Frage an René Röspel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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René Röspel
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Frage von Jochen H. •

Frage an René Röspel von Jochen H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Röspel,

Die Einrichtung einer Infrastruktur eine Zensur des Internets unter dem Deckmantel der Kinderpornographiebekämpfung entbehrt jeder Logik.

Folgende Fakten sprechen gegen diesen dramatischen Einschnitt in die Bürgerrechte.

Fakten dagegen.

-Ausserkraftsetzen der Gewaltenteilung durch Ermächtigung des BKA als schwer kontrollierbare Zensurbehörde.
-Stichprobenartige Kontrolle der Liste durch fünf Sachverständige anstatt einen Richter zu berufen der über jede Sperrverfügung urteilen muss.
-Der Bundesdatenschützer soll zum Zensurwächter werden was er schon im Vorfeld abgelehnt hat, das scheint mir ein unausgereifter Schnellschuss zu sein.
-Falsche Zahlen die einen Anstieg der Pädokriminalität um 100% angeben anstatt die aktuelle Entwicklung von -25% zu berücksichtigen.
-Das BKA nutzt schon jetzt nicht die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Bekämpfung der Pädokriminalität. Löschung einiger Seiten wurde im Gegensatz dazu von Zensurkritikern schon erreicht. Dies zeigt ganz deutlich das eine Sperrliste kontraproduktiv einer Löschung entgegen steht.
-Die Arbeit von Ermittler wird durch die Zensur erschwert, die Gefahr von übergriffen von pädophil veranlagten wird dadurch verstärkt.
-Verhältnismässigkeit. Der Nutzen (welcher Nutzen?) steht keiner Relation zu den Eingriffen in die freie Meinungsbildung eines Demokratischen Staates.
-Die Möglichkeit einer Ausweitung der Zensurinfrastruktur auf andere Themen wurde kategorisch verneint.
Eine Stunde später fordert der bei der Debatte anwesende CDU-Generalsekretär Thomas Strobl, der als Mitglied einer schlagenden Verbindung schon blutige Kämpfe mit echten Waffen ausgetragen hat, eine Ausweitung der Zensur auf sogenannte Killerspiele.

Warum haben sie diesem Gesetz zugestimmt?
Kannten Sie diese Fakten oder können Sie diese Widerlegen?

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Hoff

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SPD

Sehr geehrter Herr Hoff,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Internet-Sperren, die ich leider erst jetzt beantworten kann (wir hatten noch eine Reihe mindestens genauso wichtiger anderer Gesetzgebungsverfahren abzuschließen). Vorab darf ich deutlich machen, dass ich kein Internet-Experte bin und zur Meinungsbildung auf die unterschiedlichsten Quellen und Informationen angewiesen war und bin. Das hat mir die Entscheidung allerdings auch nicht leichter gemacht.
Mit dem Gesetz wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen. Auch aus anderen Debatten wissen wir, dass Technologie allein keine Lösung ist. Grundlegende Antworten auf Pädophilie wird man deshalb in gesellschaftlichen oder therapeutischen Ansätzen finden. Ein Beispiel dafür ist das Projekt der Charité in Berlin "lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?" ( http://www.kein-taeter-werden.de/ ).
Wenn aber der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke sagt, 80 % der Nutzer seien Gelegenheitstäter und könnten mit einem Stopp-Schild abgeschreckt werden und Kinderschutzbund, Unicef, Deutsches Kinderhilfswerk davor warnen, die Maßnahmen schon jetzt als wirkungslos zu bezeichnen (u.a. Westfälische Rundschau, 19.06.09), empfiehlt sich eine differenzierte Betrachtung.
Von zentraler Bedeutung ist und bleibt für mich in dieser Debatte Artikel 5 Absatz 1 Grundgesetz: "Eine Zensur findet nicht statt." Einzig die Einschränkung durch Art. 5 Abs. 2 halte ich für gerechtfertigt (und vom Parlamentarischen Rat klug und weise gewählt): "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Diese Artikel haben für mich hohe Bedeutung.
Ich sehe aber nicht, an welcher Stelle tatsächlich heutige Internetnutzer in ihrer Freiheit auf Information eingeschränkt werden oder Zensur ausgeübt wird. Das ist bitte nicht zu verwechseln mit dem Verfolgen eines Straftatbestandes! Im Sinne des Art. 5 Abs. 2 gibt es bereits heute eine Infrastruktur, die verhindert, dass am Kiosk Kinderpornografie zu kaufen ist - und die nicht Zensur bezweckt, sondern Straftaten verfolgt/verhindert.
Ich bin allerdings auch lernfähig und zu Kritik bereit. Wenn Sie mir konkrete Beispiele nennen, an denen infolge dieses Gesetzes Zensur ausgeübt wird, werde ich mich sofort einschalten und - wenn nötig - mich für eine Veränderung einsetzen.

