Frage an Thilo Hoppe bezüglich Umwelt

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Thilo Hoppe
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Lucas C. •

Frage an Thilo Hoppe von Lucas C. bezüglich Umwelt

Lieber Herr Hoppe,

Meine Frage betrifft Biokraftstoff
Ich bin was die ethische Dimension der alternativen Energieressource stark verunsichert.

Auf der einen Seite weisen Kritiker darauf hin, dass die Förderung von Plantagen für Biokraftstoffe einen Anstieg der Lebensmittelpreise, Brandrodungen und eine Verknappung der Lebensmittel in produzierenden 3. Welt Ländern verantwortet.
Auf der anderen Seite werden diese Einwände von SPD, FDP und CSU als nicht haltbar verworfen.

Meine Fragen:
1. Wie beurteilt B90/ Grüne die Auswirkungen der Förderung von Biokraftstoffen? Auf welche Expertise stützt sie sich?
2. Unterstützen B90/Grüne die Förderung von Biokraftstoffen?
3. Gibt es zu dieser Thematik Partei/Fraktions/Programmbeschlüsse?
4. Unterstützt B90/Grüne eine andere Form alternativer Energieressourcen als Kraftstoffe?

Meine Sorge ist, wenngleich ich um die Umweltbelastungen sehr besorgt bin, dass die Industrieländer in der Suche nach alternativen Energien die Armut und Unterversorgung der Menschen in Entwicklungsländern verstärkt.

herzlichen Dank

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Lieber Herr Castro,

in der Tat führt der Anbau von Biokraftstoffen in der jetzigen Dimension häufig zu ökologischen und sozialen Verwerfungen. Der großflächige Anbau von Ölpalmen, Zuckerrohr und co in Asien, Afrika und Lateinamerika geht nicht selten einher mit der Rodung von Regenwald, der Vertreibung der ansässigen Bevölkerung und der gewaltvollen Einschüchterung von Indigenen und Kleinbauern, die sich gegen die Ausweitung der Plantagen wehren.

1. und 2.:
Wir Grünen sprechen uns gegen die starre Beimischungsquote von 10% aus. Dadurch wird der Biokraftstoffmarkt den transnationalen Mineralölkonzernen ausgeliefert. Reine Biokraftstoffe aus lokalen Kreisläufen, wenn sie aus Abfallstoffen oder in nachhaltiger Weise hergestellt werden, können sinnvoll sein. Hierfür haben wir uns immer eingesetzt. Klar ist, dass der Teller immer Vorrang haben muss vor dem Tank (food first): Erst wenn die Ernährung aller Menschen gesichert ist, kann darüber nachgedacht werden, wie die restliche Biomasse am sinnvollsten verwendet werden kann. Hierbei sollte Deutschland des weiteren so weit wie möglich den Energiebedarf auf heimischer Produktion decken, d.h. nicht riesige Ackerflächen in anderen Teilen der Welt für den eigenen Energiehunger in Anspruch nehmen. Der Import von Biokraftstoffen muss immer an die Einhaltung strenger Meschenrechts-, Sozial- und Umweltkriterien gebunden werden.
Die populistische Verkürzung auf eine Abschaffung von E10, wie Bundesminister Niebel sie vorgenommen hat, sehen wir hingegen kritisch. Es ist richtig, dass die Beimischungsquote abgeschafft werden sollte oder wenn dann flexibel gestaltet (also bei steigenden Nahrungsmittelpreisen und Ernteengpässen stark gesenkt werden sollte). Allerdings macht E10 nur 8,6% des Gesamtbiokraftstoffverbrauchs in Deutschland aus, da im Standardbenzin auch 5% Biokraftstoff beigemischt ist und in Diesel 7%. Eine Abschaffung von E10 würde somit wenig bewirken. Zudem dürfen die anderen und noch viel bedeutenderen Preistreiber nicht ausgeblendet werden: Futtermittel für unsere Massentierhaltung und Fleischexporte sowie Spekulation mit Nahrungsmitteln. Weltweit werden auf ein Drittel aller Ackerflächen Futtermittel angebaut, während Energiepflanzen nur ca. 3% einnehmen. Diese Unterschiede in der Dimension relativiert dennoch nicht die Tatsache, dass Land Grabbing häufig zum Anbau von Energiepflanzen stattfindet.
Wir stützen uns auf die Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina (Juli 2012), die Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestags, die Studien der EU-Kommission sowie diverse Studien von Nichtregierungsorganisationen.

3. Zu der Problematik von E10 und Welternährung gibt es einen Fraktionsbeschluss von diesem September: http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/Beschluss_Welternaehrung.pdf

4. Wie oben genannt, halten wir reine Biokraftstoffe aus lokalen Kreisläufen für sinnvoll, wenn sie aus Abfallstoffen (2. Generation) oder nachhaltig gewonnen werden. Für weitere alternative Energieressourcen würde ich Sie gerne an meinen Kollegen Hans-Josef Fell verweisen, den Fraktionssprecher für Energiepolitik.

Herzliche Grüße,

Thilo Hoppe