Frage an Reinhard Schultz von Lukas A. bezüglich Umwelt
Warum werden so viele Robben umgebracht und auch noch lebend aufgeschlitzt? DAS FINDE ICH EINFACH NUR GRAUSAM
Sehr geehrter Herr Albers,
vielen Dank für Ihr Statement zum Thema Robbenjagd. Auch mir sowie den meisten Kollegen und Kolleginnen im Deutschen Bundestag ist die jährlich im Frühjahr beginnende Jagd auf Sattelrobben und Klappmützen schon seit langer Zeit ein Dorn im Auge.
Ich teile Ihre Meinung, dass aus tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich dabei vorgegangen wird. Bekannterweise ist die Betäubung im Moment des Häutens häufig nicht ausreichend um den Tieren einen schmerzfreien Tod zu garantieren.
Weiterhin ist das Töten von Teilen einer im Moment noch stabilen Population auch im Sinne des Artenschutzes kritisch zu betrachten. Seit der Wiederaufnahme der Robbenjagd im Jahr 1996 wurden allein in Kanada mehr als drei Millionen Sattelrobben getötet. Allein im Jahr 2004 waren es 365 000 und im Jahr 2005 über 300 000. 95 Prozent dieser Robben sind noch keine drei Monate alt.
Noch gehören die Sattelrobben (Phoca groenlandica) nicht zu den bedrohten Arten, sie sind einer der am häufigsten auftretenden Meeressäuger. Ihr Bestand, allein vor der kanadischen Küste, wird auf 5,5 Millionen Tiere geschätzt.
Doch angesichts der hohen Anzahl der Jahr für Jahr getöteten Robben könnte langfristig der Erhalt der Population gefährdet sein, denn neben der Jagd ist der Bestand durch weitere Faktoren wie Klimaänderungen, Beifang bei der Fischerei und Zerstörung des Lebensraums bedroht. Zusätzlich ist die Eisbedeckung der Arktis rückläufig. Dies kann erheblichen Einfluss auf die Populationen haben, da Robbenarten wie Sattelrobbe und Klappmütze zur Vermehrung auf Packeis angewiesen sind.
Die Wiederaufnahme der Robbenjagd im Jahr 1996 wurde unter anderem damit begründet, dass die Robben den Kabeljau zu stark dezimieren würden. Diese Argumentation ist fragwürdig, vielmehr dürfte Überfischung Ursache des Rückganges des Kabeljaubestandes vor Neufundland sein. Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Robben die Bestandserholung des Kabeljaus verhinderten. Die Vorstellung, man könne die Fischbestände durch Verminderung der Zahl ihrer natürlichen Feinde regulieren, ist abwegig und wird auch von der kanadischen Regierung nicht mehr ins Feld geführt.
Sieht man von den traditionellen und deswegen ausdrücklich erlaubten Robbentötungen der Inuit ab, besteht für die Robbenjagd kein zwingendes konsumtives Interesse. Für Fell und andere Produkte gibt es zahlreiche Alternativen.
Zum Schutz der Robben hat der EG-Ministerrat am 28. März 1983 die so genannte Jungrobbenrichtlinie (EG-Richtlinie 129/83) beschlossen. Sie besagt, dass Felle von Jungtieren der Sattel- und Klappmützenrobbe oder Produkte daraus vom 1. Oktober 1983 an nicht mehr in die Mitgliedstaaten eingeführt und dort auch nicht mehr gehandelt werden dürfen. Dieses Verbot hat zunächst dazu beigetragen, die Robbenjagd zu vermindern. Mittlerweile reicht diese Richtlinie aber nicht mehr aus. Die massenhaften Robbentötungen finden einfach zwei Wochen später statt, wenn die Tiere die in der Richtlinie vorgegebene Altersgrenze überschritten haben.
In den USA und in Mexiko ist bereits ein Einfuhrverbot für Robbenprodukte erlassen worden. In Europa haben es Belgien und die Niederlande bereits im Alleingang beschlossen.
