Frage an Sven Fuchs bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sven Fuchs
PIRATEN
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Frage von Bogdan K. •

Frage an Sven Fuchs von Bogdan K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo,

ich habe zum Transparenz-Thema eine einfache Frage an Sie: was halten Sie von einer „quasi Direkt Demokratie“, die mit modernen Mitteln der Informatik heutzutage schon realisierbar ist? Würde Sie eine nicht Anonymisierte (also Authentifizierte) Abstimmung ihrer Wähler beziehungsweise nur den Anhänger ihrer Partei aus ihrem Wahlkreis befürworten und dementsprechend auch abstimmen? Haben Sie überhaupt sich darüber schon Gedanken gemacht, wie man so etwas in einem Parlamentarischen System umsetzen könnte?

Anderes Thema. Sie schreiben in einer Ihrer Antworten „...Das Land Baden-Württemberg ist bei der Anzahl der beschäftigten Steuerprüfer Schlusslicht und könnte Berichten zufolge auf der von der OECD veröffentlichten schwarzen Liste der Steuerparadiese landen. ...“
Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen: sollen wir jetzt ein Steuerüberprüfungs-Staat sein und noch weiter kriminalisiert werden? Dann würde die Schaffung eines "gläsernen" Bürgers diesen Vorhaben sehr behilflich sein... Sehen sie da keinen Widerspruch? Wäre es nicht einfacher auf eine „individuelle“ Einnahmesteuer zu verzichten und stattdessen sich nur auf Mehrwertsteuern (oder ähnlichen Steuer auf eine andere stelle-) zu konzentrieren?

Gruß,
Bogdan

Antwort von
PIRATEN

Hallo Bogdan Klosek,

ich hoffe diese Antwort erreicht Sie noch rechtzeitig am heutigen Wahltag.

Ich verstehe Ihre erste Frage so, dass Sie sich die Frage stellen ob nach einer Wahl noch Einfluß auf den Abgeordneten mittels angesprochener IT möglich ist, also das die Mandatsträger stärker an die Beschlüsse und Meinungen der Parteibasis in Ihrem Abstimmungverhalten gebunden werden. So etwas wie ´Parteizwang´ vergleichbar zu ´Fraktionszwang´.

Das ist ein interessanter Ansatz, der sich aber sehr weit von der vom Grundgesetz garantierten Gewissensfreiheit des Abgeordneten entfernt. Wenn es so ein technisches Mittel gäbe, wäre der Mandatsträger quasi von den Mitgliedern seines Wahlkreises "ferngesteuert". Und ich denke das würde sich nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren lassen auch wenn es den Eindruck einer "direkteren" Demokratie vermittelt.

Wir arbeiten intern in der Partei an "Liquid Democracy", und hier mit dem Werkzeug "Liquid Feedback", welches auch innerhalb der Partei nicht unumstritten ist. Auf Bundesregierungsebene wird bei der Enquetekommission "Internet und digitale Gesellschaft" mit dem Werkzeug "Adhocracy" gearbeitet. Wir stehen als Demokratie generell derzeit erst am Anfang der Möglichkeiten, und so etwas wäre direkt im Parlamentarischen System selbst nicht machbar momentan.

Jedoch sind wir Piraten "an dieser Sache dran" und eine der wenigen Parteien, die damit schon gute sowie schlechte Erfahrungen haben, und ich denke das auch Ihre Idee eine Diskussion verdient.

Zur zweiten Frage zitiere ich unser Wahlprogramm:
"Den öffentlichen Haushalten gehen durch Steuerbetrug Milliarden an Einnahmen verloren, da Steuerhinterziehung häufig nicht aufgedeckt und somit geahndet werden kann. Neben dem Personalmangel bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung sind dafür auch die kurzen Prüfzeiten verantwortlich, zu denen die Betriebsprüfer angehalten sind.

Wir setzen uns dafür ein, dass Steuerprüfer wirklich unabhängig arbeiten können. Die Prüfzeiten sollen in Großbetrieben ausgeweitet werden, um eine ausreichende Prüfung zu gewährleisten. Die Umsatzsteuerprüfungen sollen durch Bereitstellung von Steuerprüfern des Landes gestärkt werden. Bereits existierende Zusagen und Vereinbarungen mit dem Bund sollen konsequent umgesetzt werden."

Das Land Baden-Württemberg (wie auch Bayern) beschäftigt mit Abstand die wenigsten Steuerprüfer, und dies bewusst. Dabei geht es nicht um den "gläsernern" Bürger, sondern wie oben beschrieben, um Betriebe. Es wird ja kein neues oder anderes Gesetz geschaffen, sondern in den entsprechenden Abteilungen sollen soviele Prüfer angestellt sein, wie benötigt werden.

Die angesprochene Änderung weg von "individuellen" Steuern hin zu einer reinen (und einzigen) Konsumsteuer, ist eine Idee die in vielen Diskussionen von Modellen schon Anklang fand, z.B. bei diversen neuen Steuersystemen (etwa F. Merz und P. Kirchoff) oder auch bei Ideen über BGE-Systeme.

Es wäre eine sehr radikale Umstellung unseres derzeitigen Steuersystems und bisher haben wir uns in der Partei meines Wissens (noch) nicht mit dieser Idee auseinandergesetzt. Persönlich habe ich mir dazu noch keine abschliessende Meinung bilden können.

Ich hoffe ich konnte Ihre Fragen ausreichend bedienen - einen schönen Sonntag,

Sven Fuchs