Frage an Tom Koenigs bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Tom Koenigs
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Frage an Tom Koenigs von Jörg H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Koenigs,
in Ihrer Funktion als Vorsitzender des Ausschusses „Menschenrechte und humanitäre Hilfe“, möchte ich Ihnen nachfolgende Fragen stellen:

Können Sie mir mitteilen, ob und ggf. durch welche Institutionen und/oder Personen Menschenrechtsverteidiger i.S.d. UN-Resolution 53/144 bzw. EU Annex Doc 10111-06 in der BRD und/oder innerhalb der EU geschützt und/oder gefördert werden ?

Bzw. an welche Institutionen und/oder Personen können sie sich ggf. wenden, damit sie geschützt und/oder gefördert werden ?

Können Sie mir bitte auch mitteilen, ob sog. Whistleblower - je nach Sachverhalt - auch als Menschenrechtsverteidiger im o.a. Sinne angesehen werden können ?

Welcher Sachverhalt müsste dann ggf. grundsätzlich vorliegen, damit der Personenkreis der Whistleblower geschützt und/oder gefördert wird ?

Erkennen Sie als Vorsitzender des Ausschusses „Menschenrechte und humanitäre Hilfe“ die Rechte und Pflichten gem. UN Resolution 53/144 uneingeschränkt an ?

Falls ja, ist dies auch die Überzeugung des Ausschusses „Menschenrechte und humanitäre Hilfe“ insgesamt ?

Besteht ein Benachteiligungsverbot gegenüber Menschenrechtsverteidiger im Falle der Inanspruchnahme der Rechte und ggf. Pflichten gem. UN Resolution 53/144 ?

Welche Personen und / oder Institutionen wären an dieses Benachteiligungsverbot ggf. gebunden ?

Vielen Dank für Ihre Antworten.
Freundliche Grüße
Sich.-Ing. Jörg Hensel

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hensel,

vielen Dank für Ihre Fragen und Ihr Interesse an Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern. Zum Schutz und zur Förderung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit sowie zur Verhinderung von Konflikten leisten Menschenrechtsverteidiger einen unschätzbaren Beitrag. In ihrer Arbeit werden sie jedoch häufig selbst zur Zielscheibe von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. Für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger gibt es mehrere Anlaufstellen. Seit 2000 gibt es einen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zur Situation von Menschenrechtsverteidigern. Seit 2008 ist das Frau Margeret Sekaggya. Sie veröffentlicht jährlich Berichte über die Situation von Menschrechtsverteidigern und kann sich auf Einladung hin selbst ein Bild vor Ort machen. Weitere Informationen über ihre Aufgaben und ihr Mandat finden Sie unter: http://www2.ohchr.org/english/issues/defenders/complaints.htm Ihre Kontaktdaten finden Sie unter: http://www2.ohchr.org/english/issues/defenders/index.htm
Die Resolutionen der UN-Generalversammlung haben einen empfehlenden Charakter. Sie symbolisieren die Zustimmung der internationalen Gemeinschaft zu einem bestimmten Thema, bieten jedoch keine einklagbare Rechtsgrundlage.
2007 hat das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte eine Anlaufstelle für Menschenrechtsverteidigern und Menschrechtsinstitutionen eingerichtet (Human Rights Defenders and National Human Rights Institutions (NHRIs)). Auch hier wird die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger innerhalb der OSZE-Region verfolgt und unterstützt. Weitere Informationen finden Sie unter http://www.osce.org/odihr/item/44936.

2004 wurden EU-Richtlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern verabschiedet. Sie orientieren sich eng an der Resolution 53/144 der UN-Generalversammlung. Besonders die EU-Ratsgruppe COHOM und die Botschaften der EU-Länder in Drittstaaten haben die Aufgabe, Menschenrechtsverteidiger und ihre Arbeit zu schützen und zu unterstützen. Im Januar 2010 hat das Europäische Parlament eine Anhörung abgehalten, um diese Leitlinien zu konkretisieren. Weitere Informationen finden Sie unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cmsUpload/web10056re01.de04.pdf.

Menschenrechtsverteidiger werden nach der Resolution 53/144 wie folgt definiert: Menschen, die einzeln wie auch in Gemeinschaft mit anderen, den Schutz und die Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene fördern und darauf hinwirken. Whistleblower hingegen sind im übertragenen Sinne Menschen, die schwerwiegende Missstände in ihrem Arbeitsumfeld aus primär uneigennützigen Motiven aufdecken. Hier stehen vor allem arbeitsrechtliche Pflichten und die Aufdeckung von Missständen im Vordergrund.

In Deutschland gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA oder Japan keine eindeutige Rechtslage zu Whistleblowern. Zur Zeit wird über eine Neuverfassung des § 612a BGB gearbeitet. Sie soll eine eindeutige Rechtslage zum Schutz von Whistleblowern schaffen.

Als Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe spreche ich die Lage von bedrohten Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern in Gesprächen mit den entsprechenden Botschaften immer wieder an. Im Rahmen der Aktion „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ unterstützen die Mitglieder des Ausschusses Abgeordnete aus anderen Staaten, die durch ihren Einsatz für Menschenrechte bedroht sind.

Der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Schutz und die Förderung von Menschenrechtsverteidigern sehr wichtig. Im März 2011 haben wir deshalb einen Antrag an die Bundesregierung gestellt, um die Situation von bedrohten Menschenrechtsverteidigern zu verbessern. Wir fordern darin u.a. die Schaffung eines Verbindungsbeamten für Menschrechtsverteidiger beim Auswärtigen Amt und in den deutschen Auslandsvertretungen. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, Menschenrechtsverteidiger in Fällen akuter Bedrohung für 12 bis 24 Monate aufzunehmen. Zu meinem Bedauern wurde der Antrag mit den Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass ich mich auch in Zukunft für die Verbesserung des Schutzes für Menschenrechtsverteidiger einsetzen werde.

Mit freundlichen Grüßen

Tom Koenigs