"Lieber Robert"

Bittbriefe an Minister:innen: Wie Abgeordnete für Unternehmen lobbyieren

Mit Bittbriefen an Minister:innen werben Abgeordnete regelmäßig um Gunst und Geld für Unternehmen – und nutzen dafür ihr freundschaftliches Verhältnis an die Ministeriumsspitze. Erstmals machen abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat jetzt dutzende Schreiben öffentlich. Sie belegen unter anderem Lobbyarbeit für Rheinmetall und ein Steinkohlekraftwerk.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 08.08.2022
Wirtschaftsminister Habeck

"Sehr geehrter Herr Minister, lieber Peter": So begann 2018 ein pikantes Schreiben des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor an den damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Amthor bat seinen Parteifreund um Unterstützung für ein New Yorker Start-up – und löste damit die nach ihm benannte Lobbyaffäre aus (hier haben wir Amthors Lobbyschreiben veröffentlicht).

Im Bundeswirtschaftsministerium gehen inzwischen häufiger Briefe an den "lieben Robert" ein. Wenn deutsche Unternehmen Hilfe brauchen, ist der Weg zum Wirtschaftsministerium nicht weit. Ob Standortförderung oder Staatshilfen in Krisenzeiten, die Wirtschaft erwartet Hilfe von ihrem Ministerium. Und der heißt seit Dezember 2021 Robert Habeck.

abgeordnetenwatch.de und FragDenStaat.de veröffentlichen nun erstmals dutzende Bittbriefe von Abgeordneten an Bundesministerien, die wir per Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erhalten haben. 

Seit Jahresbeginn müssen sich Unternehmen und Verbände im Lobbyregister registrieren, wenn sie Kontakt zu Abgeordneten oder Regierungsmitgliedern aufnehmen. Mit wem sie sich dabei austauschen und worüber, müssen sie jedoch nicht transparent machen. Aus den jetzt veröffentlichten Bittbriefen gehen aufgrund von Schwärzungen zwar meist nicht die Namen der Unternehmen hervor, in deren Interesse ein Abgeordneter vorstellig wurde – dafür aber das Anliegen. 

Schützenhilfe für Rheinmetall

Zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 beschwerte sich beispielsweise ein Bundestagsabgeordneter von CDU/CSU beim damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier: Der Waffenproduzent Rheinmetall habe noch keine Export-Genehmigung für ein Produkt erhalten.  

Screenshot Bittbrief an Peter Altmaier mit der Anrede "lieber Peter"
Bittbrief für Rheinmetall: Lobbyschreiben eines Abgeordneten an Wirtschaftsminister Altmaier aus dem März 2020

Den Grund für die Verzögerung der Exportlizenz vermutete Altmaiers Fraktionskollege – der Name ist im Dokument geschwärzt – offenbar bei der SPD: "Ich möchte Dich daher bitten, diese angesprochenen Punkte noch einmal in den Blick zu nehmen und auch bei unserem Koalitionspartner anzusprechen. Nach meinem Eindruck liegt hier das Problem", schreibt der Politiker.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Tagesspiegel über Abgeordnetenbriefe an das Wirtschaftsministerium berichtet (die im Artikel erwähnten Schreiben haben wir inzwischen hier katalogisiert). Unsere Anfragen an die Bundesregierung zeigen nun, dass nicht nur das Wirtschaftsministerium, sondern auch zahlreiche andere Ressorts Lobbybriefe von Abgeordneten erhalten.

Längere Laufzeit für Steinkohlekraftwerk

Als indirekte Lobbyisten für Unternehmen aus ihrem Wahlkreis treten vor allem Abgeordnete auf, die in freundschaftlichem Verhältnis zu Minister:innen stehen. Im März etwa wandte sich ein SPD-Parlamentarier im Namen eines Steinkohlekraftwerks an den "sehr geehrten Herrn Bundesminister Habeck" und "lieben Robert", um für längere Laufzeiten für das Kraftwerk zu werben. Ausgerechnet ein Abgeordneter, der mit dem Grünen-Minister Robert Habeck per Du ist, lobbyierte also auf Briefpapier des Bundestags für die Steinkohle.

Screenshot von Lobbyschreiben an Minister Habeck mit der Anrede "lieber Peter"
"Sehr geehrter Herr Bundesminister Habeck, lieber Robert": Lobbyschreiben eines Abgeordneten an den Wirtschaftsminister aus dem März 2022

In den kommenden Monaten werden Bundestagsabgeordnete im Rahmen der Energiedebatte vermutlich noch viele weitere Briefe an den sehr geehrten Wirtschaftsminister schreiben – oft versehen mit dem Zusatz "lieber Robert".

Arne Semsrott

Update, 12:25: Nach einem Hinweis haben wir klargestellt, dass der Brief zum Steinkohlewerk aus einem SPD-Büro kam und haben außerdem einen Satz zur möglichen Parteizugehörigkeit der Absender entfernt, da sich darüber aufgrund der Schwärzungen nur Vermutungen anstellen lässt.


Der Autor ist Projektleiter von FragDenStaat.de. Über das Portal können über das Informationsfreiheitsgesetz Dokumente von Behörden angefordert werden.

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