Insofern sehe ich auch keinen "dramatischen Einschnitt in die Bürgerrechte" und kann auch nicht jede Logik oder Begründung ihrer Spiegelstriche nachvollziehen, die Sie als "Fakten" bezeichnen, mir aber eher als Behauptungen erscheinen:
- bei der Beurteilung durch das BKA bzw. ein fünfköpfiges Gremium, ob ein Straftatbestand vorliegt, sehe ich kein "Außerkraftsetzen der Gewaltenteilung" - der Rechtsweg bleibt offen! (siehe unten)
- Beim Vorwurf der "falschen Zahlen" weisen immer drei Finger auf einen zurück. Kriminalitätsstatistik ist immer schwierig: Mit jeder durchgeführten Razzia am Bahnhof steigt die Drogenkriminalität, mit jeder unterlassenen reduziert man die Zahlen . Deshalb ist die Statistik für meine Entscheidung nicht ausschlaggebend.
- Löschen ist offenbar besser als sperren. Warum löschen aber einer Zensur eher entgegentreten soll als sperren, bleibt mir ein Rätsel. Wenn gelöscht wird, sieht man Zensur nicht mehr .(s.u.)
- Dass die Gefahr von Übergriffen pädophil Veranlagter durch diese Maßnahmen verstärkt werden soll, erschließt sich mir nicht und ist sicher auch kein Faktum.
- Auf den Nachweis des "Eingriffs in die freie Meinungsbildung" bin ich nach wie vor sehr gespannt. (s.o.)
- Für Äußerungen eines CDU-Generalsekretärs bin ich nicht verantwortlich. Ich habe eine andere Position dazu.

Detailerläuterungen entnehmen Sie bitte der folgenden Auflistung, von denen in der Diskussion offenbar auch nicht alle bekannt sind:

Kontrolle der BKA-Liste:
Die Neuregelung nimmt den Wunsch nach mehr Transparenz auf und etabliert ein unabhängiges Expertengremium beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Mit Blick auf die vornehmlich juristischen Aufgaben, nämlich zu bewerten, ob Inhalte die Voraussetzungen des § 184 b StGB erfüllen, muss die Mehrheit der Mitglieder des fünfköpfigen Gremiums die Befähigung zum Richteramt haben. Die Mitglieder sind berechtigt, die Sperrliste jederzeit einzusehen und zu überprüfen. Mindestens einmal im Quartal erfolgt zudem zusätzlich auf der Basis einer relevanten Anzahl von Stichproben eine Prüfung, ob die Einträge auf der Sperrliste den Voraussetzungen des Paragraphen 1 Satz 1 erfüllen. Sollte die Mehrheit des Gremiums zu der Auffassung kommen, dies sei nicht der Fall, hat das Bundeskriminalamt den Eintrag bei der nächsten Aktualisierung von der Liste zu streichen. Das Expertengremium wird vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für die Dauer der Geltung des Gesetzes (31. Dezember 2012) bestellt.
"Löschen vor Sperren":
Die Regelung kodifiziert den Grundsatz "Löschen vor Sperren". Danach kommt eine Sperrung durch die nicht verantwortlichen Internet-Zugangsvermittler nur dann in Betracht, wenn eine Verhinderung der Verbreitung der kinderpornografischen Inhalte durch Maßnahmen gegenüber dem Verantwortlichen nicht möglich oder nicht in angemessener Zeit Erfolg versprechend ist.
Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
Spezialgesetzliche Regelung:
Die im Gesetzentwurf bisher für das Telemediengesetz vorgeschlagenen Regelungen zur Zugangserschwerung werden in eine spezialgesetzliche Regelung überführt. Ausschließliches Ziel des Gesetzes ist die Erschwerung des Internetzugangs zu kinderpornografischen Inhalten. Mit dem neuen Regelungsstandort in einem besonderen Gesetz soll noch deutlicher werden, dass eine Zugangserschwerung auf weitere Inhalte ausgeschlossen bleiben soll. Der Änderungsantrag geht damit auf die vielfach geäußerten Befürchtungen ein, die Zugangserschwerung könnte mittelfristig weiter ausgedehnt werden. Die Ausweitung des Access-blocking auf andere Themen ist mit diesem Gesetz somit, auf Drängen der SPD, eine ganz klare Absage erteilt wurden. Wenn die CDU hier mehr oder etwas anderes will, muss sie ein neues Gesetz machen.
Befristung:
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist bis zum 31.12.2012 befristet. Auf der Grundlage der nach zwei Jahren vorzunehmenden Evaluierung wird der Gesetzgeber in die Lage versetzt, zu prüfen und zu bewerten, ob die Maßnahme erfolgreich war, um endgültig zu entscheiden.

Im Ganzen glaube ich, dass nach denen durch die SPD erreichten oben genannten Änderungen das Gesetz verhältnismäßig ist. Dazu haben auch die vielen konstruktiven Beiträge aus der "Internet-Community" geführt.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Ausführungen meine Entscheidung habe erläutern können und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
René Röspel