Frage an Winfried Kretschmann bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

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Winfried Kretschmann
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Karl-Heinz G. •

Frage an Winfried Kretschmann von Karl-Heinz G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Guten Tag, sehr geehrter Herr Kretschmann,

die EU will den Einsatz von Antibiotika bei Tieren, welche der Lebensmittelgewinnung dienen,verringern. Das werden Sie sicher ebenso begrüßen wie ich.

Der Entwurf zu dieser neuen Verordnung verkehrt das Ziel jedoch ins Gegenteil, da er Alternativen aus der Naturheilkunde unnötig bürokratisiert und ihre Anwendung stark einschränkt. Er gefährdet die Erhaltung der Therapievielfalt, schränkt Einsatzmöglichkeiten von Alternativen zu Antibiotika ein, schränkt generell Anwendungsmöglichkeit für Tierhalter und -heilpraktiker ein, würde faktisch ein Berufsverbot für Tierheilpraktiker bedeuten, widerspricht dem Nachhaltigkeitsgedanken.

Sollten künftig tatsächlich Tiere nur noch solche Arzneimittel erhalten dürfen, die ausdrücklich als Tierarznei zugelassen sind, würden viele derprobte, gute Mittel vom Markt verschwinden, da die zumeist (im Vergleich zu milliardenschweren Pharmaunternehmen) kleinen Hersteller sich die aufwendigen Testverfahren gar nicht leisten könnten. Wichtige und natürliche Therapiemöglichkeiten gingen dadurch verloren.

Wie ist Ihre Ansicht als Grünen-Politiker zu diesem Problem? Vielen Dank im voraus für Ihre Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Wendland
Karl-H. W. Greve

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Greve,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Auch wir sind erfreut darüber, dass der Antibiotikaeinsatz bei Tieren nun endlich auch auf Europäischer Ebene verringert werden soll. Wir setzten uns seit langem für tiergerechte Haltungsbedingungen, lückenlose Transparenz der Tierarzneimittelströme und den Missbrauchsstopp von Antibiotika durch strengere Haltungs- und Behandlungsvorschriften ein. Auch auf Bundesebene gab es entsprechend Bewegung. So hat die Grüne Bundestagsfraktion Anfang 2015 einen Aktionsplan "Kampf gegen Antibiotika-Missbrauch" erarbeitet, welcher sich aus sechs Maßnahmen zusammensetzt:

1. Den Einsatz von Reserveantibiotika in der Nutztierhaltung verbieten. Ausnahmen hiervon sollten nur erfolgen, wenn keine Behandlungsalternative besteht und ein Erregertest ausweist, dass der Einsatz des Arzneimittels gerechtfertigt ist.

2. Mengenrabatte für Antibiotika abschaffen. Bislang gewähren Arzneimittelhersteller TierärztInnen bei der Abnahme großer Mengen von Antibiotika enorme Mengenrabatte. Dadurch entsteht für die VeterinärInnen ein wirtschaftlicher Anreiz, große Mengen von Antibiotika zu verkaufen.

3. Die Tierhaltung in Deutschland deutlich verbessern. Gesunde Tiere brauchen keine Antibiotika. Es ist beispielsweise ein Skandal, dass Puten so gehalten werden, dass neun von zehn Mastdurchgänge mit Antibiotika behandelt werden müssen. National und auf EU-Ebene müssen alle gesetzlichen Regelungen zum Schutz von Tieren so nachgebessert werden, dass sie ihrem Namen gerecht werden. Alle Masttiere brauchen mehr Platz, Auslauf, Einstreu und Beschäftigung. Für Puten muss dringend eine strenge und verpflichtende Haltungsverordnung geschaffen werden. Wir setzen uns dafür ein, dass artgerechte Haltungen zum Standard, den Bäuerinnen und Bauern vergütet und für Verbraucherinnen und Verbraucher klar gekennzeichnet werden.

4. In der Tierzucht den Tierschutzgedanken verankern. Die einseitige Zucht auf immer mehr Leistung überfordert unsere Tiere und ist mitverantwortlich für den hohen Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung.

5. Die gängige Praxis der Behandlung ganzer Bestände kritisch prüfen. Ungezielte Behandlungen fördern die Bildung resistenter Keime. Erregertests als Teil der Diagnose vor einer Gruppenbehandlung sind unerlässlich. Grundsätzlich sind Einzelbehandlungen mit Isolation des betroffenen Tiers das Mittel der Wahl.

6. Nachbesserungsbedarf beim Arzneimittelgesetz (AMG): Führt die Erfassung der Antibiotikagaben in den Betrieben zu keiner deutlichen Senkung des Verbrauchs, halten wir ein klares Minderungsziel für notwendig. Ferner muss die Bundesregierung dann die Ausnahmen von Betrieben bei der Auskunftspflicht einschränken. Momentan sind beispielsweise 50 Prozent der geflügelhaltenden Betriebe in Nordrhein-Westfalen nicht erfasst.

Die von der EU geplante Richtlinie (COM(2014)0558) ist ein Schritt in die richtige Richtung, bedarf unsere Ansicht nach aber einer Überarbeitung. Daher hat die Grüne Fraktion im Europäischen Parlament – in Zusammenarbeit mit der Europäischen Koalition zu Homöopathie in der Tiermedizin - entsprechende Änderungsanträge eingereicht (siehe Agenda No 11). Diese sollen sicherstellen, dass der Einsatz von Naturheilmitteln im Tierbereich durch die Richtlinie nicht eingeschränkt wird. Es bleibt abzuwarten, ob die Änderungsanträge angenommen werden. Wir setzten uns jedoch auf allen Ebenen, und unseren Möglichkeiten entsprechend, dafür ein.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Team Kretschmann

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