Frage an Winfried Kretschmann bezüglich Soziale Sicherung

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Winfried Kretschmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Tjark S. •

Frage an Winfried Kretschmann von Tjark S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Kretschmann,

die Aussicht, einen grünen MP zu erhalten, hat mich veranlasst, hier bei "abgeordnetenwatch" Ihre Antworten zu lesen. Dabei sind mir Positionen zum Themenkreis "Soziale Gerechtigkeit" aufgefallen, die mich seit dieser Lektüre umtreiben.

1. Verteilungsgerichtigkeit

Sie führen aus: "Gerechtigkeit bedeutet für uns Grüne nicht nur Verteilungsgerechtigkeit, sondern vor allem auch Beteiligungs- und Generationengerechtigkeit."

Mit den Worten "vor allem" scheint Ihnen hier eine Hierarchie vorzuschweben, in der die Verteilungsgerechtigkeit nachrangig ist. Das kann ich nicht nachvollziehen. Die fehlende Verteilungsgerechtigkeit hat bittere Konsequenzen für viele Menschen in unserem Land. Etwa haben ArbeitnehmerInnen in den letzten Jahren Reallohnverluste hinnehmen müssen, Arbeitsverhältnisse sind zunehmend prekär. Gleichzeitig steigen die privaten Vermögen der Reichsten kontinuierlich an, auch wegen historisch niedririger Einkommenssteuern und Körperschaftssteuern. Der Staat flüchtet in die Schulden, um die sozialstaatlichen "Vitalfunktionen" zu erhalten.

Frage: Muss man gerade in einer Situation wie nach der Bankenkrise nicht mehr über Umverteilung reden, damit nicht die Schwächsten den Großteil der Lasten tragen müssen?

2. Bürgerversicherung

Sie setzen sich für die Bürgerversicherung ein und wollen die Zweiklassenmedizin abschaffen. Das wollen Sie durch Einbeziehung aller Einkommensarten finanzieren. Wie passt das zu Ihrer Tendenz gegen mehr Umverteilung?

3. Chancengerechtigkeit

Sie betonen den egalitären Zugang zur Bildung. Gehört zur Chancengerechtigkeit nicht auch, dass die Karten für jede Generation "neu gemischt" werden durch weitaus höhere Erbschaftssteuern? Sonst gilt: Der eine hat Bildung, der andere hat viel Geld und kommt viel weiter. Soziologe Prof. Dr. M. Hartmann hat doch nachgewiesen: Herkunft und Geld entscheiden mehr als Bildung bei der Vergabe gehobener Positionen. Ist das chancengerecht?

Mit besten Grüßen,

TS

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schmidt,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich im Folgenden so gut wie möglich beantworten werde.

Wir Grünen stehen für einen erweiterten und vielschichtigen Gerechtigkeitsbegriff. Dieser schließt Verteilungsgerechtigkeit genauso mit ein wie Beteiligungs- und Generationengerechtigkeit. Eine Hierarchisierung nehmen wir hierbei jedoch nicht vor.
Wir Grünen sind der festen Überzeugung, dass jeder Bürger und jede Bürgerin nach dem Solidaritätsprinzip seinen (bzw. ihren) Teil dazu beitragen muss, um für mehr Gerechtigkeit in Baden-Württemberg zu sorgen. Es ist für uns aber selbstverständlich, dass BürgerInnen mit höherem Einkommen auch einen größeren Teil beitragen. Somit steht die Bürgerversicherung in keinem Widerspruch zu mehr Umverteilung. Allerdings ist die Steuergesetzgebung Bundessache und nicht Länderrecht. Gleich wohl kämpfen wir auf Bundesebene für eine gerechte Besteuerung großer Vermögen und großer Erbschaften sowie für einen höheren Spitzensteuersatz.

Mit freundlichen Grüßen
Winfried Kretschmann

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