Frage an Peter-Rudolf Zotl bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Peter-Rudolf Zotl
DIE LINKE
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Frage von Sarah S. •

Frage an Peter-Rudolf Zotl von Sarah S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Dr. Zotl,

ich würde gern wissen wollen, wie Sie zu dem Thema Studiengebühren und Kitagebühren stehen?

Mit freundlichen Grüßen

Sarah Schneider

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Schneider,

die Linkspartei.PDS lehnt Studiengebühren ab, weil sie insgesamt dazu führen, dass die berufliche Qualifikation letztendlich noch mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängig ist. Das ist unumstrittener Standpunkt meiner Partei, und um dessen Durchsetzung werden wir ringen, besonders wenn es zur Fortsetzung von Rot-Rot nach dem 17. September käme. Doch ich will es nicht zu einfach machen: Wenn immer mehr andere Bundesländer - und so scheint es in absehbarer Zeit zu werden - Studiengebühren einführen, wird es für ein armes Land wie Berlin immer schwerer, dies nicht zu tun, zumal wir auf starke finanzielle Hilfen der anderen Länder angewiesen sind. Und diese fordern schon jetzt immer lauter, dass wir erst einmal - wie sie - alle Finanzierungsquellen ausschöpfen sollen, bevor sie eventuell zu Hilfen bereit sind.

Deshalb hatte Wissenschaftssenator Thomas Flierl (Linkspartei.PDS) ja ein anderes Modell vorgeschlagen - das der Studienkonten, das auch ich als Alternative zu den drohenden Studiengebühren sehr unterstützt hatte. Während bei Studiengebühren die Studierenden viel Geld zahlen müssen, hätten sie beim Studienkontenmodell etwas bekommen: nämlich geldwerte Studienpunkte für eine entgeltfreie etwa eineinhalbfache Regelstudienzeit. Wer sein Studium schneller beendet, sollte die nicht verbrauchten Punkte behalten und für die Finanzierung etwaiger Weiterbildungen einsetzen können. Wer nebenbei arbeiten oder Kinder betreuen oder Angehörige pflegen muss, hätte nach diesem Modell ein ganz reguläres Halbtagsstudium beantragen und damit die Studienpunkte für die doppelte Zeit nutzen können. Die Zahlung der Punkte für die einzelnen Lehrveranstaltungen sollte erst nach der dritten, vierten Veranstaltung erfolgen, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass man mitunter zu diesem Zeitpunkt Fehlentscheidungen bemerkt und sie korrigieren möchte. Und es sollte eine Härtefallklausel zur Prüfung von Sachverhalten geben, wenn jemand die mit den Studienpunkten ausfinanzierte eineinhalbfache Regelstudienzeit überschritten hätte.

Erst danach hätte nach dem Studienkontenkonten-Modell jedes weitere Semester bezahlt werden müssen, weil Langzeitstudierende ja eine erhebliche Belastung für die Gesellschaft sind und oftmals Studienplätze blockieren, für die es andere Interessenten gibt. Wir hatten uns auch davon versprochen, dass Studierende Druck auf ihre Hochschulen machen würden, wenn von diesen verursachte Schlampereien - wie nicht selten - zu Verzögerungen in den Studienabläufen führen.

Dieses Modell unterstütze ich voll und ganz. Ich habe es bedauert, dass unser Landesparteitag dieses Modell ebenso wie Studiengebühren abgelehnt hat, weil es eine soziale und gerechte Alternative zu Studiengebühren gewesen wäre. Sollte die Situation kommen, dass Berlin von außen unter starken Druck gerät, ebenfalls Studiengebühren einzuführen, werde ich dafür eintreten, das Studienkontenmodell zu nutzen. Kitagebühren zu erheben, ist eigentlich der Tatsache völlig entgegengesetzt, dass die vorschulische Bildung und Erziehung für die Entwicklung aller Kinder elementar wichtig ist. Gerade jetzt, wo wir deutliche Reformprozesse eingeleitet haben, um Kitas zu tatsächlichen Bildungseinrichtungen zu entwickeln, wäre es besonders notwendig, allen Kindern einen Kitaplatz zur Verfügung zu stellen (das können wir in Berlin) und diesen beitragsfrei - mit Ausnahme der Essensbeiträge - zu stellen.

Das kostet aber eine hohe zwei- bis dreistellige Millionenzahl, die man woanders hernehmen müsste. Und genau darüber - das ist meine feste Überzeugung - muss der gesellschaftliche Diskurs geführt werden. So weit sind wir aber noch nicht, weil natürlich jeder der Forderung nach beitragsfreien Kitaplätzen zustimmt, aber gleichermaßen jeder seinen Besitzstand verteidigt, wenn dieser zur Finanzierung beitragsfreier Kitaplätze auch nur teilweise herangezogen werden soll.

Gerade deshalb bin ich ja so ein Anhänger und politischer Beförderer der Idee des Bürgerhaushaltes, weil solche Prioritätensetzungen nur aus der Gesellschaft heraus erfolgen können.

In der praktischen Politik mussten wir aber das genaue Gegenteil tun. Auf Druck anderer Länder, die uns finanziell unterstützen, aber unsere "Ausstattungsvorsprünge" nicht hinnehmen wollten, mussten wir vor einigen Jahren die Kitabeiträge - nachdem sie lange Jahre stabil gehalten werden konnten - erhöhen. Da haben wir uns dann wenigstens in dem Sinne behaupten können, dass wir die Erhöhungen sozial gestaffelt - nach 41 Einkommensgruppen - haben. Die schwachen Schultern - und das sind immerhin über 50 Prozent der betroffenen Eltern - sind nicht mit Gebührenerhöhungen belastet worden, 25 Prozent haben moderate Betragserhöhungen erfahren, und für die übrigen 25 Prozent - die starken Schultern - sind die Beiträge allerdings sehr kräftig erhöht worden. Das ist zwar sozial gerecht, und die Spitzenbeiträge liegen noch immer weit unter den Spitzensätzen in anderen Großstädten (bei uns 400 EUR ab 80.000 EUR Jahreseinkommen, in München beispielsweise 650 EUR), aber es ist - siehe oben - pädagogisch nicht richtig.

Insofern sind wir als rot-rote Koalition sehr froh, dass es uns gelungen ist, ab Herbst 2006 das letzte Kitajahr - die so genannte Vorschule - völlig beitragsfrei zu stellen und den dafür erforderlichen zweistelligen Millionenbetrag nicht aus dem Kinder- und Jugendhaushalt, sondern vor allem aus dem Verwaltungshaushalt (besonders den Mitteln für moderne Informations- und Kommunikationstechnik, was natürlich auch ein Problem ist) zu nehmen. Da sind wir das einzige Bundesland, das diesen Weg geht, und die Einmaligkeit unserer Berliner Lösung wird noch dadurch unterstrichen, dass wir de facto für jedes Kind einen Kitaplatz zur Verfügung stellen können. In den meisten alten Bundesländern kommen auf 100 Kinder ca. 2 bis 3 Vollzeitplätze...

Insgesamt bleibt es aber für die Linkspartei.PDS und auch für mich persönlich ein zentrales Anliegen, völlig beitragsfreie Kitaplätze anzustreben und dieses Thema - ebenso wie dessen Finanzierung durch Umschichtungen - in die sachliche öffentliche Kommunikation zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen
Peter-Rudolf Zotl