Frage an Sylvia Canel von Frank H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Canel,
folgende Gegebenheit mit sowohl bildungs- als auch rechtspolitischem Bezug möchte ich gerne über Abgeordnetenwatch.de an Sie herantragen und versuche mich dabei bewusst kurz zu fassen:
Im gesamten Bildungssystem der Bundesrepublik gibt es das Rechtsinstitut (ich nenne es einfach mal so) des „endgültigen Nicht-Bestehens“. Demnach gibt es für die Kandidaten nur eine begrenzte Anzahl von Prüfungsversuchen (meist 2), um zu einem bestimmten Bildungsabschluss zu gelangen. Das gilt praktisch durchgehend von Schul- über Berufs- bis hin zu Studienabschlüssen. Wer „endgültig“ nicht besteht, kann den betreffenden Abschluss in Deutschland lebenslang nicht mehr erwerben.
Worin liegt aber der „Grund“, die (dogmatische) Berechtigung einer solchen Regelung? Ist es politisch richtig bzw. vertretbar, dass jemand wegen gescheiterten Prüfungen Berufswege (im Extremfall gar grundlegende Schulabschlüsse!) für immer versperrt werden, obwohl zu späterem Zeitpunkt die erforderlichen Voraussetzungen vielleicht vorhanden sein könnten?
Es erscheint zwar einleuchtend, von Seiten des Gesetzgebers verhindern zu wollen, dass jemand mehrfach unbedarft in Prüfungen hineingeht, bis irgendwann zufällig ein bestimmter Teil des Prüfungsstoffes abgefragt wird – aber wäre da nicht eine Sperrfrist die bessere Lösung (ich denke da an ca. 5 bis 10 Jahre)?
Dem Normalbürger in der Laiensphäre ist es jedenfalls nur schwer plausibel zu machen, dass selbst zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Schwerverbrecher aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Bewährungschance nach regelmäßig 15 Jahren erhalten, ein negatives Prüfungsurteil aber tatsächlich lebenslänglich gilt.
Mich würde dazu einfach mal Ihre Meinung als Fachpolitikerin interessieren!
Mit freundlichen Grüßen
Frank Heuß
Sehr geehrter Herr Heuß,
der rückwirkende Erwerb grundlegender Bildungsabschlüsse ist jederzeit möglich. In ganz Deutschland lassen sich alle Schulabschlüsse nachholen. In jedem Bundesland gibt es hierzu eine Vielzahl von Einrichtungen und Bildungsinstitutionen, an welchen über den Zweiten Bildungsweg der Schulabschluss nachgeholt werden kann. Mittlerweile bestehen zahlreiche Möglichkeiten, um etwa das Abitur auch parallel zur Berufsausbildung oder zur Erwerbstätigkeit nachzuholen. Informationen hierzu finden Sie auf der folgenden Seite: http://www.bildungsserver.de/Schulabschluesse-nachholen-Zweiter-Bildungsweg-4479.html . Zudem gibt es zum Beispiel auch die Möglichkeit ohne Abitur zu studieren. Wichtig ist hierbei eine mehrjährige Berufserfahrung. Hier gelten von Bundesland zu Bundesland verschiedene Regelungen. Kommt es im Studium durch endgültiges Nichtbestehen zu einer Exmatrikulation zwingt das zu einer Neuorientierung - häufig im Nachhinein zum Vorteil der Betroffenen. Die Allerwenigstens würden sich wohl noch einmal für dasselbe Studienfach, die Allermeisten dahingegen für eine alternative Ausbildung entschieden und werden damit recht glücklich und zufrieden sein.
Der Vergleich zwischen der Prüfungspraxis in Deutschland und unserer Strafvollstreckung muss daher hinken. Denn während die Haft der Resozialisierung dient, zielen die Normen im Rahmen des Erwerbs eines Abschlusses darauf ab, nicht nur das Ausbildungssystem vor einer Überlast sondern auch den Einzelnen vor sich selbst zu schützen.
Mit freundlichen Grüßen
Sylvia Canel