Frage an Waltraud Lehn bezüglich Finanzen

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Waltraud Lehn
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Frage von Eike Christoph H. •

Frage an Waltraud Lehn von Eike Christoph H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Lehn,

leider kamen wir nicht zu einer dezidierten verbalen Auseinandersetzung bei meinem Aufenthalt in Berlin, daher würde ich mich über die Beantwortung der Fragen in Bezug auf unser Gespräch im Paul-Löbe-Haus freuen.

Sie sagten, dass es für Schüler wichtig sei Sprachen zu lernen, um für den Arbeitsmarkt der Zukunft gerüstet zu sein. Da die Entwicklungen des Arbeitsmarkt europäisch gesehen werden müssten. Nun frage ich mich, wobei ich auf eine Antwort von Ihnen hoffe, wie die Rente finanziert werden soll? Der Schüler schließt vielleicht noch ein Studium ab, dies wurde ebenso wie seine Schulausbildung durch das Land - nehmen wir mal an NRW - ermöglicht. Danach ist der Schüler eine sehr gut qualifizierte Arbeitskraft und findet weder in NRW noch in einem anderen deutschen Bundesland einen Arbeitsplatz. Also geht er ins Ausland und arbeitet, sagen wir mal in Frankreich, weil er in der Schule bereits Sprachen gelernt hat. Nun sagten Sie, dass es ihm ja möglich sei innerhalb der EU seine Rentenansprüche durch Zahlung seiner Beiträge in Deutschland zu erhalten.

Glauben Sie ernsthaft, dass ein Arbeitnehmer, der die Perspektive hat 40 Jahre im Ausland zu arbeiten und bei näherer Betrachtung feststellt, dass die demographische Entwicklung einem funktionierenden Rentensystem entgegensteht, sich entscheidet in seine deutsche Absicherung zu investieren? Abgesehen davon, dass der Arbeitnehmer während seiner Tätigkeit im Ausland auch dort konsumiert und sich auch dadurch die Einnahmen für die Bundesrepublik reduzieren.

Über eine Antwort auf diese Fragen und die Frage, warum es für mich (27 Jahre) noch von Interesse sein soll eine staatliche Rente zu haben, würde ich mich sehr freuen.

Freundlich grüßt Sie,

Eike C. Hermanns

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Die Entscheidung über die Wahl des Wohnortes liegt selbstverständlich jedem Bürger frei. Wichtig ist jedoch, dass von Seiten der Regierungen Vorkehrungen getroffen werden, damit bei einem mehrmaligen Wechsel des Wohnortes die Ansprüche der verschiedenen Formen der sozialen Sicherung für den Einzelnen bestehen bleiben. Innerhalb eines Landes ist dies kein Problem. Egal ob in Rostock oder Freiburg, das System der Sozialversicherungen ist gleich. International sieht das ganz anders aus. In Schweden herrscht beispielsweise ein ganz anderes Sozialsystem als in Griechenland. Auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden europäischen Integration und der damit verbundenen Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde den Regierungen bewusst, dass nationale Regelungen hier nicht mehr ausreichen. Deshalb wurde 1971 - also bereits unter Bundeskanzler Willy Brandt - eine Verordnung der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichnet. Die Verordnung koordiniert die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit, um die Sozialversicherungsansprüche der Personen zu schützen, die innerhalb der Europäischen Union zu- und abwandern. Mittlerweile gilt diese Verordnung in den 27 Mitgliedsländern der EU sowie in Island, Norwegen, Schweiz und Liechtenstein. Neben diesen sehr weit reichenden Regelungen existieren zwischenstaatliche Abkommen mit anderen Ländern, die teilweise sehr unterschiedlich ausgeprägt sind.

Trotz dieser Unterschiede stellen die verschiedenen Abkommen sicher, dass erworbene Sozialversicherungsansprüche geschützt werden. Damit wird verhindert, dass die so genannten Wanderarbeitnehmer entweder doppelt oder gar nicht versichert sind.

Daneben besteht außerdem die Möglichkeit, bestehende Niveauunterschiede im Umfang durch zusätzliche (freiwillige) Beiträge an die deutsche Rentenversicherung auszugleichen. So kann ein/e Arbeitnehmer/in dafür sorgen, dass ihm/ihr trotz langjähriger Arbeit im Ausland ein gesetzlicher Rentenanspruch zusteht, der dem eines ausschließlich in Deutschland Beschäftigten (bei vergleichbarem Lohn) entspricht.

Sehr geehrter Herr Hermanns, neben dieser eher technischen Ebene zielt Ihre Frage wohl auch auf die Perspektive der gesetzlichen Rentenversicherung allgemein ab. Mit verschiedenen Instrumenten zur steuerlichen Förderung privater Altersvorsorge haben wir in den letzten Jahren wichtige Schritte gemacht, um die Bedeutung privater Altersvorsorge in der Bevölkerung zu steigern. Denn – und da haben Sie mit Ihrer Beschreibung durchaus Recht – angesichts der gegenwärtigen demographischen Entwicklung wäre es schlicht fahrlässig, den Bürgerinnen und Bürgern den Eindruck zu vermitteln, die gesetzliche Vorsorge würde für ein gesichertes Alterseinkommen in Zukunft ausreichen. Private Vorsorge ist wichtig. Wichtig ist aber auch: trotz dieser Einschränkung wird die gesetzliche Rentenversicherung die wichtigste Säule der Altersvorsorge bleiben. Deswegen sind „Panikmeldungen“ über die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso gefährlich wie ein stures „Weiter so“.

In den letzten Monaten hat die Koalition wichtige Reformen beschlossen, um die gesetzliche Rente langfristig auf sichere Füße zu stellen. Der aus unabhängigen Wissenschaftlern bestehende Sozialbeirat hat uns vor kurzem signalisiert, dass wir bei diesem Ziel auf dem richtigen Weg sind. Als wichtigste Säule wird die gesetzliche Rentenversicherung daher auch in Zukunft dafür Sorge tragen, dass die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ihren Lebensabend in Würde leben können.

Mit freundlichen Grüßen
Waltraud Lehn, MdB