Frage an Stefan Grabrucker von Franz P. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Grabrucker,
ich arbeite als Heilerziehungspfleger im Einrichtungsverbund Betrreuungszentrum Steinhöring, nachfolgend EVBZ genannt. Unsere Einrichtung betreut in den Landkreisen Erding, Ebersberg und Rosenheim derzeit ca. 1600 Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen in allen Altersstufen. Wir beschäftigen momentan um die 720 Mitarbeiten, die zum Teil durchaus anspruchsvollen körperlichen Belastungen ausgesetzt sind.
In meiner Rolle als Mitarbeitervertreter (gleichzusetzen mit Betriebsräten in Nicht-kirchlichen Einrichtungen) befasse ich mich immer wieder mit folgender Frage:
Wie kann man altgediente Mitarbeiter weiterbeschäftigen, die aufgrund jahrzehntelanger körperlicher und/ oder pflegerischer Tätigkeit einen bleibenden Rückenschaden haben?
Hierbei handelt es sich meist um KollegInnen mit pflegerischer Ausbildung, die täglich zu betreuende Personen heben und tragen müssen. Meist ist die langjährige Beanspruchung der Grund für einen Bandscheibenvorfall oder ähnliches.
Wir sehen für diese Personen nur schlechte berufliche Perspektiven, da sie eine Beschäftigung benötigen, die:
A) nicht erlaubt, mehr als 5 Kg zu heben
B) abwechselnd im stehen, sitzen und gehen stattfinden muss
C) für einen Personenkreis sein muss, der meistens noch zehn bis fünfzehn Jahre zur Rente hat
Für eine Rückmeldung bis zehn Tage vor der Wahl wäre ich Ihnen dankbar, um Ihre Antwort innerbetrieblich weitergeben zu können.
Ich stelle meine Frage auch die anderen Bewerber der konkurrierenden Parteien.
Haben Sie vielen Dank für Ihre Rückmeldung,
mit freundlichen Grüßen,
Franz Pointner
P.S.: Diese Frage stellt sich natürlich auch für viele Bedienstete im Krankenhaus- und Seniorenbereich
Sehr geehrter Herr Pointner,
vielen Dank für Ihre Frage, in der Sie auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam machen, das sicherlich auch andere Berufsgruppen beschäftigen dürfte. Bei der Diskussion um die Rente mit 67 wurden in der Öffentlichkeit ja z.B. Bauarbeiter oder Polizisten thematisiert, auch ihre Berufsgruppe zählt sicherlich zu den physisch belastenden Tätigkeiten. An der Dauer bis zu meiner Antwort erkennen Sie vielleicht schon, dass ich mir einige Gedanken zu Ihrer Frage gemacht habe, ich fürchte aber, dass ich einräumen muss, keinen Königsweg gefunden zu haben. Trotzdem darf ich Ihnen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im EVBZ einige Ideen schildern.
Zunächst ist natürlich sicherzustellen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ideale Zustände im beruflichen Umfeld vorfinden. Das heißt, dass das Pflegepersonal in der Ausbildung und während der Tätigkeit auch erfährt, wie man körperliche Belastungen abfedert, z.B. durch bestimmte Bewegungsabläufe und Übungen. Es gibt bei BMW beispielsweise ein interessantes Forschungsprojekt zur Anpassung der Arbeitssituation an die älter werdenden Arbeitnehmer dort. Die Arbeitsbereiche wurden entsprechend angepasst, es gibt technische Hilfsmittel und z.B. auch eine fest angestellte Physiotherapeutin, die während der Arbeitszeit Entspannungs- und Kräftigungsübungen durchführt. Zumindest in größeren Einrichtungen könnte ich mir die Übertragung dieser Projektideen auch auf Ihren Arbeitsbereich gut vorstellen.
Selbstverständlich sollten auch Angebote gemacht werden, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umzuschulen oder fortzubilden - allerdings ist mir klar, dass sich jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter bewusst für den Beruf des Heilerziehungspflegers entschieden hat und evtl. nicht unbedingt als Pförtner oder in der Verwaltung arbeiten möchte, bzw. gerne in der Einrichtung verbleiben und den Arbeitgeber nicht wechseln will.
Einen Lösungsansatz bietet auch die derzeitige Debatte um den Einsatz von Langzeitarbeitslosen für die Betreuung von Demenzkranken. Ich lehne diesen Vorschlag, der leider von der Bundeskanzlerin und den Regierungsparteien aktiv unterstützt wird, kategorisch ab. Ein Heilerziehungspfleger wendet für seine professionelle Ausbildung fünf Jahre auf. Dies kann sicherlich nicht durch einen "Schnellkurs" ersetzt werden.
Andererseits wissen wir schon heute, dass im pflegerischen Bereich
händeringend professionelles Personal gesucht wird und der Bedarf wird in
den nächsten Jahrzehnten sicherlich noch höher.
Ich denke, dass im Bereich der betreuenden Pflege - z.B. für Demenzkranke - hier eine Lösung für Ihren angesprochenen Personenkreis gefunden werden kann. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine professionelle Ausbildung, können jedoch aufgrund der jahrelangen körperlichen Tätigkeit keine schweren Arbeiten mehr ausführen. Dieser Personenkreis wäre doch gerade prädestiniert für die Betreuung von Demenzkranken, die keine körperliche Beeinträchtigung haben und trotzdem eine pflegerische Hilfe in ihrem Alltag brauchen.
Ein weiteres Betätigungsfeld könnte sicherlich die Ausbildung sein, bei der die erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr praktisches Wissen einbringen können. Wenn man bedenkt, dass z.B. Zivildienstleistende im Durchschnitt nur etwa drei bis fünf Tage in ihr neues Aufgabengebiet eingeführt werden, sehe ich darin durchaus eine sinnvolle Option.
Leider waren die letzten Jahre gekennzeichnet von teilweise drastischen Kürzungen im Sozialwesen durch die CSU-Mehrheit im Landtag und durch die Staatsregierung. Aber das wissen Sie besser als ich. Das darf meiner Meinung nach so nicht fortgesetzt werden. Kürzungen bei Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen, bei Blinden, bei der Jugend- und Familienhilfe lehnt die ödp ab.
Im Vordergrund unseres Denkens steht der Mensch, nicht Minuten und
größtmögliche Wirtschaftlichkeit.
Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mir auch Ihre Ideen und Konzepte mitteilen könnten. Die ödp im Bayerischen Landtag und im Bezirkstag wird sehr gerne bereit sein, sich dieser Thematik anzunehmen.
Mit herzlichen Grüßen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im
Einrichtungsverbund Betreuungszentrum Steinhöring,
Stefan Grabrucker