Frage an Wolfgang Ferner bezüglich Recht

Portrait von Wolfgang Ferner
Wolfgang Ferner
DIE LINKE
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Wolfgang Ferner zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Josef A. •

Frage an Wolfgang Ferner von Josef A. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ferner,

Sie sind von Beruf Rechtsanwalt und mit juristischen Gegebenheiten gut vertraut.

Würden Sie die DDR als Rechts- oder als Unrechtsstaat bezeichnen ?

Mit freundlichen Grüssen

Portrait von Wolfgang Ferner
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Angerer,

Sie fragen mich ja als Anwalt und damit als Jurist. Dementsprechend will ich Ihnen auch antworten: Der Begriff "Unrechtsstaat" ist ein rein politischer Kampfbegriff und kein juristischer Begriff. Das sehen Sie auch an einem ganz einfachen Beispiel: vor 1989 wurden strafrechtliche Verurteilungen in der DDR auch ganz normal vor bundesdeutschen Gerichten verwertet: Vorverurteilungen in der DDR wurden in der Regel nicht in Frage gestellt, sie wurden sogar im Falle einer neuen Verurteilung in der Bundesrepublik strafschärfend gewertet.

Auch heute bleiben die strafrechtlichen Verurteilungen aus der Zeit vor 1989 im Bundeszentralregister verzeichnet und fast alle Urteile der Zivilgerichte bleiben in Kraft. Das soll nicht darüber hinweg täuschen, dass es in der DDR Ungerechtigkeit gegeben hat, das Ermittlungen nicht immer den von uns in der Bundesrepublik gewünschten Standards genügt haben.

Ich bin seit mehr als 20 Jahren bei uns als Strafverteidiger tätig, ich bin international tätig - u.a. am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Gerade dort treffen fundamental unterschiedliche Auffassungen aufeinander, was die Grundlagen eines Rechtsstaates sind. Gerade auch die amerikanischen Verteidiger haben manchmal kein Verständnis für die "kontinentale" Rechtsauffassung und für die hier geltenden Ansätze der Verteidigung. Die Rolle des Richters in einem Strafprozess ist in "anglikanischen " Recht eine völlig andere als bei uns oder z.B. in Frankreich. Aber niemand wirft mit Begriffen wie Unrechtsstaat um sich, trotz Guantanomo, trotz Foltervorwürfen, Verschleppung von Verdächtigen, trotz der Ausweisung der Sinti und Roma und vieler Probleme mehr. Auch die Dauer von Verfahren oder der Kampf eines Ministerpräsidenten - wie derzeit in Italien - gegen die gesamte Justiz führen nicht zu dem juristischen Diskurs über einen "Unrechtsstaat",

Das alles heißt natürlich nicht, dass Vergangenheit nicht aufgearbeitet werden soll und aufgearbietet werden muss: Unrecht in der Vergangenheit muss beseitigt werden - dies gilt für ungerechtfertige Verurteilungen in der DDR, aber auch in der Bundesrepublik.