Frage an Thomas Feist bezüglich Wirtschaft

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Thomas Feist
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Frage von Werner W. •

Frage an Thomas Feist von Werner W. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Feist,

auch Sie haben sowohl dem ESM als auch dem Fiskalpakt zugestimmt. Wie meinen Sie wird der ESM bei der Bewältigung der Krisen in Spanien, Italien und ggf. auch Zypern helfen?

Sind Sie der Auffassung dass auch Länder mit Steuerdumping wie Zypern Geld aus dem ESM erhalten sollte, m.a.W. sind Sie der Auffassung dass Steuergelder dafür genutzt werden sollten um Steuerflüchtlingen Steueroasen zu erhalten?

Sehen Sie die "Ewigkeitsgarantie" des Fiskalpaktes als unproblematisch an und wenn ja warum?

Erklären Sie mir als Wähler warum ich noch zur Wahl gehen soll (ausser andere Parteien zu wählen) wenn Sie bereits jetzt wesentliche Funktionen des Parlamentes mittels Ihres Abstimmungsverhaltens an demokratisch nicht legitimierte Instanzen abtreten?

Bitte teilen Sie mir abschließend mit woher Sie im Bürgschaftsfall die mehr als 100 Milliarden Euro zu nehmen entschlossen sind um wieder systemrelevante Banken zu sichern. In der Hoffnung auf baldige Antwort und den besten Wünschen für einen schönen Urlaub verbleibe ich

Mit freundlichen Grüßen

Werner Willeke

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CDU

Sehr geehrter Herr Willeke,

vielen Dank für Ihre Fragen zum ESFS und ESM. Auf Grund des Sachzusammenhangs beantworte ich diese Fragen gemeinsam.

Es ist für alle offensichtlich geworden, dass die Währungsunion in der Form, wie sie in den ersten Jahren ihrer Existenz aufgestellt war, nicht dauerhaft existieren kann. Ich hab dem ESM zugestimmt, weil ich davon überzeugt bin, dass er zu einer verbesserten Stabilitätsarchitektur in Europa beitragen wird. Der ESM-Vertrag setzt aus meiner Sicht ein deutliches Signal für nachhaltige Stabilität innerhalb Europas. Denn es können Situationen auftreten, in denen akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder kurzfristig von ihren Partnern unterstützt werden müssen. Denn ein im Falle des Nichthandelns möglicher Flächenbrand hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte.

Eine Studie der Prognos AG im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hat mit volkswirtschaftlichen Berechnungen die Folgen eines Griechenlandaustrittes untersucht. Leider sind diese noch schlimmer als allgemein angenommen: „Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro trägt das Risiko eines europäischen und sogar internationalen Flächenbrandes und könnte eine weltweite Wirtschaftskrise zur Folge haben. Zu den Betroffenen würden nicht nur die Südeuropäer oder die Mitglieder der EU, sondern auch die USA, China und andere Schwellenländer gehören.[…] Deutschland müsste auf 1,7 Billionen Euro verzichten und insgesamt 455 Mrd. Euro Forderungen abschreiben. Hier wären die wirtschaftlichen Einbußen in Deutschland mit mehr als 21.000 Euro pro Kopf teilweise noch höher als in den Ausstiegsländern, Griechenland mit mehr als 15.000 Euro, Portugal und Italien mit fast 17.000 Euro sowie Spanien mit 20.500 Euro. Die Bevölkerung wäre in der Folge auch durch ansteigende Arbeitslosigkeit betroffen: So würde allein in Deutschland die Zahl der Arbeitslosen bis zum Jahre 2015 um mehr als eine Million ansteigen.“ In Ihrem Fazit kommen die Autoren zu dem Schluss: „Ein zunächst isolierter Austritt Griechenlands und sein Staatsbankrott wären zwar ökonomisch verkraftbar, könnten aber mit ihren schwer kalkulierbaren Folgen die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzen, die auch vor außereuropäischen Volkswirtschaften keinen Halt machen würde. Neben den rein ökonomischen Konsequenzen ist auch mit erheblichen sozialen Spannungen und politischen Instabilitäten zu rechnen – vor allem in den Ländern, die aus dem Euro ausscheiden, aber auch in anderen Volkswirtschaften. Die Gefahr eines Flächenbrandes mit seinen wirtschaftlichen Konsequenzen und seinen politischen wie sozialen Folgewirkungen eines griechischen Staatsbankrotts und Austrittes aus dem Euro sind so bedrohlich, dass die internationale Staatengemeinschaft – auch außerhalb Europas – beides verhindern sollte.“ http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/bst/hs.xsl/nachrichten_113793.htm ).

Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die kurzfristige zielgerichtete Krisenhilfe sein, ganz ausdrücklich nicht die dauerhafte Alimentierung von Staaten. Der ESM darf daher nicht isoliert von den anderen, ebenso wichtigen Bausteinen für eine dauerhaft stabile Währungsunion betrachtet werden. Eine Währungsunion kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft solide wirtschaftet und wettbewerbsfähig ist. Ein fundamentaler Baustein im neuen Regelungsgefüge Europa ist neben dem ESM daher auch der am 30. Januar von den Staats- und Regierungschefs fast aller Mitgliedstaaten beschlossene Fiskalvertrag. Die Einführung von Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild in allen anderen Euro-Staaten, die mit diesem Vertrag verpflichtend sein wird, ist eine entscheidende Weichenstellung für die Stabilisierung unserer Gemeinschaftswährung. Im Vertrag sind auch Maßnahmen zu einer verbesserten wirtschaftspolitischen Koordinierung sowie für mehr Konvergenz enthalten.

Um eine enge Verzahnung der Aspekte kurzfristige Krisenhilfe und mittel- bis langfristige Solidität der Empfängerländer zu gewährleisten, fußt der ESM auf dem Grundsatz, dass Solidarität nur bei entsprechender fiskalpolitischer Solidität gewährt werden kann. Leistungen des ESM dürfen daher auch nur von Staaten beansprucht werden, die die Vorgaben des Fiskal-Vertrages umsetzen – insbesondere die der nationalen Schuldenbremsen. Sinn macht das Ganze nur, weil der ESM als Institution auf Dauer angelegt ist. Diese Dauerhaftigkeit soll das so wichtige Vertrauen in die europäischen Staaten wieder herstellen. Ich sehe daher, die Ewigkeitsgarantie, wie Sie es nennen, positiv und nicht negativ.

Es ist in keiner Weise so, dass wir mit dem ESM unsere Verpflichtung für einen verantwortungsvollen Umgang mit deutschen Steuergeldern aus der Hand geben. Der Deutsche Bundestag wird seine Haushaltsverantwortung im Zusammenhang mit dem ESM in vollem Umfang wahrnehmen. Etwas anderes würde auch das Bundesverfassungsgericht nicht zulassen. Der Deutsche Bundestag hat nicht nur den ESM-Vertrag durch ein Zustimmungsgesetz ratifizieret und den deutschen Beitrag zum Stammkapital des ESM genehmigt. Der Deutsche Bundestag oder seine Gremien werden auch danach bei allen Entscheidungen einbezogen, wenn dies die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages erfordert. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen, einem in Not geratenen Euro-Mitgliedstaat eine Finanzhilfe zu gewähren. Die konkreten Beteiligungsrechte wurden in einem Gesetz zur Umsetzung des ESM-Vertrags geregelt. Fakt ist: Alle wesentlichen Entscheidungen, die der ESM treffen kann, einschließlich der Gewährung von Finanzhilfen oder Änderungen am gezeichneten Kapital, müssen einstimmig durch den Gouverneursrat des ESM getroffen werden. Deutschland verfügt über seinen Vertreter im Gouverneursrat dabei bei allen wichtigen Entscheidungen des ESM über ein Vetorecht. Mit dem ESM-Finanzierungsgesetz wurde dieses Vetorecht dem Deutschen Bundestag übertragen, indem dem Abstimmungsverhalten des deutschen Vertreters im Gouverneursrat ein umfangreicher Parlamentsvorbehalt vorgeschaltet wurde. Hat der Vertreter kein Votum des Bundestages, so muss er mit Nein stimmen.