Die gezielten Robbentötungen in Kanada unterliegen jedoch den nationalen kanadischen Gesetzen. Ein anerkanntes völkerrechtlich bindendes Abkommen besteht in diesem Bereich nicht. Diplomatische Interventionen der Bundesregierung und der EU-Kommission haben bisher zu keiner Änderung der Haltung der kanadischen Regierung geführt. Solange es keine international geltenden rechtlichen Möglichkeiten gibt, müssen die Europäische Union und Deutschland alle zu Gebote stehenden Maßnahmen ergreifen, die zu einer größtmöglichen Einschränkung der Robbenjagd beitragen.
Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Bundestag bereits am 27.09.2006 einen Antrag an die Bundesregierung gestellt, in welchem er sie aufforderte, sich auf Ebene der EU für ein gemeinschaftsweit gültiges Einfuhr- und Handelsverbot mit Produkten aller Robbenarten einzusetzen und so lange ein solches Verbot nicht zu Stande kommt, den Import, die Be- und Verarbeitung und das Inverkehrbringen von Robbenprodukten in Deutschland wirkungsvoll zu unterbinden.
Zeitgleich hat das Europäische Parlament eine Erklärung angenommen, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wird, unverzüglich den Entwurf einer Verordnung zu erarbeiten, in der die Einfuhr und Ausfuhr und der Verkauf sämtlicher Produkte aus Sattel- und Mützenrobben - mit einer Ausnahmeregelung zugunsten der traditionellen Robbenjagd der Inuit - untersagt werden.
Die Europäische Kommission hatte angekündigt, bis Ende 2007 eine Studie unter Federführung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit erstellen zu lassen, in der u.a. alle vorliegenden wissenschaftlichen Informationen über Tierschutzaspekte bei der Robbenjagd erfasst werden sollen. Auf dieser Grundlage beabsichtigte die Europäische Kommission die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen und ggf. erforderliche Legislativvorschläge zu unterbreiten.
Die Studie liegt inzwischen vor, doch leider hat sich die Europäische Kommission bisher nicht dazu geäußert.
Da sich ein Einfuhrverbot auf EU-Ebene demnächst also nicht abzeichnet, soll nunmehr der Forderung des Bundestages nach einem nationalen Import- sowie Be- und Verarbeitungs- und Inverkehrbringensverbot entsprochen werden.
Der erste Schritt, die Freigabe zur Notifizierung des Gesetzesentwurfes, wurde im März von Brüssel getan. Das Notifizierungsverfahren ist also in Gange. Der Gesetzesentwurf wir gerade innerhalb der Fraktionen beraten, mit der 1. Lesung ist wohl noch in diesem Monat zu rechnen.
Trotz dieser stetigen Fortschritte, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit schon zur Jagdsaison 2009 eine neue, verbesserte Gesetzgebung mit sich führen, bleiben unsere Einflussmöglichkeiten doch begrenzt.
Ein Robbenbann allein hätte kaum mehr als symbolische Bedeutung, denn die EU ist als Markt für Felle nicht sonderlich wichtig. Die Nachfrage kommt hauptsächlich aus China und Russland. Asiens steigender Wohlstand hat den Jägern Rekordpreise beschert. 2006 brachte ein Robbenfell zirka 70 Euro (inklusive dem Speck, der nebenbei Heilmittel wie Omega-3-Öl liefert), mehr als zehnmal so viel wie Anfang der neunziger Jahre. Allein Neufundland exportierte im vergangenen Jahr Robbenprodukte für 36 Millionen Euro.
Solang sich nicht international eine breitere Interessengemeinschaft gegen den Robbenfang bildet, bzw. Kanada und andere Robben-Jagende Länder sich dem Protest beugen, halte ich ein Ende der Jagd für unwahrscheinlich. Seien sie aber versichert, dass der Deutsche Bundestag auch weiterhin nach seinen Möglichkeiten dazu beitragen wird, das Töten zu beenden.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Schultz