Frage an Willi Brase bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Willi Brase
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Frage an Willi Brase von Christoph B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Brase,

obwohl der Text des Koalition-Kompromisses zum neuen BKA-Gesetz der Öffentlichkeit bis jetzt nicht vorliegt, soll bereits nächsten Mittwoch dieses Gesetz im Bundestag verabschiedet werden.

Ein Gesetz, mit dem das Bundeskriminalamt (BKA) zu einem deutschen FBI ausgebaut wird. Ein Gesetz, dass uns den Bundestrojaner beschert, die richterliche Kontrolle von Überwachungsmaßnahmen weiter einschränkt, die Schranken zwischen Polizei und Geheimdiensten faktisch vollständig aufhebt und damit der Idee des Grundgesetzes und der Intention seiner Väter radikal gegenüber steht.

Im Oktober haben 70.000 in Berlin u. a. gegen dieses Gesetz demonstriert. Diesen Menschen war und ist bewusst, dass mit dem neuen BKA-Gesetz die Wohnungen unbescholtener Bürger heimlich betreten werden dürfen, um Videoüberwachungskameras im Schlafzimmer oder sonstwo zu platzieren. Der geschichtlich heikle Warnruf "Stasi 2.0" bekommt damit seine faktische Legitimität, wenn sich unsere Bundesbehörden wie die Stasi gerieren.

Auch im Hinblick auf den Wahlkampf im nächsten Jahr wird es Zeit, dass die große Koalition aufhört, gegen den Bürger zu handeln und das eigene Volk zu kriminalisieren, sondern sich stattdessen für den Erhalt der Freiheit einsetzt. Denn die Zerstörung der Freiheit ist die eigentiche Absicht des Terrorismus und eine Regierung, die die Freiheiten von sich aus abbaut, spielt einem solchen Terrorismus in die Hände und macht sich nicht weniger schuldig.

Ich bitte Sie an dieser Stelle inständig, dem Gesetzesvorhaben nicht zuzustimmen und im Sinne und zum Wohl der Bürger in diesem Land zu handeln und frage Sie daher hier mit dem Wunsch nach einer eindeutigen und aussagekräftigen Antwort:

Wie werden sie sich am Mittwoch entscheiden?

Mit freundlichen Grüßen
Christoph Brüning

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Sehr geehrter Herr Brüning,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 8.11.2008, in dem Sie sich zum geplanten Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (BKA-Gesetz) äußern. Gerne nehme ich zu Ihrem Anliegen Stellung.

Lassen Sie mich kurz das geplante BKA-Gesetz umreißen:

Die Abwehr von Gefahren des* *internationalen Terrorismus ist eine* *gesamtstaatliche Aufgabe mit* *internationalen Bezügen. Schon jetzt obliegt* *der Dienstverkehr der Polizeien des Bundes* *und der Länder mit den zuständigen Stellen* *anderer Staaten grundsätzlich dem BKA.* *Das BKA ist Nationales Zentralbüro von* *Interpol, nationale Verbindungsstelle von* *Europol und nationale Eingangsstelle im* *Rahmen des Schengen-Verbundes. Das* *Bundeskriminalamt hat somit bereits jetzt* *eine Zentralstellenfunktion bei der* *Verhütung und Verfolgung von Straftaten* *mit länderübergreifender oder* *internationaler Bedeutung.* *

Operative Maßnahmen zur* *Gefahrenabwehr sind bislang jedoch nur* *auf der Länderebene möglich. Dies* *bedeutet, dass bei einer Gefahr* *beispielsweise durch einreisende* *Verdächtige mit unbekanntem Zielort* *zunächst die örtlichen Zuständigkeiten* *abgeklärt und Abstimmungsmaßnahmen* *zwischen den verschiedenen betroffenen* *Bundesländern vorgenommen werden* *müssen.* *In Zukunft hat das Bundeskriminalamt* *selbst die Möglichkeit, bei* *länderübergreifenden Gefahren, unklarer* *Landeszuständigkeit oder auf Ersuchen* *eines Landes schnell und wirksam* *einzugreifen. Insbesondere aus dem* *Ausland eingehende Informationen über* *terroristische Gefahren können so* *unmittelbar in Abwehrmaßnahmen* *umgesetzt werden.* *Die Länder bleiben allerdings weiterhin* *zuständig. Die Aufgabenwahrnehmung erfolgt so "in gegenseitigem Benehmen" (§4a).

Eine effektive Gefahrenabwehr ist nur gewährleistet, wenn die Sicherheitsbehörden in die Kommunikationswege terroristischer Netzwerke eindringen können. Das Bundeskriminalamt erhält nun die operativen Instrumente, die sich auf Länderebene bewährt haben.

Entsprechend den Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes ist der verdeckte Eingriff informationstechnischer Systeme nach der nun gefundenen Regelung nur zulässig bei Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt. Der Eingriff muss durch das zuständige Gericht angeordnet werden. Es ist bei der Durchführung der Maßnahme sicherzustellen, dass die datentechnischen Veränderungen auf das unerlässliche Minimum beschränkt werden, und dass sie möglichst automatisiert rückgängig gemacht werden. Zusätzlich sind umfangreiche Protokollierungen und natürlich die nachträgliche Benachrichtigung der Betroffenen vorgesehen. Ausnahmen hiervon gibt es nur im engsten Rahmen mit Zustimmung des Gerichts.

Eine Eilbefugnis* *zur Anordnung der Maßnahme ist nur in den wenigen Fällen denkbar, in denen der notwendige Vorlauf für die Erstellung eines "Trojaners" bereits vorher erfolgte -- etwa nach Ablauf der Gültigkeitsfrist einer vorherigen richterlichen Anordnung. Eine "Gefahr im Verzug" wird die absolute Ausnahme sein. Die Gerichte müssen dafür sorgen, dass ein Richter auch außerhalb der Dienstzeiten erreicht werden kann.

Beim Schutz kernbereichsrelevanter Daten in der Auswertungsphase wird der weisungsunabhängige Datenschutzbeauftragte des BKA hinzugezogen. Seine Weisungsunabhängigkeit auch in diesem Zusammenhang wird klargestellt. Hat er Bedenken, muss das Gericht über die Frage der Löschung entscheiden.

Auch wenn die zur Auswertung von eventuellen Kernbereichserkenntnissen eingesetzten BKA-Beamten einschließlich dessen Datenschutzbeauftragten nicht als ausreichend neutral und unabhängig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ansehe, kann ich diesem Gesetz zustimmen. Durch die gesetzlich verankerte unabhängige Evaluierung dieser Streitfragen und die Befristung der Bestimmung zur Onlinedurchsuchung im neuen BKA-Gesetz (Das BKA-Gesetz tritt zum 31.12.2020 außer Kraft) ist gewährleistet, dass nicht nur das eventuell angerufene Bundesverfassungsgericht, sondern auch der Gesetzgeber selbst zwingend gehalten ist, das grundsätzlich einzuhaltende Trennungsgebot zwischen polizeilichen Aufgaben und nachrichtendienstlicher Zuständigkeit strikt einzuhalten und so auch die hohen Anforderungen für besonders intensive Grundrechtseingriffe evaluiert und überprüft werden.

Mit freundlichen Grüßen

Willi Brase