Wir verschenken ja auch kein Geld. Es handelt sich um von uns ausgereichte Kredite, die mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen. Gerade Griechenland und Zypern haben dafür zum Teil schmerzhafte Reformen umgesetzt. An dieser Stelle möchte ich Ihnen einige Beispiele aus den griechischen Sparpakten nennen:
• Anhebung der Mehrwertsteuer auf 23 %
• höhere Steuern auf Benzin, Tabak, Alkohol, Spielautomaten und Grundeigentum
• Einführung einer Luxussteuer auf Güter wie Kraftfahrzeuge und Boote
• ab 2009 rückwirkende Sondersteuer von 1 % auf Einkommen ab 100.000 €
• ab 100.000 € Spitzensteuersatz von 45 %
• Anhebung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre
• volle Rente ab 40 (statt 37) Jahren Lebensarbeitszeit
• keine Rentenerhöhungen in den nächsten Jahren
• Streichung des 13. und 14. Jahresgehalts im öffentlichen Dienst (Verringerung bei
Bruttoeinkommen bis 3.000 €)
• Personalabbau im öffentlichen Dienst
• Erhöhung der Steuereinnahmen durch verschärfte Kontrolle
• Privatisierungserlöse von 50 Mrd. € bis 2015
• Einsparungen von 78 Mrd. € bis 2015
• Beginn der Privatisierungen von 50 Mrd. €
• Gehaltskürzungen und Kürzungen von Sozialleistungen bei Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst

Auf Vorschlag der zyprischen Regierung leistet etwa der zyprische Bankensektor durch umfassende Beteiligung der Eigentümer und Anleihegläubiger sowie durch die teilweise Heranziehung der Einlagen über 100.000 Euro bei den beiden größten Banken seinen Beitrag.

Darüber hinaus setzen wir auf Wachstumsimpulse. Mit dem Pakt für Wachstum und Beschäftigung wurden Maßnahmen zur Steigerung von Wachstum, Beschäftigung, Investitionen und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vereinbart; dafür sollen in den nächsten Jahren EU-weit 120 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stehen, zusätzlich stehen EU-weit 6 Milliarden Euro für Jugendbeschäftigung zur Verfügung.

Die Reformen zeigen langsam Wirkung. Die öffentlichen Haushaltsdefizite der Euro-Staaten sind 2012 deutlich gesunken, im Schnitt auf 3,7 Prozent des BIP, gegenüber 6,2 Prozent im Jahr 2010. Zum Vergleich: In Japan und auch den USA beträgt das Haushaltsdefizit mehr als 8 Prozent des BIP. Die für die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft wichtigen Lohnstückkosten konnten in den Krisenländern mittlerweile deutlich reduziert werden: in Griechenland und Irland um je 10 Prozent, in Spanien und Portugal um je 6 Prozent seit 2009. Auch die Unterschiede in den nationalen Leistungsbilanzen haben sich in den vergangenen Jahren abgebaut. So konnte selbst Griechenland sein Leistungsbilanzdefizit seit 2008 mehr als halbieren, in anderen Programmländern sieht die Entwicklung sogar noch besser aus. Spanien, Portugal, Irland und Griechenland haben ihre Exporte spürbar gesteigert. Die Finanzierungssituation in den Krisenländern hat sich gebessert: Die Zinsen, die Länder wie Spanien, Portugal, Irland oder Italien für ihre Staatsanleihen bezahlen müssen, sind in Anerkennung der erreichten Fortschritte inzwischen spürbar zurückgegangen. Die Abstände zu den Zinsen deutscher Staatsanleihen sind heute deutlich geringer als in der Hochphase der Krise.

