und vor sich hergeschoben hat. Bei vielen Politikfeldern - immer das gleiche. Man lässt einen Zustand bis zur Unerträglichkeit reifen - dann ruft man nach dem Gesetz, ändert oder ergänzt es, um den Zustand wieder einigermaßen erträglich zu machen, aber die Ursachen werden nicht beherzt genug angefasst oder gar beseitigt. Bei Ihrer Frage kommt noch etwas zum Tragen, was nicht gern ausgesprochen wird, nämlich die mangelnde Fähigkeit zur Integration auf beiden Seiten, wobei jede Seite der anderen diese Unfähigkeit zuspricht. Wir Deutsche müssen allerdings den ausländischen Mitbürgern ein größeres Maß an Integrationsbereitschaft und auch -fähigkeit abverlangen als uns. Warum? Weil diese Menschen bei uns leben und wir nicht bei ihnen. Und wenn wir diesen Menschen Integrationsangebote machen, die wir alle aus unseren Steuergeldern finanzieren, auch die hier bereits lebenden Ausländer mit einer oder doppelter Staatsangehörigkeit, dann besteht schon die Verpflichtung unserer ausländischen Mitbürger/innen, diese zu nutzen. Hierzu zähle ich alle Angebote, die dazu dienen, sich in unserer freitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Staatsordnung zu entwickeln und legal für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Wer sie nicht nutzt und wer sie z.B. als Eltern seinen Kindern verweigert, darf sich nicht wundern, wenn ihm mangelnde Integrationsfähigkeit vorgeworfen wird, die letztlich dazu führen kann, zum "Sozialschmarotzer" abgestempelt oder tatsächlich zum Sozialhilfeempfänger zu werden.

Und wir Deutsche - was müssen wir tun? Vielleicht müssen wir unsere Angebote erweitern - ich weiß es nicht. Vielleicht müssen wir auch noch mehr Geld dafür einsetzen - aber auch das kann ich ohne Detailkenntnisse nicht beurteilen. Aber wenn die bisherigen Angebote nicht in dem Maße angenommen werden, wie es für eine weitgehend existenzsichernde Zukunft in unserem Lande erforderlich ist, dann sehe ich in einer Ausweitung des Angebotes auch keinen Sinn. Für mich ist entscheidend, die anfangs angesprochene Unfähigkeit zur Integration auf beiden Seiten abzubauen. Diese Unfähigkeit spielt sich im Kopf ab; dort sind Vorurteile, Ängste vor Fremdartigen, Unsicherheit, Unwissenheit usw. gespeichert; und wer glaubt, man müsse "Multi-Kulti" nur lange genug über die Köpfe hinweg und für alle Gesallschaftsschichten als zukünftig unausweichliche Gesellschaftsform propagieren, der irrt sich ganz gewaltig. Das ist ein langer Prozess.

Erlauben Sie mir folgende Anmerkung: Selbst nach fast 20 Jahren Wiedervereinigung hat unsere "innerdeutsche Integrationsfähigkeit" immer noch erhebliche Schwächen. Nun wäre Ihre Frage leicht zu beantworten gewesen, wenn ich nicht diese Ausführungen gemacht hätte. Ich hätte antworten können: "Arbeitsplätze schaffen". Denn wer regelmäßig arbeitet ist auch regelmäßig in einem sozialen Umfeld integriert. Aber schon sind wir wieder bei den Köpfen. Denn - warum bekommt ein jugendlicher Ausländer mit gleicher Qualifikation wie ein deutscher Jugendlicher deutlich schlechter einen Arbeitsplatz? Wen hätten Sie als deutscher Arbeitgeber bei gleicher Qualifikation eingestellt? Und sicher hätten Sie Ihre Entscheidung plausibel begründen können, denn es gibt ja noch mehr Einstellungskriterien als nur die Qualifikationsnachweise, die ja - wie ich anmerkte - bei beiden Bewerbern gleich waren. Was müssen wir tun? Auf allen gesellschaftspolitischen Ebenen die Zusammenarbeit mit allen ausländischen Mitbürgern und deren Organisationen und Verbänden intensivieren. Hierbei haben die religiösen Gruppierungen eine besondere Verantwortung. Aber diese religiösen Gruppierungen sind teilweise auch untereinander zerstritten oder zumindest sich sehr uneinig in einigen Auffassungen. Wir müssen uns auch parteiübergreifend darüber einig werden, wie wir mit ausländischen Straftätern umgehen, und wie wir die "gefühlten" und "tatsächlichen" Benachteiligungen unsere deutschen Bürger gegenüber ausländischen Bürgern verhindern können. Aber vor allem geht es auch bei dieser Thematik wieder um Bildung und zwar nicht nur um Wissensvermittlung sondern auch um Persönlichkeitsbildung - und zwar auf beiden Seiten. Das ist unsere vorrangige Aufgabe.

Freundliche Grüße

Paul - Egon Mense