Frage an Volker Beck bezüglich Gesundheit

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Volker Beck
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Frage von Alexander L. •

Frage an Volker Beck von Alexander L. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Beck,

selbstverständlich ist die Diskriminierung Homosexueller oder die Idee der Zwangstherapie zu verurteilen. Einiges in Ihrem Vorgehen ist mir jedoch unverständlich.

1)Sie argumentieren mit der Schädlichkeit der in einigen reparativen Angeboten angewendeten Methoden (BT-Drs 16/8022). Woraus schließen Sie, dass nicht diese für evtl. problematische Folgen verantwortlich sind?

2)Berichte Betroffener in Deutschland widersprechen den Aussagen aus den von Ihnen zitierten Studien (haupts. aus den USA) teils deutlich. Auf welche empirische Grundlage zur aktuellen Situation in Deutschland können Sie sich berufen? Welche liegt der von Ihnen angeführten BT-Drs 16/8022 zugrunde?

3)Es gibt Menschen, die unter ihren homosexuellen Gefühlen leiden, etwa weil sie verheiratet sind oder sich bereits für ein homosexuelles Leben entschieden hatten, aber damit nicht glücklich wurden.
Haben diese Ihrer Meinung nach das Recht, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben, ohne dafür verurteilt zu werden? Wollen Sie diesen Menschen per se internalisierte Homophobie unterstellen?

4)Sie sind gegen eine ergebnisoffene Beratung, die die Möglichkeit einer Veränderung gleichgeschlechtlicher Neigungen einschließt. Lehnen Sie ergebnisoffene Angebote generell ab? Bzw. welche Alternative sehen Sie, auch unter dem Gesichtspunkt, dass affirmative Therapien für Jugendliche vom wissenschaftl. Dienst des Bundestages ebenfalls kritisch gesehen werden (WD 3–3000–301/12 S.45)?

5)Angebote bspw. von Wüstenstrom beruhen vor allem auf der Ansicht, dass Homosexualität an sich keine Krankheit ist, homosexuelles Empfinden oder Handeln aber Ausdruck psychischer Konflikte oder Störungen sein kann (vgl. wuestenstrom.de) - anders gesagt: dass gleichgeschlechtliche Kontakte nicht automatisch gleichgesetzt werden können mit einer sexuellen Orientierung. Was spricht Ihrer Meinung nach gegen diese Auffassung, und auf welche aussagekräftigen Quellen berufen Sie sich dabei?

MfG,
Alexander Lang

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lang,

herzlichen Dank für Ihre Fragen.

Sie berufen sich in ihrer Anfrage auf eine alte sogenannte „Kleine Anfrage“ aus der letzten Legislaturperiode. Darin zitieren Sie zu Recht die Bundesregierung, die diese „Therapieformen“ ablehnt und sich dabei auf die Ergebnisse „neuerer wissenschaftlicher Untersuchungen bezieht, nach denen bei der Mehrzahl der so therapierten Personen negative und schädliche Effekte (z. B. Ängste, soziale Isolation, Depressionen bis hin zu Suizidalität) auftraten und die versprochenen Aussichten auf „Heilung“ enttäuscht wurden.“ (BT-Drs. 16/8022). In unserem aktuellen Gesetzentwurf (17/12849) finden Sie in der Begründung zahlreiche Studien insbesondere aus dem amerikanischen Raum. Aus der Begründung wird auch deutlich, dass es hier nicht um eine Frage von Meinungen oder Befindlichkeiten geht, sondern um die Frage der Gesundheit von Jugendlichen. Diverse Studien unter anderem von den höchsten Vereinigungen von Psychologen in den USA haben ergeben, dass diese „Therapien“ nicht nur keinen Effekt haben, sondern eben zu Schädigungen führen, von Depressionen bis hin zum Selbstmord führen. Eine Stellungnahme von Prof. Dr. Rauchfleisch von der Universität Zürich finden Sie unter folgendem Link: http://www.mission-aufklaerung.de/fileadmin/dateien/Gutachten_und_Stellungnahmen/4cProfUR.pdf
.

Zugleich liegen mir Berichte von TeilnehmerInnen der in Deutschland angebotenen Seminare vor, die die Wirkungslosigkeit und Gefährlichkeit der Therapien beklagen. Genau hierin liegt auch die Scharlatanie der genannten Angebote: Hier wird suggeriert, die sexuelle Identität sei durch therapeutische Maßnahmen änderbar. Dies ist - das machen auch die in der Begründung genannten Stellungnahmen von Psychologenverbänden deutlich - nicht der Fall.

Insofern wird gerade den von Ihnen genannten Menschen, die mit ihrer sexuellen Identität nicht im Reinen sind, ein Bärendienst erwiesen. Es geht also nicht darum, dass es schwule oder lesbische Menschen gibt, die lieber heterosexuell empfinden würden. Natürlich gibt es solche Menschen. Ihnen helfen affirmative Therapien, die sie in ihrer Sexualität
und im Umgang damit bestärken. Diese werden weder von mir noch vom
wissenschaftlichen Dienst des Bundestages kritisiert. Umpolungstherapien
sind dagegen - wie beschrieben - in den allermeisten Fällen unwirksam und
gesundheitsgefährdend.

In den USA hat sich vor einigen Wochen die größte Gruppe derjenigen, die solche Therapien propagiert haben, aufgelöst und entschuldigt. Es handelt sich um die vielleicht auch Ihnen bekannte Gruppe „Exodus International“. Die Gruppe hat nun zugegeben, dass die von Ihnen angebotenen Maßnahmen wirkungslos waren und den betroffenen Menschen geschadet haben. Der ehemalige Leiter der Gruppe, Alan Chambers, entschuldigte sich mit den Worten: „Please know that I am deeply sorry. I am sorry for the pain and hurt many of you have experienced. I am sorry that some of you spent years working through the shame and guilt you felt when your attractions didn’t change. I am sorry we promoted sexual orientation change efforts and reparative theories about sexual orientation that stigmatized parents.” ( http://exodusinternational.org/2013/06/i-am-sorry/ ) Bereits zuvor hatte er im Januar 2012 festgestellt, dass “99,9% der Teilnehmer von Exodus-Veranstaltungen keine Veränderung in ihrer sexuellen Identität erfahren“. In diesem Sinne hoffe ich, dass auch die - wenigen - verbliebenen Gruppen in Deutschland, die sich einer “Heilung” von Homosexualität verschrieben haben, Einsicht zeigen. Bis dahin werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass zumindest solche Therapieangebote, die sich an Jugendliche wenden, verboten werden.

Mit freundlichen Grüßen
Volker Beck