Dass Deutschland gut durch die Krise gekommen ist, belegen einige Zahlen deutlich:
• 1,5 Millionen neue, vor allem sozialversicherungspflichtige und Vollzeit- Arbeitsplätze sind geschaffen worden.
• Mit 41,6 Millionen Erwerbstätigen wurde im Jahr 2012 ein neuer Beschäftigungsrekord erreicht.
• Die Zahl der Arbeitslosen ist von 3,4 Millionen im Jahr 2009 auf 2,865 Millionen im Juni 2013 gesunken.
• Die Arbeitslosenquote liegt bei 6,6 Prozent und wurde damit gegenüber 2005 fast halbiert.
• Der Anteil der befristeten Beschäftigten, Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 20 Wochenstunden, geringfügig Beschäftigte und Zeitarbeiter sind erstmals wieder deutlich.
• Die Jugendarbeitslosigkeit ist so niedrig wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union.
• Die verfügbaren Einkommen sind in den letzten Jahren um durchschnittlich rund 3 Prozent pro Jahr gestiegen - unter anderem durch die Reduzierung der Rentenversicherungsbeiträge, die Erhöhung des Grundfreibetrags und die Abschaffung der Praxisgebühr. Gleichzeitig schließt sich die Einkommensschere wieder.
• Auf Grund der niedrigen Zinsen spart Deutschland in den Jahren 2010 bis 2014 etwa 40 Milliarden Euro ein.

Lassen Sie mich diese Erfolge noch durch weitere Zahlen aus dem Bildungsbereich unterstreichen:
• Seit 2005 haben die unionsgeführten Bundesregierungen die Bildungsausgaben des Bundes von 4,3 Mrd. € auf 7,3 Mrd.€ erhöht, das entspricht einem satten Plus von 69 Prozent.
• Die gesamten staatlichen Bildungsausgaben insgesamt pro Einwohner wurden in demselben Zeitraum von 904,20 € auf 1.060,70 € (+17 Prozent) gesteigert.
• Die Anzahl aller Schulabgänger ohne Abschluss ist 2011 im Vergleich zu 2005 um 39 Prozent gesunken.
• Die Schulabgänger mit Fach-/Hochschulreife sind um 25 Prozent gestiegen (2012 im Vergleich zu 2005).
• Die Studienanfängerzahl ist 2012 im Vergleich zu 2005 um 38 Prozent gestiegen.
• Es gibt 2012 1,98 Mio. Studierende. Ein Plus von 26 Prozent im Vergleich zu 2005
• Fast jeder dritte Studierende erhält Bafög.

Diese positiven Entwicklungen liegen eben auch am Euro. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung ( http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-3D70310B-5D6B3D30/bst/hs.xsl/nachrichten_116155.htm ) hat detailliert dargestellt, in welchen großem Ausmaß Deutschland vom Euro profitiert.
„Die Studie belegt: Ohne den Euro würde das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland jedes Jahr um rund 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen. Werden die Wachstumsvorteile der Euro-Mitgliedschaft zwischen 2013 und 2025 aufaddiert, ergibt sich ein Gewinn in Höhe von fast 1,2 Billionen Euro. Dieser Wert entspricht in etwa der Hälfte der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung des Jahres 2012.

Auch für den Bürger rechnet sich der Euro: Im Durchschnitt beträgt das Einkommensplus je Einwohner zwischen 2013 und 2025 etwa 1.100 Euro pro Jahr. Schließlich würde sich im D-Mark-Szenario die Lage auf dem Arbeitsmarkt eintrüben. Eine Dämpfung des Wachstums des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozentpunkte hätte einen Verlust von etwa 200.000 Arbeitsplätzen zur Folge.

Dies weiß wohl auch die Mehrheit der Deutschen zu schätzen: Eine Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Pew ist im Mai diesen Jahres zu dem Ergebnis gekommen, dass 60 Prozent der Deutschen an Europa glauben. Einer anderen Umfrage der Europäischen Kommission aus dem Jahre 2012 zu Folge sind 50 Prozent der Bundesbürger mit dem demokratischen System der europäischen Union zufrieden. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im April diesen Jahres sind 69 Prozent der Deutschen dafür, den Euro zu behalten, während 27 Prozent die D-Mark zurück wollen. Diese Einschätzung bestätigt eine aktuelle Umfrage des Deutschlandtrends der ARD von Anfang August. Demnach erklären 76 Prozent der Bevölkerung, dass sie ihre eigene wirtschaftliche Situation als gut oder sehr gut einschätzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Feist